Speyer Eröffnung der „Kathedralklänge“ im Dom

Spielte wieder im Dom: Jean-Baptiste Monnot.
Spielte wieder im Dom: Jean-Baptiste Monnot.

Jean-Baptiste Monnot erhält bei der Eröffnung der „Kathedralklänge“ des Kultursommers im Dom zu Speyer begeisterte Ovationen. Er spielt die Orgelfassung von Bruckners Sechster in prächtigen Vexierbildern.

Die große hoch- und spätromantische Sinfonik verlangt von Spielenden wie Zuhörenden Stehvermögen. So bedeutet die Präsentation der Orgelfassungen der neun Sinfonien des Jahresjubilars Anton Bruckner in seinem 200. Geburtsjahr als „Kathedralklänge“ in den Domen von Speyer, Mainz und Trier eine Herausforderung. Der Auftakt mit der sechsten Bruckner-Sinfonie in A-Dur am Samstagabend im voll besetzten Dom zu Speyer entfachte dank des überaus klangsinnigen und geschliffenen Spiels des französischen Organisten Jean-Baptiste Monnot aus Rouen schon einmal begeisterte Ovationen.

Sie begründen schöne Hoffnungen auf die Folge-Abende dieser noch bis in den Oktober laufenden Bruckner-Ehrungen des rheinland-pfälzischen Kultursommers. Den Mainzer Verantwortlichen mit Kultur-Staatssekretär Jürgen Hardeck dankte Domorganist Markus Eichenlaub bei der Einführung in den Abend mit dem 40-jährigen Orgelgast Monnot aus Frankreich.

„Ein echtes Orchester“

Neben Monnots Lob der Speyerer Dom-Orgel („ein echtes Orchester“) und Bruckners (als „Vater der romantischen Sinfonie“) hatte auch der Schöpfer der bei Merseburger verlegten Orgelfassungen der neun Bruckner-Sinfonien, Eberhard Klotz, seine leidenschaftliche Affinität zum österreichischen Sinfoniker bekannt, an dessen Orgel-Transkriptionen er 15 Jahre gearbeitet habe. Die bei Tremoli und wiederholenden Ton-Repetitionen (bei vielen Triolen und Quintolen gerade in der Sechsten) für die Orgel entstehenden Probleme habe er durch Erfinden neuer pendelnder Figuren zu lösen versucht, wodurch seine Fassungen den Sinfonien teilweise eine neue Gestalt gäben.

Bruckners Fantasie getoppt

Bis zu einem gewissen Grad erlebte man also eine „andere“ Sechste Bruckners. Sie gilt ohnehin als eine der fröhlichen, lebenslustigen und kecken der Bruckner-Sinfonien. Bruckner selbst soll sie als seine Unbeschwerteste bezeichnet haben. Klotz’ häufige Registerfarben-Wechsel verstärkten diese Vielfalt an Kolorit und metrischer Lebendigkeit sogar noch. Die Bearbeitung ließ Bruckners Entwicklungen ständig in neuer Beleuchtung aufblitzen. In Bruckners sanglich-langen Themen-Entwicklungen ergaben sich durch wechselnde Registerfarben neue plastische Aufrisse, die die im Orchester obwaltende ruhige Behaglichkeit in Bewegung brachten und in schillernde Lebendigkeit ummünzten. Man erlebte in dieser Orgelfassung auch durch Monnots glänzend aufrisshaftes und klangperspektivisches Spiel eine klangfarbliche Polyphonie, wie sie auf Mahler voraus wies. Es entstanden glanzvolle Vexierbilder in immer wieder schnell wechselnden Klangfarben; fast schon eine andere Sechste, wie es Klotz angekündigt hatte.

Spukhaftes Scherzo

Manche im Orchester-Original ausgedehnte Streicher-Passagen tauchte Klotz in Bläserregister-Farben, wie etwa das dadurch gestanzt wirkende zweite Thema des Adagio-Satzes, dem wohl auch weichere Salicionale angestanden hätten. Auch die Gegenläufigkeit zwischen hohen und tiefen Streichern am Ende dieses von Monnot recht langsam genommenen zweiten Satzes übertrug Klotz in härtere Bläserfarben. Diese plastisch-markante Einfärbung bewährte sich dagegen aber vollkommen im kurzen Scherzo, dessen wuseligen Fluss Monnot durch Weglassen der Wiederholung im ersten A-Teil noch beschleunigte. Monnot spielte hier elastisch federnd. So hatte der Satz noch mehr vom Spukhaften als im orchestralen Original. Das zog nach dem mit 22 Minuten langsam genommenen Adagio denn doch flott und keck dahin. Entgegen Eichenlaubs warnender Ankündigung von 80 Minuten Sinfonie-Dauer lag diese dann am Ende gerade bei einer Stunde und zwei Minuten.

Anrührende Idylle

Viel schillernde Klangfarbe also in dieser Klotz-Version, rhythmische Schlagkraft dank Monnots manuell ausgefeilten und im Finale sehr beschwingten Spiels: Wo blieben bei all dieser funkelnden Fülle die erhabenen Gottespreisungen des gläubigen Katholiken Bruckner in seiner kecken Sechsten? Diese A-Dur-Sinfonie ist zwar nicht wie die Neunte „dem lieben Gott gewidmet“. Sie steht mit ihrer Vielgestaltigkeit und Lebendigkeit auch nicht in Thomas Bernhards Wiener-Schmäh-Gefahr des „religiös-pubertären Notenrauschs“. Dennoch enthält sie schöpferische Lobpreis-Episoden für Bruckners „lieben Gott“. Hier zeigte Monnots Spiel großartige Momente. So sein anrührendes, wundervoll dicht gebundenes Spiel in der Idyllik vor der Coda des Kopfsatzes. Die liebliche oberösterreichische Heimat Bruckners ließ grüßen.

Schwärmerische Sanglichkeit

Auch das sangliche dritte Thema des Finalsatzes spielte Monnot in schwärmerisch retardierendem Verweilen und erlesenem Spiel. Wundervoll ausgehört und eloquent brachte er die zyklische Wiederkehr der Themen der vorausgegangenen Sätze in diesen Schlusssatz ein. Man konnte mit Fug und Recht resümieren: Bruckners Fantasie wurde an diesem „Kathedralklang“-Eröffnungsabend auf die Spitze getrieben. Der lang anhaltende, begeisterte Beifall für Monnot war die verdient angemessene Reaktion der gut mitgegangenen Besucherschaft.

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