Rheinpfalz Gar nicht weit und doch so fern

Rheinland-Pfalz feiert 2017 einen runden Geburtstag. 70 Jahre sind vergangen, seit die Bürger sich am 18. Mai 1947 in einer Volksabstimmung für eine Verfassung des neuen Bundeslandes entschieden haben und den ersten Landtag wählten. Rheinland-Pfalz, lange Zeit als Land der Retorte bezeichnet, scheint mittlerweile zusammengewachsen zu sein; seine Regionen haben sich aber ihren eigenständigen Charakter bewahrt. Diese Serie porträtiert die Landesteile. Heute: ein Besuch in der Eifel.

Dem Pfälzer, speziell dem Westpfälzer liegt die Eifel geografisch nahe und doch so fern. Gerade einmal 100 Kilometer misst die Fahrstrecke von der Pfälzer Nordwestecke bei Kusel bis nach Bitburg. Doch des Pfälzers Ausflug endet oft im lieblichen Moseltal. Weiter oben, so heißt es, sei das Wetter meist kalt und regnerisch, lebten verschlossene Menschen mit einem dem Pfälzer Ohr fremden Dialekt, der dem Luxemburgischen ähnele. Doch wer den Weg über die Mosel findet, ist schnell gefangen von der weiten Landschaft. Schier endlos schweift der Blick über sanfte Hügel mit einem satten Grün. Mehr kleine und kleinste Dörfer gibt es nirgends in Deutschland. Allein die rund 90.000 Einwohner des Kreises Bitburg Prüm verteilen sich auf mehr als 230 Gemeinden. Weiter östlich fesseln markante Vulkankegel den Blick und die Eifelmaare schauen wie blaue Augen in den Sommerhimmel. Ganz im Osten geht es hinunter in die Täler von Ahr und Rhein. Die Eifel, das ist der nordwestliche Teil von Rheinland-Pfalz, in dem die Menschen in Laufe der Jahrhunderte meist ein karges Dasein fristeten. Man sagt ihnen großes Durchhaltevermögen nach. Eifel wurde ursprünglich ein kleiner Landstrich geheißen, in dem heute die Landesgrenze zwischen Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz auf die Grenze zu Belgien trifft. In Laufe der Jahrhunderte wurde der Name auf die gesamte Mittelgebirgslandschaft im Städte-Viereck Aachen, Bonn, Koblenz und Trier ausgedehnt. Schon die alten Römer hatten eine Verwaltungsgrenze quer durch das abgelegene Hochland gezogen. Spätere Herrscher hielten diese Trennungslinie mehr oder weniger exakt bei. 1816 zogen die Preußen ein. Sie verwalteten die südliche Eifel von Trier beziehungsweise von Koblenz aus. Diese beiden Verwaltungsbezirke kamen nach dem Zweiten Weltkrieg zur französischen Besatzungszone und damit zum neuen Bundesland Rheinland-Pfalz, die Nordeifel zu Nordrhein-Westfalen. Ob sich die Eifeler inzwischen mit der neuen „Herrschaft“ im fernen Mainz arrangiert haben? Es sieht ganz danach aus, wenngleich sie in Einzelfällen willens und in der Lage sind, dem Rest des Landes zu zeigen, was eine Harke ist. Als der CDU-Landtagsabgeordnete Michael Billen 2011 gegen den Widerstand seiner eigenen Partei im heimischen Wahlkreis erneut kandidierte, schickten ihn die Wähler mit einem deutlichen Votum nach Mainz. Und im vergangenen Jahr wählte die traditionell mehrheitlich „schwarze“ Wählerschaft, erstmals Billens SPD-Konkurrenten Nico Steinbach als Wahlkreis-Gewinner in den Landtag, hatte doch dieses Mal die SPD sich erdreistet, dem Eifeler Steinbach einen sicheren Listenplatz zu versagen. Aus manchem Eifeldorf ist der Weg weit bis zum nächsten Autobahnanschluss, aber wer aus der Eifel heraus will, ist auf das Auto angewiesen. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist es nicht weit her. Die Hoffnungen aus dem früheren Bitburger Militärflugplatz könnte ein ziviler Airport und damit ein Wachstumsmagnet werden, haben sich längst zerschlagen. Der im Bau befindliche Hochmoselübergang mit seiner rund 160 Meter hohen Brücke wird zumindest den Menschen in der Westeifel den Weg ins übrige Rheinland-Pfalz und nach Süddeutschland verkürzen. Hingegen schleppt sich die Fertigstellung der Autobahn 1 nach Köln zum Ärger der Eifeler dahin. Große Hoffnungen ruhten bis vor wenigen Jahren auf der Zukunft des Nürburgrings. Die traditionsreiche Rennstrecke, einst als Strukturprojekt in den Wald um Adenau geschlagen, sollte noch mehr Besucher und Umsatz in die Region bringen. Die Landesregierung setzte ein überdimensioniertes Freizeitparkprojekt krachend in den Sand. Eine halbe Milliarde Euro Steuergeld, der Formel-1-Zirkus und die großen Erwartungen sind weg, geblieben ist die Rennstrecke in privatem Eigentum. Wirtschaftliche Leuchttürme stehen wenige in der Eifel. Die Region gilt als strukturschwach. Der Wein wächst unten an Mosel und Ahr, in der Wittlicher Senke auch Tabak. In den Hochlagen ist fast nur Forst- und Milchwirtschaft möglich. Handwerk, einfache Dienstleister und kleine mittelständische Produktionsbetriebe prägen die Wirtschaft. Ein wenig vom Bergbau (unter anderem Schiefer) ist noch geblieben. Die Großen, unter anderem eine namhafte Brauerei und eine Molkereigenossenschaft, gehören zur Lebensmittelbranche, es gibt wenig Industrie von morgen. Zunehmend Bedeutung hat in den vergangenen Jahrzehnten der Tourismus gewonnen. Mehr als eine Million Gäste und dreieinhalb Millionen Übernachtungen wurden 2016 gezählt. Neben Landschaft und Natur hat die Eifel auch einiges, war andere Regionen nicht oder weniger zu bieten haben. Dazu gehören die sichtbaren Zeichen des Vulkanismus. Vor mehr als einer halben Million Jahren begann es, unter dem Eifelboden zu rumoren. Geblieben sind Schlackenkegel, Maare und Krater. Zur Marke entwickelt haben sich die Eifel-Krimis. Inzwischen gibt es Reiseführer und Wanderwege zum Thema sowie im Städtchen Hillesheim ein „Kriminalhaus“ mit einer Sammlung von 30.000 Büchern des Genres. Bleibt noch festzuhalten: Auch jenseits von Politik und Wirtschaft gibt es natürlich Persönlichkeiten aus der Eifel, deren Namen auch in der Pfalz nach wie vor prächtigen Klang haben. Dazu zählen der Schauspieler Mario Adorf (Mayen), auch wenn er in den Karl-May-Verfilmungen der 1960er-Jahre als Mime die Schwester Winnetous erschossen hat, oder Klaus Toppmöller (Rivenich), in den 1980er-Jahren Torjäger beim 1. FC Kaiserslautern. Es ist immer wieder spannend jenseits der Mosel. Nächste Folge 2. Mai: Rheinhessen

x