Rheinpfalz Kommt nur ihr Schreibfehler

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Mit einem Schmatzgeräusch löst sich das Blatt von der Druckvorlage. Ein gutes Zeichen, sagt Anne Willberg, die beim Drucken hilft. Es war genug Farbe und Körperkraft an der Druckerpresse im Einsatz. „Ablaßbrief“ steht in großen Buchstaben über dem Text. Wie damals muss ein Obulus entrichtet werden. Meine Tochter wirft die zwei Euro in die Kasse und Anne Willberg sagt in bester Johannes-Tetzel-Manier: „Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt.“ Aua. Und das im Jahr 2017. Im Luther-Jahr. Wir sind im Gutenbergmuseum in Mainz. Das Gebäude zu Ehren des berühmtesten Sohnes der Stadt, Johannes Gensfleisch, steht ein wenig nach hinten gesetzt auf dem Liebfrauenplatz. Gegenüber erhebt sich stolz der Dom. Ablassbriefe. Die perfide Geschäftsidee blühte zu Beginn des 16. Jahrhunderts, 150 Jahre nachdem Gutenberg angefangen hat, mit beweglichen Lettern zu drucken. Damals wurde der Bau des Petersdoms in Rom finanziert. Auch das Gutenbergmuseum hat Pläne, aber dafür reichen die Einnahmen aus dem Ablasshandel nicht. Ein „Bücherturm“ soll die Schätze der Druckkunst besser in Szene setzen. Schräg soll er werden, sich abheben von der Umgebung. Der Entwurf ist umstritten, ich habe mir noch keine Meinung gebildet. Einerseits ist der Stadt in den vergangenen 70 Jahren architektonisch nicht alles geglückt, vorsichtig formuliert. Andererseits kann das Museum nur gewinnen. Es erscheint trotz manch pfiffiger Sonderausstellung doch reichlich verstaubt. Nicht alle sind so genügsam wie der im vergangenen Jahr gestorbene italienische Literat, Semiotiker und Bücherfreund Umberto Eco: Er war bei seinem Besuch im Herbst 2014 alleine dadurch beglückt, dass er sich die 42-zeilige Gutenbergbibel genau anschauen konnte. Erfolgreich ist auch der Druckladen am Museum. Kinder, die mit der Tastenkombination „strg p“ aufwachsen und allenfalls den Kartoffeldruck kennen, spielen gerne mit der schwarzen Kunst. Erwachsene auch. Mit den zwei Euro erkaufe ich mir „ein Ablaß von sieben Jahren, sieben Monaten und sieben Tagen aller Sünden falscher Rechtschreibung und böswilliger Wortverdrehung...“. Na, das ist doch was. Auf dem Nachhauseweg diskutieren wir, wer den Brief nötiger hat. Die Mutter, deren Fehler für alle Zeitungsleser sichtbar sind, oder die Tochter, die für Rechtschreibfehler schlechtere Zensuren kassieren könnte. Er landet in der Redaktion – natürlich nur, weil ich die Vorlage für diesen Text brauche. Die Kolumne Karin Dauscher, Jahrgang 1966, ist Korrespondentin im Mainzer RHEINPFALZ-Büro. Mit ihrer vierköpfigen Familie lebt sie in der Landeshauptstadt. In der Kolumne „Mein Mainz“ notiert sie Erlebnisse aus ihrer Wahlheimatstadt.

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