Rockenhausen Festival Neue Musik: Klangästhetik auf der Höhe der Zeit

Composer in Residence beim Festival Neue Musik 2023: Federico Gardella.
Composer in Residence beim Festival Neue Musik 2023: Federico Gardella.

Fast wie ein Märchen klinge das: In Zeiten beängstigender Naturereignisse und schamloser Gewalt dürften Musik und Klang in Rockenhausen Hallen, Säle und Plätze regieren. So bringt Lydia Thorn Wickert im Hinblick auf das Festival Neue Musik Ende November ihre Freude und zugleich die Ambivalenz der Zeiten zum Ausdruck. Eine reichhaltige Auszeit wartet auf das Publikum.

Die Geschichte, die 2018 als kühnes Wagnis begann, geht weiter, und man darf sagen: Dieses Festival der Neutöner und der Klangästhetik auf der Höhe der Zeit, von Lydia Thorn Wickert organisiert, hat sich etabliert und Rockenhausen nun auch als Stätte hoher Musikkultur überregional profiliert. In der modernen Kunst gelingt der Stadt das schon seit Jahrzehnten. Und das visuelle, künstlerische Präludium zur Neuauflage des Festivals hat das Publikum bereits einstimmen können. Bemerkenswert gut besucht war im Museum für Kunst die Eröffnung der Ausstellung „Ohne Worte“ der Koreanerin Hyungju Oh, in deren Mittelpunkt die Performance „Pain“ für einen Moment tiefer meditativer Stille sorgte, die Geschichte einer Wunde und des bleibenden Schmerzes, eingegraben in eine Papierhaut. Abstrakt und doch beziehungsreich im Hinblick auf die Zeitläufte.

Am Festival-Samstag im Museum für Zeit zu erleben: das Duo Windspiel
Am Festival-Samstag im Museum für Zeit zu erleben: das Duo Windspiel

Das üblicherweise dreitägige Festivalprogramm Ende November/Anfang Dezember bindet diesmal auch den Donnerstag, 30. November, mit ein. Neben der musikalischen Einstimmung, die Alexandra Koch (Trompete) sowie Jutta (Carillon) und Peter Schitter (Bass) am Carillon erklingen lassen und dem Abendkonzert des Ensembles Horizonte (19.15 Uhr, protestantische Kirche) mit Werken unter anderem von Arvo Pärt und von Federico Gardella – er hat eine besondere Rolle im Festivalverlauf – ist das Festival den Tag über Gastgeber eines besonderen Seminars. Der in Berlin ansässige Musikfonds wird an diesem Tag in der Donnersberghalle die Abschlussveranstaltung zu einem Sonderförderprogramm für Musikprojekte im ländlichen Raum abhalten unter dem amüsanten Titel: „muh[sic]“. Im Rahmen dieser Veranstaltung wird Hyungju Oh ihre Performance „Pain“ um 17 Uhr im Museum für Kunst erneut vorführen.

Momente der Kontinuität

Die Sonderrolle des erwähnten Mailänder Komponisten Federico Gardella besteht in seiner Präsenz als „Composer in Residence“. Er folgt Daniele Ghisi und Toshio Hosokawa in dieser Funktion nach. Begegnungen mit Hosokawa sind für Gardellas musikalische Entwicklung von hoher Bedeutung, so dass hier ein Moment der Kontinuität im Festival Neue Musik sichtbar wird. Der 44-Jährige ist international gefragt und tätig, wird durch zahlreiche Preise empfohlen und hat mit bedeutenden Orchestern weltweit zusammengearbeitet. Seine Musik ist aufgrund seiner Rolle im Festival mehrfach zu erleben. Ein Höhepunkt wird die Uraufführung seines Klavierkonzertes am Samstag, 2. Dezember, 19.30 Uhr, sein. Dem japanischen Pianisten Tomoki Kitamura, vor Ort bestens bekannt vom letzten Festival Neue Musik wie auch von der Kirchheimbolander Musikreihe „Junge Stars der Klassik“, ist die Uraufführung anvertraut, begleitet von der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland Pfalz aus Ludwigshafen unter der Leitung von Tito Ceccherini. Das Werk ist eine Auftragskomposition für das Festival. Kitamura wird auch tags darauf um 12 Uhr Solostücke von Gardella sowie von Robert Schumann in der Donnersberghalle aufführen.

Tomoki Kitamura, hier bei seinem Auftritt bei den „Jungen Stars der Klassik“ in Kirchheimbolanden.
Tomoki Kitamura, hier bei seinem Auftritt bei den »Jungen Stars der Klassik« in Kirchheimbolanden.

Diese immer spannende Begegnung neuer Musik mit Werken der Klassik gibt auch dem Abendkonzert am Freitag, 1. Dezember, 19 Uhr, seinen besonderen Reiz. An diesem Abend ist das vielfach preisgekrönte, 2012 gegründete Acelga-Quintett zu Gast im Foyer der Sparkasse Donnersberg. Die fünf Musiker lassen hier Werke von Mozart mit solchen des Ungarn György Ligeti, längst ein Klassiker und einer der bedeutendsten Stichwortgeber neuer Musik, aufeinandertreffen. Das Ensemble übernimmt zudem musikpädagogische Aufgaben im Rahmen des Festivals, indem es am Vormittag desselben Tages in der Grundschule Kirchheimbolanden zwei Schülerkonzerte spielt.

Carillon mit besonderer Rolle

Die besondere Rolle, die das Carillon im Festivalverlauf einnimmt, wird deutlich dadurch, dass die Auftakt- und Schlussakzente dort gesetzt werden. Am Freitag beginnt das Musikprogramm dort um 16 Uhr mit Merle Kollom (Carillon) und Jaak Lutsoja (Akkordeon), die neben eigenen auch Werke von John Cage, Arvo Pärt und anderen im Programm haben. Tags drauf werden die beiden um 18 Uhr nochmals mit Weihnachtsliedern zu hören sein. Der Abschlussmoment am Sonntag ist wiederum einer der Festivalkontinuität. Um 16.20 Uhr wird am Carillon das Stück „#49 febbre “ erklingen, das in Daniele Ghisis das Jahr übergreifendem „Rockenhausen Almanach“ der ausklingenden Woche zugedacht ist - der Almanach ist eine Auftragskomposition für das Festival und mittlerweile fest implementiert im Musikschatz des Glockenspiels am Museum für Zeit.

Auch vertraute Gäste sind wieder beteiligt am Programm, darunter „Windspiel - Duo für Neue Musik“ mit Eva Zöllner (Akkordeon) und Verena Wüsthoff (Blockflöten), die neben eigenen Stücken auch Werke von Komponistinnen und Komponisten wie der in Köln lebenden Weißrussin Oxana Omelchuk oder des jungen Türken Canberk Duman im Programm haben. Weitere Programmhöhepunkte sind der Festivalgottesdienst am Sonntag, 3. Dezember, 10.30 Uhr in der Pfarrkirche St. Sebastian, den die Sopranistin Constanze Akherraz-Kirchner und Diethelm Schlegel an der Orgel mit Auszügen aus der 1. Orgelsonate von Hermann Schroeder und Eigenkompositionen Schlegels mitgestalten werden, sowie das abschließende Konzert des JugendEnsembleNeueMusik Rheinland-Pfalz/Saar in der VTR-Halle: Unter der Leitung von Stefan Kohmann werden ab 15 Uhr nicht nur zwei Uraufführungen zu erleben sein von Stücken von Marta Haladzhun und Merdedeh Gholani. Beteiligt ist auch ein junger Komponist aus dem Donnersbergkreis, der Kirchheimbolander Jonathan Spratte.

Das Festival

Festival Neue Musik, Rockenhausen, Donnerstag, 30. November bis Sonntag, 3. Dezember; Auftakt am 30. November mit
Tickets gibt es unter rheinpfalz.de/ticket; Infos: unter www.thornconcept.eu.

Das Programm

30. November: Performance Hyungju Oh, 17 Uhr, Museum für Kunst; Konzert „Macht hoch die Tür“, 19 Uhr, Museum für Zeit, Fassade; Ensemble Horizonte, 19.15 Uhr, protestantische Kirche; Les Trucs DJ-Set, 21.30 Uhr, Donnersberghalle, Roter Saal.
1. Dezember: Fortbildung für Musiklehrer, 9 Uhr, Donnersberghalle; erstes Konzert mit Merle Kollom und Jaak Lutsoja, 16 Uhr, Museum für Zeit, Fassade; Acelga Quintett, 19 Uhr, Sparkasse Donnersberg.
2. Dezember: Duo Windspiel, 16 Uhr, Museum für Zeit; zweites Konzert mit Merle Kollom und Jaak Lutsoja, 18 Uhr, Museum für Zeit, Fassade; Deutsche Staatsphilharmonie, 19.30 Uhr, Donnersberghalle.
3. Dezember: Festivalgottesdienst, 10.30 Uhr, katholische Pfarrkirche; Konzert mit Tomoki Kitamura, 12 Uhr, Donnersberghalle; JugendEnsembleNeueMusik, 15 Uhr, VTR-Halle; Daniele Ghisi: Klangminiatur „#49 febbre“, 16.20 Uhr, Museum für Zeit, Fassade.
RHEINPFALZ-Card-Inhaber bekommen zwei Euro Ermäßigung auf die Konzerte des Ensembles Horizonte und des Acelga Quintetts und vergünstigte Tagestickets für Samstag (Duo Windspiel und Staatsphilharmonie) und Sonntag (Tomoki Kitamura und JugendEnsembleNeueMusik).

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