Diagnose Demenz Schauspielerin Hannelore Bähr liest in Winnweiler Texte von Angehörigen

Bei ihren Lesungen gibt die Schauspielerin Hannelore Bähr Einblicke in das Leben von Menschen mit Demenz.
Bei ihren Lesungen gibt die Schauspielerin Hannelore Bähr Einblicke in das Leben von Menschen mit Demenz.

Wie erlebt man Demenz im Alltag? Familienangehörige und Pflegekräfte haben ihre Beobachtungen zu Papier gebracht, die berührend sind, humorvoll, oder auch von Überforderung zeugen. Mit Texten von Angehörigen gibt Schauspielerin Hannelore Bähr Einblicke in eine fremde Welt.

Wo bin ich hier? Warum soll ich essen? Wer ist die junge Frau, die sich so liebevoll um mich kümmert? „Wie würde ich das wohl erleben, wenn ich dement wäre?“, fragt sich Bähr. Der Verlust von Heimat und von Sicherheit ist es, was die Schauspielerin sehr stark berührt. Ihre Oma sei im Alter schwer dement geworden. In der damaligen Zeit sei man demgegenüber vollkommen hilflos gewesen. „Sie hatte sich vollkommen verändert. Aus der einstmals peniblen, superordentlichen Frau war jemand geworden, die an Weihnachten die Füllung der Weihnachtsgans zerrupfte, die Hände hinter dem Rücken versteckte und beteuerte, ich war’s nicht – obwohl überall auf ihrem Gesicht und Kleid die Spuren davon zu sehen waren.“

Über Musik sei ihre Oma damals noch erreichbar gewesen, wenn auch schwer. Eins ihrer Lieblingslieder sei „My Way“ von Frank Sinatra gewesen. Mit 18 Jahren habe sie das Stück ihrer Oma vorgesungen. „Ich habe lange gebraucht, aber ich habe sie irgendwie doch erreicht. Sie hat dann tatsächlich mitgesungen.“

Bähr: „Texte sind berührend“

Nicole Jörg von der Beratungs- und Koordinierungsstelle vom Netzwerk Demenz Kaiserslautern hatte Bähr angefragt und ihr Texte von Angehörigen und Pflegekräften vermittelt, in denen diese ihre Erlebnisse mit Demenzkranken schildern. Texte vom Pflegestützpunkt in Dahn erweiterten die Sammlung.

„Die Texte sind sehr toll, sehr berührend“, so Bähr. Viel Humor sei darin zu finden – beispielsweise auf den Postkarten vom Humbergturm oder Gelterswoog mit Grüßen aus Sardinien oder von der Adria. Rose Götte habe eine Schilderung beigesteuert über eine demente Frau, die nicht zur Toilette gehen wollte. Mit Fausts Ansprache an Margarethe „Schönes Fräulein, darf ich’s wagen, meinen Arm und Geleit ihr anzutragen?“ habe es dann doch geklappt, und zwar jeden Tag aufs Neue.

„Sind das Kondensstreifen da am Himmel oder ist das der Klapperstorch?“, so die ganz ernsthafte Frage eines Demenzkranken. Nicht immer schaffe es die Umgebung, die Symptome mit Humor zu nehmen. Dann sei Überforderung aus Texten zu lesen, wenn etwa Befehle oder Anschreien der Tochter keine Reaktion bei der Mutter auslösen.

Lyrik als Bestandteil des kulturellen Selbst

Bähr hat ihr Interesse am Thema Demenz weiter vertieft. Das Buch „Der alte König in seinem Exil“ von Arno Geiger habe sie beeindruckt, in dem der Autor autobiografisch über seinen dementen Vater schreibt. Auf „Zeit der Vergesslichkeit“, ein Sachbuch von Birgit Mai, verweist sie. Bähr schätzt das Engagement von Lars Ruppel, bekannt durch Slam-Poetry, der in Versorgungseinrichtungen für Demenzkranke mit allen singt und dichtet oder Gedichte vorträgt. Lyrik sei ein wichtiger Bestandteil des kulturellen Selbst, damit könne man Menschen auf dieser Ebene erreichen. In einer neuen Produktion am Pfalztheater mit dem Titel „Deine Oma – Eva hatte keinen Bauchnabel“ zum Thema Erinnern und Vergessen wird Bähr voraussichtlich die Rolle einer demenzkranken Frau spielen.

„Ist das das andere Land oder ist das Demenz?“ heißt Bährs Lesung am Freitag, 9. Februar, in Winnweiler (17 Uhr im Sitzungssaal der Verbandsgemeinde). Das Angebot, sich im Anschluss an die Lesung auszutauschen, werde immer gut angenommen, ist Bährs Erfahrung. „Das Bedürfnis, von sich zu erzählen, ist groß. Und es ist notwendig.“

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