Grünstadt Von wegen Dicke-Backen-Musik alter Männer

Blasmusik gleich Dicke-Backen-Musik alter Männer? Weit gefehlt, wie beim Jahreskonzert des Bergmanns-Blasorchesters (BBO) am Samstagabend in der Gut-Heil-Halle in Hettenleidelheim zu erleben war. Mit rund 20 weiblichen Mitgliedern hat die Kapelle aus 36 Aktiven einen deutlichen Frauenüberschuss und bei durchschnittlich 35 Jahren sind die Bläser auch noch relativ jung. Entsprechend frisch und fröhlich war auch das, was geboten wurde.

Das BBO hat in der Region einen so guten Ruf, dass die Musiker schon beim Einmarsch, bevor sie den ersten Ton gespielt haben, mit großem Applaus bedacht werden. Dass sie diese Vorschusslorbeeren verdient haben, zeigen sie gleich beim Auftakt mit der Fanfare „A Little Opening“ von Thiemo Kraas, einem erst 32-jährigen Komponisten aus dem Sauerland. Nach dem fulminanten Einstieg, buchstäblich mit Pauken und Trompeten, lenkt ein Mann aus dem Publikum die Aufmerksamkeit der übrigen Zuschauer auf sich. Mit dem Handy am Ohr springt er auf, entschuldigt sich tausendmal und stöhnt: „Ach, ist das peinlich!“, bevor er auf der Bühne wieder auftaucht und sich als Moderator Walter Kraft entpuppt. „Sie haben zwei Minuten Zeit, Ihre Handys auszuschalten“, sagt sein Kollege Wolfgang Breitwieser. In diesem humorigen Stil führen die beiden fortan durch den Abend – kurzweilig und interessant. So ist zu erfahren, dass im Raum Kusel zwischen der Mitte des 19. Jahrhunderts und dem Zweiten Weltkrieg Musikantengruppen zum Broterwerb umherzogen. Dieser untergegangenen Kultur ist in der Burg Lichtenberg, von der das nächste Stück handelt, ein Museum gewidmet. „Dort ist auch die größte Tuba der Welt untergebracht“, so Kraft. Mit einer gestreckten Rohrlänge von 2,66 Metern ist auch ein Tenorhorn nicht gerade klein, und es lässt schon erstaunen, welche weichen und romantischen Klänge ihm zu entlocken möglich sind. Rebecca Schneider spielt auf dem Instrument äußerst gefühlvoll „Memory“ von Rob Ares, der eigentlich André Waignein heißt. Dabei wird die Solistin zart und leise vom Orchester begleitet – ein Genuss, bei dem man ins Träumen gerät. Mächtig ins Schwitzen geraten dürften manche Musiker sein bei der schwierigen Musicalmelodie „Les Misérables“. Doch sie haben es perfekt einstudiert, und Kapellmeister Markus Eichinger lenkt seine Musiker mit seiner ruhigen Art souverän über alle möglichen Stolpersteine des gut elf Minuten langen Stückes hinweg. Punktgenau werden die Akzente gesetzt, ob ein Trommelwirbel, ein Fagott- oder ein Flügelhorn-Solo, exakt sind Dynamik und Tempo-Wechsel. Alles klappt einwandfrei und am Ende strahlt der Dirigent sichtlich erleichtert. Ja, das ist wirklich gelungen! Zum Ausruhen folgt der eingängige Titelsong „Game of Thrones“, den der Deutsch-Iraner Ramin Djawadi verfasst hat – emotional mitreißend. Schön zu sehen ist, mit welcher Hingabe und Freude die Mitglieder des Orchesters bei der Sache sind. Sie präsentieren auch noch zwei Jacob-de-Haan-Kompositionen: „Concerto D’Amore“, in dem mehrere Musikstile miteinander verschmelzen, und „Glasnost“, das verschiedene russische Melodien vereint. Zu Gehör bringt das BBO zudem Lieder aus dem 53. Disney-Animationsfilm „Frozen“ sowie „Music“ von John Miles, bei dem einige Konzertbesucher völlig verzückt im Rhythmus heftig mitklatschen. Mit ebensolcher Begeisterung werden die zwei Zugaben aufgenommen, insbesondere das flotte „I’m So Excited“ von den Pointer Sisters reißt das Publikum von den Stühlen. Umgehauen hat es kurz vor Schluss beinahe Markus Eichinger. Denn das seinem Taktstock sonst stets willig folgende Orchester spielt statt der von ihm angeleiteten BBO-Hymne „Glück auf, der Steiger kommt“ ein Geburtstagsständchen. Vereinsvorsitzender Leif-Henry Fell, eben noch hochkonzentriert an der Pauke, überreicht dem überraschten Dirigenten ein Weinpräsent zum 52. Ehrentag, der mit dem Jahreskonzert zusammenfällt.

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