Leiningerland Fluthilfemedaillen für Helden des Alltags

70 Wehrleute aus der VG Leiningerland haben die Fluthilfemedaillen des Landes wegen ihrer selbstlosen Einsätze beim Jahrhunderth
70 Wehrleute aus der VG Leiningerland haben die Fluthilfemedaillen des Landes wegen ihrer selbstlosen Einsätze beim Jahrhunderthochwasser an der Ahr erhalten.

Es war die schlimmste Überschwemmungskatastrophe in Deutschland seit der Sturmflut 1962 in Hamburg: Die Nacht auf den 15. Juli 2021 werden Zigtausende Menschen an der Ahr nie mehr vergessen. Auch im Gedächtnis bleiben ihnen die vielen Helfer. Ein Betroffener kam zum persönlichen Dank nach Altleiningen.

Pierre Sebastian hat Mitte Juli 2021 innerhalb weniger Stunden fast alles verloren. „Meine Heimat war im Arsch“, beschrieb der Schreiner drastisch das Ergebnis der Jahrhundertflut in Dernau an der Ahr, wo er stellvertretender Wehrführer ist. Der Mittdreißiger war mit seiner Frau Jenny am Freitagabend Ehrengast im Altleininger Gerätehaus, wo 70 Angehörige der Freiwilligen Feuerwehren in der Verbandsgemeinde Leiningerland für ihren selbstlosen Einsatz im Katastrophengebiet ausgezeichnet wurden.

Insgesamt erhalten derzeit – kurz bevor sich die verheerende Überschwemmung im Ahrtal, in der Eifel und in Trier zum zweiten Mal jährt – fast 43.000 Männer und Frauen die Fluthilfemedaille samt einer Urkunde, die von Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) und Innenminister Michael Ebling (SPD) unterzeichnet ist.

Gegen das Vergessen

„Machen wir uns nichts vor: Ohne Tausende ehrenamtlicher Helfer wären die bisherigen Fortschritte beim Wiederaufbau nicht möglich gewesen“, betonte VG-Bürgermeister Frank Rüttger (CDU) bei der Feierstunde. „Rund 65.000 Menschen sind von den Folgen der Flut direkt betroffen“, blickte er zurück und hob hervor, dass diese – noch lange andauernde – Situation angesichts der weltweiten Krisen und des Ukraine-Krieges keinesfalls in Vergessenheit geraten dürfe. Allein im Ahrtal hätten die Wassermassen eine 40 Kilometer lange Schneise der Verwüstung gezogen, Straßen, Brücken, Versorgungsleitungen und circa 9000 Gebäude seien zerstört oder schwer beschädigt worden. „Auch heute noch sind diese tiefen Wunden in der Region und der Gesellschaft vor Ort noch lange nicht verheilt“, so Rüttger.

„Es ist unser Glück: Ihr habt sofort verstanden, dass euer Einsatz ein nachhaltiger sein muss“, sagte Pierre Sebastian. Dabei war dem Dernauer immer noch sehr deutlich anzumerken, dass er unvorstellbar Furchtbares durchgemacht haben muss. In kürzester Zeit war die große Halle der Tischlerei, in der er gearbeitet hatte, geflutet, sodass er und seine Kollegen dort eingeschlossen waren. Die Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 verbrachte er schlaflos auf dem Dach. Sein Privatauto schwamm davon, sein Elternhaus auch.

Der schlimmste Moment: Als Sebastian seine toten Verwandten identifizieren musste. In der Kirche lagen die Leichen seines Onkels, seiner Tante und seines Cousins. Seit diesen „drei Tagen Chaos“ voller Schmerz und Ohnmacht erfahre er großartige Hilfe aus dem Leiningerland. „Die letzten 20 Monate Wiederaufbau haben nur funktioniert, weil jeder von euch zugepackt hat“, sagte Sebastian, der bislang 11.000 unentgeltliche Helferstunden rund um sein Feuerwehrgerätehaus gezählt hat.

Rüttger stellte die Frage, wie viele Jahre es wohl dauern wird, bis sämtliche Zerstörungen im Ahrtal beseitigt sind. Er berichtete, dass der VG-Wehrleiter Markus Ittel schon fast alles für einen Einsatz im Katastrophengebiet vorbereitet und eine beeindruckende Anzahl an Freiwilligen rekrutiert hatte, als der Landkreis um Unterstützung bat. „Wir haben den Vorteil, dass wir eine sehr große Verbandsgemeinde sind und durch solche besonderen Hilfeleistungen nicht den Grundschutz für unsere 21 Dörfer gefährden müssen“, erklärte Ittel, der mit seinen Kameraden „jederzeit wieder“ zu solchen Einsätzen fahren würde.

Stolz und Erschöpfung

In die Gedächtnisse von Rüttger und dem Kreisbeigeordneten Sven Hoffmann (CDU) haben sich die Mienen der Mitglieder des ersten Hilfstrupps fest eingebrannt, als sie nach 72 Stunden zurückkehrten. Es seien Gesichter voller Stolz auf das Geleistete gewesen, in denen sich aber gleichzeitig die mentale und körperliche Erschöpfung spiegelte, erklärten sie.

Diejenigen, die helfen und retten, gingen weit über die Grenzen ihrer eigenen Kräfte hinaus, so Hoffmann. Den „wahren Helden des Alltags“ sprach Rüttger für den „höchsten Dienst an der Menschheit“ seine absolute Hochachtung aus. Hoffmann sagte: „Und da nach dem Einsatz immer auch vor dem Einsatz ist, hat das Team um unseren Katastrophenschutzinspekteur Sascha Schwenk die Einsätze an der Ahr analysiert und einen Katalog mit Anforderungen für größere technische Hilfeleistungen erstellt.“ Er kündigte als ein Ergebnis dieser Arbeit an, dass der Landkreis unter anderem einen Teleskoplader anschaffen werde.

Die Geehrten

  • Feuerwehr Altleiningen: Florian Pontes, Ronald Radmacher, Florian und Jens Rahmseger, Stefan Rüdiger, Nico Schmitt und Luisel Stabel;
  • Feuerwehr Bockenheim-Kindenheim: Florian Adam, Bianca Czechak, Niklas Flickinger, Janis Geib, Marco Grünewald, Timo Hennrich, Daniel und Torsten Herstein, Uli Keidel, Jan Kreutzenberger, Jochen Lander, Jaqueline Mathes, Nils Schmitt, Michael Schreiber, Björn Spieß, Christian Werle und Stephan Zwiener;
  • Feuerwehr Carlsberg: Jonas Ebinger, Dieter Fischer, Silas Philippi, Frank Rissel, Patrick Umland, Marius Walburg und Benny Zaun;
  • Feuerwehr Dirmstein: Fabian Gödert, Torsten Göhring, Roberto Heinrich, Michael Hejl, Andreas und Christian Huber, Steffen Schmahl und Alexander Schuler;
  • Feuerwehr Gerolsheim: Adrian Friemel, Oliver Meyer und Dominik Quandt;
  • Feuerwehr Großkarlbach: Percy Buchwald, Rene Grieser, Markus Ittel, Patrick Kaminsky, Heiko Keller, Marvin Krocker und Thomas Schilling;
  • Feuerwehr Hettenleidelheim-Wattenheim: Sebastian Abt, Jan Breitwieser, Mario Ewald, Andreas Michel, Dennis Remmele, Jens Rybok, Katrin und Manfred Ulrich, Bastian Walter und Kai-Uwe Zill;
  • Feuerwehr Kirchheim-Kleinkarlbach: Deniz Dilbaz, Jonas Nahstoll und Marcel Ziegler;
  • Feuerwehr Neuleiningen: Patrick Frommherz;
  • Feuerwehr Obrigheim: Johannes Benger, Kevin Erb, Lars Holtkamp, David Junker, Simon-Marcel Krebs, Patrick Merz und Patrick Pilz.

Bürgermeister Frank Rüttger (links) mit den Ehrengästen Pierre und Jenny Sebastian.
Bürgermeister Frank Rüttger (links) mit den Ehrengästen Pierre und Jenny Sebastian.
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