Kaiserslautern Charme und Charisma

Zunächst einmal erfüllte der Frankfurter Musiker Daniel Kempin am Mittwoch in der Stadtmission mit jiddischen Liedern künstlerisch die hohen Erwartungen. Daneben ist jedoch sein biografischer Hintergrund interessant.

Kempin ist Spross einer Kirchenmusiker-Familie: Ein Bruder ist Kirchenmusiker einer katholischen Kirchengemeinde geworden. Der andere lebt in Jerusalem, ist überzeugter Christ mit jüdischem Selbstbewusstsein. Daniel Kempin war ebenfalls bekennender Christ und kehrte inzwischen zum Judentum, zum Glauben seiner Vorfahren zurück. Doch zurück zur Musik, denn mit ihr hat er seine jüdische Identität gefunden – und lebt sie, wie am Mittwoch eindrucksvoll zu spüren war. Das Soloprogramm zum Thema „Masl un Schlamasl“ (Glück und Unglück bedeutend) avancierte zu einem klingenden Kompendium einer Kulturgeschichte des Judentums: Die überlegt zusammengestellten Lieder begannen mit der Flucht der Juden aus West- nach Osteuropa, worin auch der Bezug zur Ausstellung liegt. Kempins Lieder im balladenhaften Erzählton schildern die Lebensbedingungen im zaristischen Russland, künden von der Entstehung verschiedener jüdischer Gruppierungen, Flucht und Aufbau einer neuen Existenz in den USA, streifen Holocaust und schließen in einer klingenden Retrospektive den Staat Israel ein. Dabei ist die jiddische Sprache eine rund 1000 Jahre alte Sprache, die von den aschkenasischen Juden in Europa kultiviert wurde. Jiddische Kultur und Musik entstand aber nicht nur bei den Hochkulturen, sondern auch im Exil. Kempins Liederauswahl zeigt das ganze Spektrum des Lebensgefühls, das von heiterer Selbstironie in humoristischen Texten bis zur Liebeslyrik reicht. Die Lieder gaben sich mal lyrisch-besinnlich, mal tänzerisch-verspielt oder in kunstvollen Melismen der Textsilben. Im Vortrag sprang trotz schweißtreibender Temperaturen im proppenvollen Obergeschoss schnell der Funke über, denn Kempin ist ein charmanter Plauderer, ein charismatischer Sänger mit angenehm timbriertem Bariton und vor allem ein vielseitiger Gitarrist. Er studierte zunächst klassische Gitarre in Darmstadt, bis er in Frankfurt und Jerusalem Judaistik studierte und eine Sammlung von 6000 jiddischen Liedern anlegte. Eine CD zum Leitthema „Masl un Schlamasl“ entstand bereits 1992, gefolgt von weiteren sechs Silberlingen zu anderen Themen.

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