Kaiserslautern Den Schalk im Nacken

Bitterböse Satire trifft auf „verblümte“ Lyrik: Dieses literarische Duell erlebten die Gäste im Glockencafé am Mittwoch. Denn Satiriker Andreas Fillibeck und Lyriker Bernd Ernst luden zum gemeinsamen Stelldichein mit wortgewaltigen Texten, viel Pathos und noch mehr Schalk im Nacken. In gewohnt humorvoll-intelligenter Manier warfen sich beide die Pointen zu, aufgelockert durch Hans Nauerz’ gitarristische Zwischenspiele.

„Ja, ich sympathisiere mit dem FCK. Es tut mir leid“, ließ der Pirmasenser Bernd Ernst gleich zu Beginn der Lesung verlauten, ehe er zur großen „Stadiondurchsage an treue Fans“ ausholte – Fans der nicht kommerziellen und unkonventionellen Lyrik wohlgemerkt. Denn häufig ist diese literarische Gattung „eine Abstiegskandidatin, die wider Erwarten immer in der Liga bleibt“. Ihre treuen Anhänger müssen sich den „Ball erdichten, verbissen im Strafraum, immer im Abseits stehend, gegen die Regeln des Buchmarkts ankämpfend“. Und doch qualifiziere kein Vers „für die Champions League des Literaturbetriebs“. Eine verschleierte und doch klare Kritik von einem, der sich auskennt. Mit derart spitzzüngigen Gedichten und scharfsinnigen Beobachtungen übersäte Ernst sein Werk „Eckbälle ins Nichts“ und schuf eine ganze Sammlung von durch die Blume gesprochenen Wahrheiten. Ebenso in seinem Kurzgeschichten-Band „Vollpension mit Therapie“. Hier sinniert er unter anderem darüber, was die Evolution dem Menschen alles wegnimmt. Besonders der Prosatext „Alltagsleben aus der Sicht eines alleinstehenden Kindes“ machte viel her: inhaltlich pikant, äußerlich durch die wunderbar theatralische, wenn auch etwas hastige Vortragsweise des Autors ein Hörgenuss. Dass Andreas Fillibeck kein Mann zaghafter Worte ist und sich auf die Fahne geschrieben hat, zu keinem Thema ein Blatt vor den Mund zu nehmen, dürfte in der Lauterer Autorenszene hinreichend bekannt sein. Doch wie er seiner Kritik durch dramaturgisch geschickte Anekdoten und situationskomische Momentaufnahmen immer wieder neuen Zunder gibt, ist beeindruckend. Fillibeck verhöhnt in seinen neuen Stücken etwa gut situierte Versicherungsvertreter und „Spießbürger“, die ihre privaten Spannungen lieber auf „primitive“ Weise „ausfechten“, nämlich mit Zweihandschwert und Morgenstern bei einem „Kampf der Recken“ auf dem Mittelaltermarkt. Kaum jemand im Raum, der über die Auseinandersetzung zwischen Ritter Hans, dem Starken, und Kurt, dem Groben, nicht zumindest breit grinsen musste. Die absolute Spezialität des Autors sind jedoch die satirischen Spitzen gegen das Digitalzeitalter. Wenn Überwachungssensoren in den Altenheimen die betagten Insassen via Stromstöße aus den Betten jagen, wenn „Goldene ADAC-Mitglieder“ per Knopfdruck ihre silbergrauen, durchdigitalisierten Luxus-Vehikel ruckartig in Gang bringen und dabei einen (glücklicherweise leeren) Kinderwagen überfahren und wenn fünf Atomkraftwerke eine einzige Facebook-Interaktion bedienen, dafür aber die Saugkraft eines Staubsaugers auf lächerliche 900 Watt reduziert wird, dann fragt sich der aufmerksame Zuhörer zurecht, ob der digitale Fortschritt das menschliche Versagen wirklich zu kompensieren oder eher zu simplifizieren versucht. Fillibecks Meinung dazu ist klar: Die Gesellschaft handelt zunehmend nach dem Prinzip „Kostendeckung statt Seelenheil“. Und damit geht der Autor wohl niemals konform – sehr zur Freude seines Publikums.

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