Freisbach/Berlin Aus Rebellendorf nach Berlin: Steinmeier hört sich Freisbacher Sorgen an

Der Freisbacher Bürgermeister Jochen Ricklefs (rechts) im Gespräch mit dem Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier.
Der Freisbacher Bürgermeister Jochen Ricklefs (rechts) im Gespräch mit dem Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier.

Freisbach war 2023 wegen der Rücktritte von Rat und Bürgermeister bundesweit inden Schlagzeilen. Nun wurde der neue Bürgermeister Jochen Ricklefs nach Berlin eingeladen. So lief der Besuch beim Bundespräsidenten.

Der Rücktritt der Freisbacher Kommunalpolitiker wegen der prekären Finanzsituation hat 2023 bundesweit für Aufsehen gesorgt. Wohl auch deshalb ist dem neuen Freisbacher Ortsbürgermeister Jochen Ricklefs nun eine besondere Ehre zuteilgeworden: Mit weiteren rund 80 ehrenamtlichen Bürgermeistern war er jüngst bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue zu Gast.

Bereits am 9. Januar erhielt er eine schriftliche Voranfrage, ob er Interesse habe, an der Veranstaltung mit Steinmeier zum Thema „Demokratie beginnt vor Ort“ teilzunehmen. Der Brief kam von der Körber-Stiftung, die mit dem Bundespräsidialamt das Treffen organisiert. Bedenkzeit brauchte Ricklefs nicht. Er sagte zu: „Ich war überrascht, habe mich über diese Gelegenheit natürlich gefreut.“

Bürgermeister aus Bundesgebiet getroffen

Am Vortag des großen Treffens reiste Ricklefs nun mit dem ICE in die Hauptstadt. Abends fand im Hotel ein moderierter Erfahrungsaustausch aller geladenen ehrenamtlichen Amtsträger mit Abendessen statt. Bürgermeister aus dem gesamten Bundesgebiet waren vertreten – vom kleinen Dorf mit dreistelliger Einwohnerzahl, bis zur Großstadt mit sechsstelliger Einwohnerzahl. Was viele trotz unterschiedlicher Voraussetzungen einte: „Fast überall fehlt das Geld, sind Fördermittel Thema“, so Ricklefs. Schockiert war er über Aussagen etlicher Kollegen, die von Nazi-Aufmärschen vor ihren Häusern, Bedrohungen von rechts und körperlicher Gewalt ihnen gegenüber berichteten: „Da ist mir angst und bange geworden.“ Ricklefs weiß: „In der Südpfalz sind wir noch im Land der Glückseligkeit. Ich brauche nicht zu schimpfen – abgesehen davon, dass uns Geld fehlt, das Land nicht in die Pötte kommt.“ Wichtig aus seiner Sicht: zu verhindern, dass Unzufriedenheit bei Bürgern entstehe. Zu verhindern, dass Leute auf die Barrikaden gingen, deren Frust so groß sei, dass sie aus Protest nach rechts rückten, obwohl sie eigentlich gar nicht rechts seien.

Jochen Ricklefs vor dem Bundespräsidialamt.
Jochen Ricklefs vor dem Bundespräsidialamt.

Dann war der große Tag da: Per Bus ging es vormittags ins Schloss Bellevue, wo intensive Sicherheitskontrollen stattfanden: Die Amtsträger wurden abgescannt, abgetastet, Mitgeführtes durchleuchtet. „Er wohnt schick. Alles ist total gepflegt. Das hat Ausstrahlung, ist schon beeindruckend“, schwärmt Ricklefs von Steinmeiers Amtssitz. Das Staatsoberhaupt zollte in seiner Rede den Bürgermeistern, die er „Kraftquellen der Kommunen“ nannte, „allergrößten Respekt und höchste Anerkennung“ für deren Leistungen, die viel zu wenig anerkannt würden. Zustimmend hat Ricklefs auch vernommen, dass Kommunalpolitik eigene Gestaltungsspielräume brauche, Bund und Länder Kommunen nicht zum bloßen Vollzugsapparat werden lassen dürften, indem sie jede Pflichtaufgabe bis ins Detail regelten und den bürokratischen Aufwand vor Ort immer weiter vergrößerten.

Steinmeiers äußert Verständnis

Eine Aussage Steinmeiers war wohl Musik in den Ohren des Freisbachers: Dass Bund und Land Kommunen auch finanziell nicht überfordern sollten. „Ich weiß, dass schon bei der Debatte des Grundgesetzes die Forderung erhoben wurde, dass neue Aufgaben nur zusammen mit den nötigen Finanzmitteln übertragen werden dürfen. Mindestens historisch hat diese Forderung jedenfalls Berechtigung, selbst wenn sie von der Realität vielleicht ein Stück entfernt ist“, so der Bundespräsident. Da war er, der Verweis auf das Konnexitätsprinzip (Wer bestellt, bezahlt), das laut Ricklefs „einfach nicht gegeben ist“.

Zudem konnte Steinmeier auch nachvollziehen, dass es frustrierend sei, wenn das Geld im Haushalt gerade mal für die Erfüllung der Pflichtaufgaben reiche – und dann kaum noch Geld für die Dinge übrigbleibe, die man eigentlich für die Lebensqualität der eigenen Gemeinde gestalten wolle. Worte, mit denen sich viele ehrenamtliche Bürgermeister voll identifizieren konnten. Der Rede Steinmeiers schloss sich eine Podiumsdiskussion an. Danach gab es Häppchen und Getränke – und Steinmeier stand für Gespräche bereit: „Er hat die Runde gemacht, ging von Tisch zu Tisch.“ Dann der große Augenblick: Der Freisbacher durfte dem Staatsoberhaupt die Hand schütteln. Ein Smalltalk folgte: „Etwa zwei Minuten, mehr war bei den vielen Anwesenden nicht drin.“ Und worum ging’s im Gespräch? „Ich habe ihm gesagt, dass ich aus Freisbach komme, dem Dorf, das letztes Jahr etwas Aufregung geschaffen hat. Und er wollte wissen, was es gebracht hat, gesagt, dass er uns die Daumen drückt und viel Erfolg wünscht, dass wir weiterkommen.“ Konnte Steinmeier mit dem Ortsnamen etwas anfangen? „Nicht direkt. Er hat aber die Story gehört.“

Netzwerken mit anderen Bürgermeistern

Um 13.30 Uhr ging es zurück ins Hotel, dann wieder in die Heimat. „Alles war super organisiert, sehr, sehr wertschätzend. Wie wir behandelt wurden, das war sehr gut“, schwärmt Ricklefs. Seine Hoffnung: Dass sich bei den Finanzen vielleicht doch bald mal etwas ändere, wenn das Thema jetzt auf höchster Ebene angekommen sei. Bereits erfüllt hat sich Ricklefs Anliegen, „zu netzwerken“, also Kollegen kennenzulernen, die in der gleichen Situation seien und weiterhelfen könnten, „zu hören, wie es woanders läuft“. Bedeutend dabei: Dass das Dorf Zukunft habe, man dort Gemeinschaftssinn entwickele, die Bürger auch in schweren Jahren zusammenbringe: „Gemeinschaft fördern, ist einer von vielen Bausteinen.“

Übertragen auf Freisbach: „Der Dreck-weg-Tag war schon eine tolle Geschichte“, erinnert sich Ricklefs. Und kündigt ein neues Projekt an: „Wir wollen ein regelmäßig stattfindendes Seniorencafé anbieten, das erst einmal von Ratsmitgliedern gestemmt wird.“ Ziel: Bürger zu finden, die Lust hätten, dieses künftig zu gestalten.

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