Kreis Kusel Garten-Idyll im Nazi-Schatten

Kunst als zeitgeschichtliches Studienobjekt: Das Bild „Im Grünen“ (Ausschnitt) gehört zum Slevogt-Bestand der Pfalzgalerie.
Kunst als zeitgeschichtliches Studienobjekt: Das Bild »Im Grünen« (Ausschnitt) gehört zum Slevogt-Bestand der Pfalzgalerie.

Bücher haben ihre Schicksale, besagt ein lateinisches Sprichwort. Ebenso können Bilder ihre Geschichte erzählen. Vor allem wenn sie mehrfach die Besitzer gewechselt haben. Eine traurige Geschichte ist mit der „Raubkunst“ verbunden, also Werken, die gewaltsam in andere Hände übergingen. Im Museum Pfalzgalerie Kaiserslautern (mpk) wird dazu geforscht.

Laura Vollmers arbeitet bereits seit ihrem Studium in Frankfurt, Zürich und Hamburg als „Provenienzforscherin“. Sie fahndet nach den Besitzverhältnissen und der Herkunft von Kulturgütern, die während der Nazi-Diktatur ihren Eigentümern entrissen wurden. Ihre Auftraggeber sind die Erben der enteigneten Besitzer, Auktionshäuser und Privatsammler, aber auch öffentliche Museen. Daneben war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin des Frankfurter Städels.

Seit Januar untersucht Laura Vollmers den Bestand der Pfalzgalerie, die mit dem „Deutschen Zentrum Kulturverluste“ in Magdeburg zusammenarbeitet. Vollmers’ Tätigkeit in Kaiserslautern ist zunächst auf zwei Jahre angelegt. Das Museum schätzt die Zahl der Raubkunstwerke im eigenen Besitz auf 130 Werke, deren Weg nach Kaiserslautern nicht immer eindeutig zu klären ist.

„Gerechtigkeit und Fairness“

Insgesamt lagern − Stand 2022 − in den Ausstellungsräumen und Magazinen des Hauses annähernd 500 Skulpturen, ebenso viele Gemälde und eine Vielzahl von Grafiken und kunsthandwerklichen Arbeiten. Eine systematische Prüfung ihrer Herkunft findet erst jetzt durch Laura Vollmers statt.

Die Kunsthistorikerin sieht dies als „moralische Verpflichtung“, der die Bundesrepublik keineswegs erst seit dem „Washingtoner Abkommen“ von 1998 nachkomme. Damals bekundeten 45 Staaten sowie zahlreiche Organisationen ihre Absicht, „die während des Nationalsozialismus beschlagnahmten Werke der Raubkunst zu identifizieren, die Vorkriegseigentümer oder Erben ausfindig zu machen und eine gerechte und faire Lösung zu finden“.

Gerechtigkeit und Fairness tun not. Die Enteignung der vorwiegend jüdischen Eigentümer wurde nach 1933 von den Nazis systematisch betrieben, zum Teil von eigens eingerichteten Behörden. Wie Vollmers jetzt anlässlich des Tags der Provenienzforschung erläuterte, beschränkten sich die Zwangsmaßnahmen nicht allein auf die „Rassegesetze“ und die „Reichsfluchtsteuer“.

Juden, denen die mit vielerlei bürokratischen Schikanen verbundene Ausreise glückte, mussten ihre Kunstgegenstände häufig zu Spottpreisen zurücklassen. „Es kam zu vielen Ausverkäufen und Versteigerungen“, so Vollmers. „Das zurückgebliebene Eigentum wurde vom NS-Staat beschlagnahmt.“

Ein Großteil dieser Kunstwerke ging an öffentliche Sammlungen. Nach 1945 wurden „Schuld und Verantwortung von der deutschen Gesellschaft vielfach negiert“, sagt Vollmers. „Stattdessen wurde der Part dem Staat zugeschoben. Das verzögerte die Rückgabe. Viele der enteigneten Antragsteller starben während des langen Verfahrens.“

„Wo es nicht um Entschädigung geht, müssen die vermissten Objekte erst gefunden werden“, sagt die Wissenschaftlerin. Wie verästelt der Weg sein kann, erläuterte sie jetzt am Beispiel des Gemäldes „Im Grünen“ (auch „Garten in Neukastel“) von Max Slevogt.

Der Impressionist, der 1932 an der Weinstraße starb, schuf das Ölbild 1904 während der Sommerfrische in seinem Garten bei Leinsweiler. In leuchtend nuancenreichen Grüntönen zeigt es seine Frau Fini mit einer Freundin.

Nach Recherchen Vollmers gehörte das Werk seit den späten 1920er Jahren zur Sammlung des Breslauer Maschinenbau-Unternehmers Leo Smoschewer, der 1938 starb; seine Frau Elise nahm sich im Folgejahr angesichts der Nazi-Repressalien das Leben. „Das Ehepaar besaß eine bedeutende Kunstsammlung“, weiß Vollmer. Dazu gehörten Werke von Makart, Liebermann und Corinth.

Da die Smoschewer-Kinder emigriert waren, ging das Bild „Im Grünen“ nacheinander an die Kunsthändler Erich Wiese, Heinrich Thannhauser und Paul Römer über. Wann genau es nach Kaiserslautern gelangte, ist unklar. 1945 tauchte es im Kriegs-Zwischenlager der Pfalzgalerie in Ortenburg bei Passau auf.

„Wenn man das Werk so ansieht, erzählt es nichts über seine lange und schmerzvolle Geschichte“, so Laura Vollmers. Nach dem Abkommen von 1998 meldeten sich die rechtmäßigen Erben. Der Bezirksverband Pfalz als Träger der Pfalzgalerie gab den Slevogt zurück und kaufte ihn anschließend pro forma wieder an.

Den Rückkaufpreis nennt Laura Vollmers auf Nachfrage nicht. Vor drei Jahren bezifferte Bezirkstags-Vorsitzender Theo Wieder im RHEINPFALZ-Gespräch die Summe auf 60.000 Euro (wir berichteten am 4. März 2021).

„Moralische Verantwortung“

„Erneut angekauft“ hat die Pfalzgalerie schon 2010 außerdem Slevogts „Porträt des Stadtrats Max Cassirer“. Auch dieses Werk war von den Nazis zwangsversteigert worden und gehörte seit 1943 einem Sammler aus Hamburg, dessen Nachkommen es 1996 regulär ans Lauterer Museum verkauften.

Als sich die rechtmäßigen Besitzer meldeten, konstatierte der Bezirksverband zwar eine „rechtlich nicht mehr einklagbare Rückerstattungsforderung“, überwies aber 26.000 Euro − bei einem ursprünglich doppelt so hohen Kaufpreis.

Das Geld ging an eine Schweizer Privatschule, die das Erbe des nach Großbritannien geflüchteten Berliner Kommunalpolitikers angetreten hat. „Wir fühlen uns dazu moralisch verpflichtet, das Unrecht auszugleichen, das der Familie Cassirer widerfahren ist“, sagte Theo Wieder. „Wir erkennen die historische Verantwortung an und wollen uns im Rahmen der völkerrechtlichen Erklärungen bewegen.“

Auch Bilder haben ihre Schicksale. Ganz zu schweigen von den Lebensläufen gequälter und verfolgter Menschen.

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