Landau/SÜW Sommelier: „Nicht zu viel vom teuren Rotwein erwarten“

Der Rotwein altert besser als der Weißwein.
Der Rotwein altert besser als der Weißwein.

Wann ist der Moment für einen teuren Rotwein? Diese Frage fällt häufiger. Dass der Preis nicht zwingend etwas über den Geschmack aussagt, beweist ein Südpfälzer Winzer.

Je teurer der Rotwein, umso besser und intensiver ist auch der Geschmack? Das würde der Landauer Sommelier Marco Gulino so nicht unterschreiben. Der Preis könne zwar ein Anhaltspunkt sein. Erfahrene Weingenießer könnten nämlich herausschmecken, ob die Flasche Rotwein 10, 40 oder gar 100 Euro kostet. Sofern es sich um dieselbe Rebsorte handelt. Ein günstigeren Pinot Noir beispielsweise mit einem teuren Cabernet Sauvignon zu vergleichen, hätte keine Aussagekraft. Und: Bei Flaschenweinen, die mehr als 100 Euro kosten, geht es dann mehr um die Marke, also um das jeweilige Weingut, als um den flüssigen Inhalt.

Generell sind viele Faktoren entscheidend dafür, ob der Wein überzeugt, gerade in einer Wettbewerbssituation. Eine wichtige, wenn die wichtigste Rolle übernimmt stets der Winzer. Dessen Handschrift im Weinberg und im Keller ist erkennbar. So kommt es dazu, dass das Weingut Ellermann-Spiegel aus Kleinfischlingen beim jüngsten Weintest des Magazins Focus mit einem 15,50 Euro teuren 2020er Pinot Noir Goldkapsel in der Kategorie Spätburgunder Premium trocken den ersten Platz belegen konnte. Dabei ließ Frank Spiegel die Konkurrenz hinter sich, die teilweise ein vier Mal so teuren Rotwein ins Rennen geschickt hatte. Über 700 Winzerbetriebe hatten bei der 13. Auflage des Wettbewerbs ihre Erzeugnisse verkosten lassen.

Vertrauen in französische Rebstöcke

Angesprochen auf die Prämierung lenkt Frank Spiegel den Blick zuallererst auf den Weinberg, wo die Grundlagen gebildet werden. Im konkreten Fall setze er auf Spätburgunder Klone, auf Rebstöcke aus dem Burgund, die sich durch ihre kleinbeerige Trauben auszeichnen. Heißt: geringere Erträge, dafür wegen des höheren Schalenanteils ein kräftigeres Aroma. Später, im Keller, verleihen dann die Holzfässer dem Wein eine spezielle Note, die beim Kleinfischlinger Winzer aus derselben französischen Region stammt. Dort werden sie in Kaminbauweise gelagert, wodurch die Gerbstoffe intensiver ausgewaschen werden.

Ein teureres Erzeugnis der Marke Ellermann-Spiegel ist der Syrah, ebenfalls eine französische Rebsorte, den Hausherr Frank Spiegel nur in Ausnahmejahrgängen und limitierter Stückzahl abfüllt. Damit die Rebstöcke ihre ganze Kraft in die Weintrauben stecken können, werden sie entlastet. Sie brauchen Platz, um im Zuge der Photosynthese den spannenden Geschmack entfalten zu können. Deshalb werden die Hälfte der Früchte von den Rebstöcken entfernt. Nach einer mehrjährigen Lagerung im Holzfass präsentiert sich der Syrah dann im Glas dicht und dunkel. Stellt sich dann nur die Frage: Wann ist der passende Augenblick gekommen, um sich und seinen Gästen solch einen oder einen noch teureren Rotwein einzuschenken? Diese Frage bekommen Frank Spiegel und Sommelier Marco Gulino nach eigenen Angaben häufiger zu hören.

Wenn der Wein den Zenit der Reife überschreitet

Die Antwort der beiden Experten ist ganz simpel: Dann sich einen guten Tropfen gönnen, wenn einem danach ist. Marco Gulino warnt davor, zu lange auf „den“ Moment zu warten. Weil mit zunehmender Dauer die Erwartungshaltung zunehme und die Enttäuschung damit umso größer sei, wenn der Wein nicht alle anderen, die man kennt, in den Schatten stellt.

Frank Spiegel bekommt zudem von Fällen mit, in denen der Wein zu viele Jahre im Keller gelagert hat und der besagte passende Moment verpasst wurde. Der, in dem der Wein am geschmackvollsten gewesen wäre. Ins Glas kam er erst, als er den Zenit der Reife überschritten hatte. Gerade be Weißweinen sei die Gefahr groß, dasselbe Schicksal zu erleiden, da sie im Vergleich zu Rotweinen nicht so gut altern. Die sogenannte Phase der Trinkbarkeit erreichen sie schneller, bevor es mit ihnen in geschmacklicher Hinsicht nur noch bergab geht.

Marco Gulino nimmt das Beispiel Champagner. „In Frankreich beispielsweise wird er auch mal abends zu einem gewöhnlichen Essen getrunken.“ In Deutschland dagegen komme er nur an Weihnachten, Silvester oder zu ganz seltenen Anlässen ins Glas. „Daran erkennt man, wie unterschiedlich das Konsumverhalten sein kann.“

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