Landau Wieso Studierende den Rasen an der Kirche mähen

Kai Riess von Bunte Wiese schneidet den Kirchturm frei.
Kai Riess von Bunte Wiese schneidet den Kirchturm frei.

Die einen nennen es Schöpfung, Artenvielfalt die anderen. Bewahren lautet das gemeinsame Ziel von Bunte Wiese und der Johanneskirchengemeinde. Manche müssen sich daran noch gewöhnen.

„Wir wollen einen Lebensraum schaffen, der für viele Tiere attraktiv ist“, sagt Kai Riess von der Landauer Hochschulgruppe Bunte Wiese. Er und die Studentin Alina Nitsche rückten gestern mit einem Freischneider zur Sommermahd an. Für die Wiese an der Johanneskirche soll das dieses Jahr die einzige Mahd bleiben. In ein paar Tagen tragen die Ehrenamtlichen mit Rechen das Mahdgut ab, damit die Fläche nicht überdüngt wird. Fertig ist die insektenschonende Rasenpflege. Wenn die Pflanzen zum Blühen kommen, werde ein Angebot geschaffen für Vögel, Insekten und andere Kleintiere, erklärt Riess. Im Winter böte eine hochgewachsene Wiese mehr Rückzugsmöglichkeiten. „Der Kerngedanke ist, die Fläche in Ruhe zu lassen und über die Jahre zu staunen, was da alles kommt“, sagt er.

Vor der Mahd stand das Gras über einen halben Meter hoch. „Klar muss man sich daran erstmal gewöhnen“, sagt Andreas Kuntz, Pfarrer der Johanneskirchengemeinde Landau-Horst. „So, dass es für das bürgerliche Auge gut aussieht“, beschreibt er die bisherige Gartengestaltung. Von wöchentlich gemähtem Rasen verabschiedet sich die Gemeinde jetzt dem Umweltschutz zuliebe. Doch etwas Ordnung muss sein. Eine Privatfirma hält regemäßig die Wiese am Rand einen Meter breit kurz. „Man soll sehen, dass das Gras mit Absicht so hoch steht“, sagt Kuntz. Man nenne das den Akzeptanzstreifen, erklärt Riess. Dieser solle auch verhindern, dass die Wiese angrenzende Wege überwuchert.

Eigentlich wollte die Gemeinde schon letztes Jahr mit den Artenschützern zusammenarbeiten. Genau wie jetzt wurde dafür die Wiese wachsen gelassen. Doch vor dem geplanten Mahdtermin packte wohl jemanden der Übereifer. „Ich kam aus dem Urlaub zurück und plötzlich war die Wiese ratzekahl gemäht“, erzählt der Pfarrer. Er wisse mittlerweile, wer der unbekannte Gärtner war, behält das aber für sich. Riess meint, es sei normal, dass Missverständnisse wie dieses die Pläne durchkreuzen und es deshalb bis zur Umsetzung länger dauert. Kuntz ist zuversichtlich, dass das Projekt jetzt funktioniert. Er beobachte im Pfarrgarten begeistert, wie viele Pflanzen von selbst kommen, „wenn man einfach nur aufhört, ständig zu mähen“.

Mit der blühenden Wiese wolle die Gemeinde ein Vorbild sein. Als Christen, die an einen Schöpfergott glauben, müsse man dafür Verantwortung übernehmen, dass andere Lebewesen ihren Raum bekommen, so Kuntz. Um die Zusammenarbeit mit Bunte Wiese bekannter zu machen und bestenfalls Ehrenamtliche aus den eigenen Reihen zu gewinnen, gibt es diesen Sonntag nach dem Familiengottesdienst ein Sofagespräch mit den Studierenden. Bis solle die halbe Wiese ungemäht bleiben, dadurch sei das Projekt für die Gemeinde anschaulicher, so Riess. „Das ist jetzt schon die dritte Kirche, mit der wir zusammenarbeiten. Dass die offen dafür sind, ist eine tolle Entwicklung“, erzählt er. Bunte Wiese hat außerdem öffentliche Projektflächen am Campus und in der Stadt. Für den Naturschutz seien Städte wegen der intensiven Landwirtschaft besonders bedeutend.

Was jetzt noch fehlt, wären insektenfreundlichere Mähgeräte, merkt Désirée Winkler vom Projekt Käferkarawane an. Sie schlägt Sensen, Balkenmäher oder Schafe anstelle des Freischneiders vor. Diesen stelle Bunte Wiese aus Privatbesitz bereit, sagt Riess. Da brauche es einen Sponsor.

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