Ludwigshafen Mädchen greifen früher zum Alkohol

Vor 60 Jahren ist in Ludwigshafen die erste Suchtberatungsstelle des Diakonischen Werks gegründet worden. Aus der Trinkerfürsorge von einst ist längst ein breit aufgestelltes und dezentrales Angebot geworden. Gefeiert wird das Jubiläum am 17. Mai mit einem Theaterstück.

Alkohol ist und war – außer Rauchen – das Suchtmittel Nummer 1. Das ist an den Zahlen der Suchtberatungsstelle des Diakonischen Werks im Mehrgenerationenhaus in der Falkenstraße im Hemshof zu sehen. So haben im vergangenen Jahr knapp 600 Menschen bei den Beratern Hilfe gesucht, davon waren rund 500 mehrmals da. Meldet sich jemand bei den Beratern, bieten diese in der Regel in der nächsten oder übernächsten Woche einen Termin an. „Je länger die Wartezeit ist, desto eher kommen sie nicht“, weiß Suchtberater und Fachbereichssprecher Ulrich Jung. Erst seit 1967 ist Alkoholismus eine anerkannte Krankheit, so dass Therapien möglich sind. „Das war eine wichtige Entscheidung, die den Alkoholismus aus der Nische herausbrachte“, blickt Anette Schilling, Fachkraft für Suchtprävention, zurück. Zehn Jahre zuvor, 1957, hatte das Diakonische Werk in Ludwigshafen die erste Suchtberatungsstelle in der Pfalz gegründet. Ein „Trinkerfürsorger“, wie der Berater damals hieß, war für die gesamte Pfalz zuständig. Heute gibt es allein in Ludwigshafen 4,5 Stellen in der Suchtberatung des Diakonischen Werks. Stadtweit, so schätzt Ulrich Jung, seien etwa 20 Kollegen in der Suchtberatung aktiv. Das Diakonische Werk erweiterte sein Beratungsnetz nach und nach. Nach Pirmasens als zweiter Beratungsstelle kam 1962 in Neustadt eine Landesberatungsstelle hinzu, anschließend Landau, Frankenthal und Dürkheim. Heute ist das Beratungsangebot an vielen Orten der Pfalz zu finden. Jede Stelle ist immer mit mindestens zwei Beratern besetzt. Gleichzeitig vergrößerte sich auch das Arbeitsfeld der Beratungsstellen. In den 70er-Jahren kam etwa die Drogenberatung dazu, später dann die Beratung für Medikamentenabhängige. Seit 2008 ergänzt die Spielerberatung das Angebot und wird, wie Jung berichtet, sehr gut angenommen. „Die Leute wussten endlich, wo sie hingehen sollten“, sagt er. Diese Kollegen seien für alle Spielsüchtigen, egal ob Computer, Internet oder Glücksspiele zuständig. 80 Prozent seien süchtig nach Glücksspielen am Automaten, erläutert der 60-jährige Diplom-Sozialpädagoge und Sozialtherapeut. In der Ludwigshafener Suchtberatung kümmert sich darüber hinaus ein Kollege um die suchtspezifische Schuldnerberatung. Auch die Therapieansätze haben sich in den letzten 60 Jahren verändert: Früher wurden die Abhängigen in Trinkerheilanstalten behandelt. Sechs Monate dauerte die Therapie, in denen die Menschen von Familie und Alltag isoliert waren. Heute hingegen gibt es eine ganze Bandbreite an Angeboten: natürlich immer noch die stationäre Therapie, die allerdings deutlich offener geworden ist und in der Regel nur noch zwölf Wochen dauert. Daneben ambulante Angebote und – ganz wichtig – die Selbsthilfegruppen. Die Suchtberatungsstelle der Diakonie arbeitet dabei seit 60 Jahren mit dem Blauen Kreuz zusammen. „Unsere Klienten können gleich vom ersten Kontakt an in Selbsthilfegruppen gehen“, verdeutlicht Schilling. Man gehe davon aus, dass im Suchtbereich Gruppen sehr hilfreich und heilsam sind. Die Diplom-Sozialpädagogin und Sozialtherapeutin leitet außerdem eine Selbsthilfegruppe für Angehörige von Suchtkranken – ein wichtiges Angebot für eine Gruppe, die bis vor wenigen Jahren noch niemand auf dem Radar hatte. Auch gesellschaftlich habe sich manches geändert. Zwar sei Alkoholsucht noch immer ein Tabuthema, doch sei man etwa im Bereich Alkohol am Arbeitsplatz oder beim Autofahren schon ein gutes Stück weiter. Ganz anders beim Alkoholkonsum junger Menschen; da vor allem bei den Mädchen. Sind von einer Alkoholerkrankung im Schnitt zu 70 Prozent Männer und zu 30 Prozent Frauen betroffen, so haben Mädchen bei den Jugendlichen „total aufgeholt“, so Schilling. „Das Verhältnis ist so gut wie ausgeglichen und die Mädchen fangen sogar noch früher an als die Jungen, nämlich bereits mit 14, 15 Jahren“, berichtet sie. Daher werden die Suchtberater vermehrt präventiv tätig, etwa mit dem Projekt „Halt“. „Halt steht für Hart am Limit und ist ein kommunales Suchtpräventionsprojekt, das in Kooperation mit der Stadt Ludwigshafen umgesetzt wird“, erläutert die 50-Jährige. Termin Gefeiert wird am 17. Mai um 15 Uhr im Mehrgenerationenhaus der Diakonie in der Falkenstraße 19 mit dem Theaterstück „Kiwi on the rocks“.

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