Ludwigshafen Angst im Schwabenland

Jürgen Schweikardt (links) ist Nachfolger von Markus Baur (rechts) beim TVB Stuttgart.
Jürgen Schweikardt (links) ist Nachfolger von Markus Baur (rechts) beim TVB Stuttgart.

«Ludwigshafen.» Die Lage ist ernst. Sie ist prekär. Dem TVB Stuttgart droht der Abstieg aus der Handball-Bundesliga. Neun Punkte hat der Klub derzeit, zwei mehr als die Eulen Ludwigshafen, die auf dem ersten Abstiegsplatz aktuell stehen. Am Sonntag, 15 Uhr, Friedrich-Ebert-Halle kommt es nun zum direkten Aufeinandertreffen der beiden Klubs. Die Eberthalle ist ausverkauft – zum vierten Mal in Folge. Doch die Situation ist nicht neu für Stuttgart. 2015 stieg der Klub in die Bundesliga auf. Das war der größte Erfolg in der Klub-Historie. Doch den Verantwortlichen gefiel der Name nicht mehr. TV Bittenfeld hieß der Verein. Bittenfeld ist ein Stadtteil von Waiblingen. Also wurde aus TV Bittenfeld kurzerhand TVB Stuttgart. Fortan trug der Verein seine Heimspiele in der Scharrena – eine Halle in der Mercedes-Benz-Arena – oder in der Porsche-Arena aus. Der Umzug zahlte sich aus. Der Zuschauerschnitt stieg von 2250 (2015) auf nun 3870. Doch die Fans mussten sich mit bescheidenen Auftritten zufriedengeben. Denn seit dem Aufstieg kämpft der TVB Stuttgart gegen den Abstieg. In der ersten Bundesliga-Runde blieb Stuttgart nur deshalb erstklassig, weil der HSV Hamburg wegen der Insolvenz zwangsabsteigen musste. Vergangene Runde schaffte das Team im letzten Saisonspiel in Göppingen den Klassenverbleib. Diese Runde zittern die Verantwortlichen wieder. Doch dieses Mal mehr als zuvor. Denn während der Ex-Friesenheimer Coach Thomas König nach der Saison gefeuert wurde, trennte sich der TVB vorigen Sonntag von Trainer Markus Baur. Zehn Niederlagen in Serie bedeuteten das Aus. Dabei war vereinbart, dass sich Trainer und Verantwortliche Anfang März zusammensetzen, um über den im Juni 2018 endenden Kontrakt zu reden. Doch die Stuttgarter Niederlage in Lübbecke hat die berühmten Mechanismen früher in Gang gesetzt. Die Unterredung dauerte nicht lange. Jürgen Schweikardt übernimmt die Mannschaft bis zum Saisonende. Der 37 Jahre alte ehemalige Spieler des TVB ist außerdem noch Geschäftsführer. Diese Doppelfunktion hatte Schweikardt schon einmal inne – von März 2013 bis 2015. Dann kam Thomas König als Trainer und 2016 Markus Baur. Schweikardt konzentrierte sich wieder auf die Geschäftsführer-Tätigkeit – bis Sonntag. „Ich habe eine sportliche und finanzielle Verantwortung. Wir haben keine finanziellen Spielräume mehr nach der Verpflichtung von Robert Markotic“, sagt Schweikardt, der einen geschätzten Etat von 3,9 Millionen Euro verwaltet. Er wisse, dass eine große Verantwortung auf ihm laste. Schweikardt sagt daher: „Ich fühle mich dem Verein verpflichtet. Das ist mein Heimatverein, bei dem ich seit meinem sechsten Lebensjahr spiele. Ich kann und will mich nicht aus der Verantwortung ziehen.“ Doch die Vorzeichen sind nicht vielversprechend. Finn Kretschmer (Fingerbruch), Tobias Schimmelbauer (Außenbänder gerissen) und Robert Markotic (Sehne am Hüftbeuger gerissen) fallen für das wichtige Spiel gegen Ludwigshafen aus. Ein kleines Fragezeichen steht hinter dem Einsatz von Torwart Joachim Bitter nach seinem Muskelfaserriss im Oberschenkel. Doch Schweikardt hofft – und drängt – auch ein bisschen darauf, dass der Weltmeister von 2007 spielt. Denn beim 25:22-Sieg in der Vorrunde gegen Ludwigshafen war Bitter einer der spielentscheidenden Akteure. In der Endphase der Partie hielt er wichtige Bälle und vorne traf ein anderer Weltmeister: Michael Krauss. Er wird am Sonntag gegen die Eulen spielen, ist aber nicht ganz fit. Das Duell am Sonntag wird für beide Mannschaften richtungsweisend. Stuttgart hat zehn Spiele in Serie verloren, die Eulen haben 14 Spiele in Folge nicht gewonnen, davon allerdings drei Unentschieden gespielt. „Die Verunsicherung ist natürlich in den Köpfen. Es gilt, dass wir diesen Sieg mehr wollen als Ludwigshafen. Ich habe größten Respekt vor der Arbeit, die dort betrieben wird. Aber so, wie die Situation derzeit ist, fahren wir nicht als Favorit hin“, sagt Schweikardt und betont: „Wir müssen diese Mentalität, die die Eulen absolut haben und die ihre Stärke ist, toppen. Darauf müssen wir uns vorbereiten.“ Auch deshalb will Schweikardt noch ein kurzfristiges Trainingsspiel organisieren, um neue Dinge einzustudieren, sagt er. Unterdessen läuft die Trainersuche beim TVB Stuttgart. Da ist auch Schweikardt als Geschäftsführer mit eingebunden. „Es ist nicht einfach, den richtigen zu finden. Wir brauchen einen Coach, der zu uns passt und der erfolgreich ist. Der TVB ist ein attraktiver Klub mit attraktiven Hallen“, sagt Schweikardt. Jens Bürkle und Hartmut Mayerhoffer werden gehandelt. Das Problem: Bürkle hat in Balingen-Weilstetten einen Vertrag bis 2019 und Mayerhoffer kämpft mit Bietigheim um den Aufstieg in die Bundesliga. Der Klub ist aktuell Zweiter. Schweikardt weiß aber, dass er als Bundesligist bessere Argumente hat. Doch Klarheit darüber, in welcher Liga der TVB kommende Runde spielt, kann unter Umständen erst am letzten Spieltag herrschen. Daher wollen die Schwaben mit aller Macht den Klassenverbleib schaffen.

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