Ludwigshafen Frenetischer Jubel nach jedem Treffer

Die Kassen sind geschlossen, aber Eugenie Schuler macht trotzdem Dienst. „Es werden ja auch vorbestellte Karten abgeholt“, erklärt Herbert Schuler, warum seine bessere Hälfte trotz ausverkaufter Halle gebraucht wird. Der 75-Jährige war schon Anfang der 80er Jahre dabei, als Günter Gleich, damals wie heute Manager der TSG Friesenheim, in der A-Klasse Bundesligapläne schmiedete. Heute ist Schuler Mädchen für alles. Am Ende der Partie zahlt er das Honorar für die Unparteiischen aus: „Das muss ich machen, egal wie die pfeifen …“ Im Foyer wird’s lauter. Voller. Enger. Sauerkrautgeruch liegt in der Luft. An der Sektbar gönnen sich einige Löwen-Fans ein Schlückchen. An den Imbiss- und Getränkeständen herrscht Betrieb. Alles sehr gesittet. Wie am englischen Busbahnhof. „Ausverkauft, da haben wir 16 Leute im Einsatz, sonst sind es weniger“, verrät Gaby van Lier, die die Hallengastronomie übernommen hat. „Die Arbeit hält sich in Grenzen. Ich dachte, wir hätten mehr Betrieb“, sagt Isi Köhler zur Pause, die an der Bierbar Dienst tut. „Die TSG hält sich gut. Da die Rhein-Neckar-Löwen das nicht nur als besseres Trainingsspiel abtun ist’s ein Handball-Festtag“, sagt Sportdezernent Wolfgang van Vliet. Sein Halbzeitfazit hat auch am Ende noch Bestand. Im Hallenfoyer ist der Platz von Jürgen Oelze, seit mehr als 20 Jahren organisiert er den Ergebnis-Tipp bei Heimspielen der „Eulen“. Mit einem Euro ist man dabei. Als Preise winken Eintrittskarten, Gutscheine, Heimwerkerartikel. Der Reinerlös ist für die Jugendkasse bestimmt. Aber Oelze fehlt. „Nein, es ist nichts passiert. Mein Papa hat ein neues Kniegelenk bekommen, er ist noch in Viernheim im Krankenhaus“, beruhigt Bettina Oelze-Stein, die ihren Vater vertritt. Einen Euro investiert auch Jan Schönnagel. Er kommt aus Neumünster, ist als BASF-Zulieferer in Ludwigshafen – und Handball-Fan. „Er hat mich überredet und versucht, mich für Handball zu begeistern“, sagt Christian Adam, sein Arbeitskollege. Schönnagel tippt 22:34 – nur die halbe Wahrheit. „Nein, das richtige Ergebnis hat keiner“, verrät Bettina Oelze-Stein. Neues Spiel, neues Glück. Die Mannschaften sind früh auf dem Parkett, laufen sich warm. Kevin Klier und Max Bender, die Torhüter der „Eulen“, wechseln sich beim Warmschießen der Kollegen ab. Philipp Grimm, der Kapitän, schaut zu. Bänderverletzung. Die schmerzt an Tagen wie diesen besonders. „Ich bin seit siebeneinhalb Jahren hier, es ist meine achte Saison bei der TSG, es ist das erste Heimspiel, bei dem ich fehle. Das ist bitter“, klagt der Linksaußen. Aber er fiebert mit, als wäre er dabei. Noch sieben Minuten. Es steht 19:28. Bender hält, Grimm jubelt, springt auf, reißt die Faust in die Höhe. Er ist ganz Fan, sitzt mittendrin. Der Gegenzug. Stephan Just trifft – 20:28. Es ist „Apollos“ siebter Treffer. Thomas Repp, die Stimme der „Eulen“, zündet die Rakete, feiert den „alten Mann“. Gegenstoß: 21:28 durch Marco Hauk. „Jetzt haben wir die Rhein-Neckar-Löwen zu einer Auszeit gezwungen“, bemerkt der Sprecher mit feiner Ironie. Rechtsaußen bei der TSG gespielt hat auch Axel Wilbrandt, der einst bis zum Junioren-Nationalspieler aufgestiegen ist. Er ist Trainer beim TSV Iggelheim, der alten Liebe ist der FCK-Fan aber als Spieler der „Dritten“ und als Jugendtrainer treu geblieben. Seine Buben, 14 und 13, sind auch bei der TSG am Ball. Beim „Löwen“-Gastspiel hat Luka Wilbrandt seinen Einsatz. Er ist als Wischer aktiv. Die „Eulen“-Fans feiern auch bei sieben, acht Toren Rückstand jeden Treffer wie ein Siegtor. Die Stimmung ist erstklassig. Das Tor der Löwen hütet Niklas Landin. „Für mich der beste Torhüter der Welt“, huldigt Erik Schmidt den König der Löwen. Der junge Kreisläufer kann auch mit den Superstars mithalten. Fünf Tore wirft er gegen Landin. Nach der Pause weiß der die eigenen Fans auf der Zusatztribüne in seinem Rücken. Der „Löwenzahn“ trägt Gelb. Und Schmidt ärgert sich. „Nach einer Niederlage ist man nie zufrieden – egal gegen wen man gespielt hat. Wir haben einfach zu viele Bälle verloren.“

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