Ludwigshafen Ludwigshafen: Ein satirischer Ausblick auf 2018

Blick in die Glaskugel: Was bringt das kommende Jahr für Ludwigshafen?
Blick in die Glaskugel: Was bringt das kommende Jahr für Ludwigshafen?

Neue Oberbürgermeisterin, neue Bürgermeisterin, neue Dezernentin, neuer GAG-Chef, neuer CDU-Vorsitzender – und mit dem Hochstraßenabriss ein inzwischen alter Dauerbrenner: 2018 wird in vielerlei Hinsicht ein spannendes Jahr für Ludwigshafen. Im Vorgriff darauf ein satirischer Ausblick von Steffen Gierescher.

Januar

aukenschlag am 10. Januar beim Neujahrsempfang im Pfalzbau: Innungsobermeister Willi Renner macht einen Rückzieher vom Rückzieher und überreicht der neuen Oberbürgermeisterin im Namen seiner Zunft die obligatorische Neujahrsbrezel – verbunden mit der Aufforderung: „Es muss ein Steinruck durch Ludwigshafen gehen.“ „Eine“, korrigiert ihn die Jutta. Dem Bäcker-Willi bietet die Genossin in Absprache mit dem GAG-Wolle einen Job bei der Wohnungsbaugesellschaft an: als Brötchengeber des Vorstands, wie dessen neue Referentin Constanze Kraus lanciert. Ex-OB Eva Lohse kündigt derweil an, künftig die Interessen der Friseur-Innung als Cheflobbyistin vertreten zu wollen. „Ich krieg’ gleich ’nen Föhn“, stöhnt Steinruck. „Von mir aber nicht“, stellt Lohse klar. Eine Diskussions-Dauerwelle bei der Stadtmeisterschaft im Hallenfußball löst ein Blondschopf mit Bart aus: Weltmeister André Schürrle läuft sensationell für den FC Armina auf. Das Leihgeschäft mit Borussia Dortmund fädelt Banker und BVB-Fan Rüdiger Linnebank ein. Sein künftiger Arbeitgeber, die Sparkasse Köln-Bonn, gewährt ihm für den Deal einen Kredit zu Peanuts-Konditionen. Februar igentlich sollte die endgültige Entwurfsplanung für das Ludwigshafener Jahrhundertabrissprojekt Mitte Januar vorgelegt werden – doch das finale Papier zur Eröffnung des Planfeststellungsverfahrens wird nicht rechtzeitig fertig – RHEINPFALZ-Recherchen legen im Februar offen: Die Ingenieurgemeinschaft hat bei ihren Berechnungen versehentlich die Hochstraßen Süd und Nord verwechselt. Konsequenz: Der Baustart verschiebt sich um fünfeinhalb Jahre auf 2025. Damit sich eine solche Panne bei der GAG nicht wiederholt, schafft Wolle van Vliet eine neue Stelle: die des Hochstraßenbeauftragten. Vom Aufsichtsrat einstimmig nominiert wird sein Partei-Spezi Holger Scharff, den das Manager-Magazin mit Blick auf sein inzwischen 250. Ehrenamt zum Funktionär des Monats kürt. Der gescheiterte OB-Kandidat Thorsten Portisch, später ein Unterstützter Steinrucks, erhält von Jutta die versprochene Belohnung: Als Inselbeauftragter wird für ihn ein Beobachtungsposten auf der Pegeluhr installiert. Der Stadt- heißt künftig Portisch-Park. März ie schon jetzt durchsickert, soll im Spätsommer beim Filmfestival im Portisch-Park ein Remake des französischen Klassikers „Der Mann der Friseuse“ auf speziellen Wunsch der neuen Förderkreis-Vorsitzenden welturaufgeführt werden. Unbestätigten Gerüchten zufolge hat die Dame, die Cineasten ehrfürchtig „Eva mit den Scherenhänden“ nennen, gute Beziehungen zur schneidigen Branche. GAG-intern wird Kritik laut, weil es unter den 170 Mitarbeitern – Tendenz steigend – noch keinen Kinobeauftragten gibt. Wegen seiner sizilianischen Wurzeln und seines Faibles fürs Mafia-Genre schlüpft Antonio Priolo (SPD) in diese Rolle. Als Monsignore Müllfahnder hat sich der Nord-Ortsvorsteher nicht nur im Hemshof einen Namen gemacht. Sein Ruf eilt ihm bis nach Palermo voraus, wo er als kommender Stadt-Patron gehandelt wird. „Sauber-Toni für Sizilien“, skandieren dort seine Anhänger. April homas Traue löst Rüdiger Linnebank als Chef der Sparkasse Vorderpfalz ab und setzt durch, dass bei Vorstandstreffen wieder Riesling statt Kölsch serviert wird. Die emsige Referentin Kraus macht Linnebank die in der GAG aus unerfindlichen Gründen seit Jahren vakante Position des Köln-Korrespondenten schmackhaft – falls die große Koalition im Rathaus dafür eine klitzekleine Spende erhält. Doch Rüdi gibt ihr einen Korb – mit Verweis auf die anstehende Wiederwahl des Finanzdezernenten, die dadurch beeinflusst werden könnte. Kämmerer Dieter Feid (SPD) will weitere acht Jahre in Schulden ertrinken, hat er angekündigt. „Nachher heißt’s wieder, da wird gemauschelt“, beherzigt Kraus Linnebanks Rat. Die Forderung der Opposition im Stadtrat, die GAG in „Gesellschaft Altgedienter Grokos“ umzutaufen, wird im Aufsichtsrat einstimmig abgelehnt. Mai nvestor Günther Tetzner lässt die Hosen runter: Er ist blank und begräbt seine Hochhauspläne am Berliner Platz. Einen Trumpf hat der Wahl-Züricher aber noch im Ärmel: die GAG. Sie kauft das Areal für einen symbolischen Euro. Im Gegenzug rückt der Chef von Timon Bauregie, inzwischen 77, in den Ältestenrat der GAG und berät die Referentin des Vorstands in der Sparte Luxuspleiten. Weil der Sanierungsfall Rathaus nicht mehr zu retten ist und abgerissen werden muss, planen GAG-Wolle und Genossen-Jutta auf dem früheren „Tortenschachtel“-Gelände den neuen Verwaltungssitz. Im Erdgeschoss ist neben einem Friseur-Geschäft, für das sich eine in Ludwigshafen bekannte Lobbyistin einsetzt, eine Gedenkstätte für den Altkanzler vorgesehen. Aus dem „Metropol“ wird im Volksmund rasch das „Metrokohl“. Die GAG denkt über ein Manga-Ressort fürs Hanami-Festival nach, das Tausende Comic-Fans besuchen. Eine in Ludwigshafen bekannte Lobbyistin mischt sich heimlich als „Lord Helmchen“ unters kostümierte Volk vorm Pfalzbau und verteilt Gutscheine für den Haarteufel. Juni ie OB eröffnet Ende des Monats das 26. Stadtfest und berichtet, dass ihre eingerichtete Mecker-App rege genutzt wird. Nicht nachvollziehen kann Steinruck, dass sich 90 Prozent der Online-Beschwerden mit der GAG befassen. Als Stadtlauf-Beauftragten präsentiert die Wohnungsbaugesellschaft den zu Jahresbeginn inthronisierten CDU-Kreisvorsitzenden Torbjörn Kartes. Der Bundestagsabgeordnete braucht Bewegung, weil er in Berlin nur rumsitzt. Er ist zum Nichtstun verdammt und setzt Hüftgold an. Aktuell läuft die 27. Sondierungsrunde für eine Regierungsbildung mit der SPD. In der Hanami-Frage einigt sich die GAG schnell: Bürgermeisterin Cornelia Reifenberg (CDU) soll der Belegschaftskultur als „Black Conni“ in Abendkursen das Manga-Gen einimpfen. Der Vorschlag einer sehr guten Freundin Reifenbergs, künftig im Keller jedes GAG-Hauses einen Friseursalon einzurichten, soll zumindest geprüft werden. Juli utta Steinruck hält Wort. Stadtratssitzungen werden nun live im Internet übertragen. Doch aller Anfang ist schwer: Nur 14 Leute verfolgen die Premiere, darunter sechs von 60 Stadträten, die sich’s zu Hause auf der Couch gemütlich machen. Thorsten Portisch schaut die Debatte via Laptop in seinem Pegeluhr-Ausguck. Ansonsten zähle er am liebsten Schiffe, berichtet der frühere CDU-Mann. Er wundere sich, sagt er, dass ihm die GAG noch kein Job-Angebot gemacht habe. Er kenne sich gut mit Oldtimern aus. Im Garagen- und Fahrzeugsektor fehle der GAG sicher noch ein Experte. Einen Trike-Referenten habe die GAG ebenfalls noch nicht, meldet sich Süd-Ortsvorsteher Christoph Heller (CDU) als Freund dreirädriger Maschinen zu Wort. Er steckt mitten in den Vorbereitungen fürs Hafenfest. Erstmals hat sich die Friseur-Innung mit einem Kahn im Trockenhaubendesign für die Spaßregatta angemeldet. Das GAG-Schiff verpasst sich das Motto: „Die GroKo – wir sitzen doch alle in einem Boot“. Ihr erstes halbes Jahr kommentiert Steinruck so: „Dazu will ich erst mal eine Analyse einholen.“ August it dem Streifen „Der Mann der Friseuse“ wird das Filmfestival eröffnet. Waschen und Legen gibt’s zum Auftakt umsonst auf der Schneckennudelbrücke. 19 Kinozelte verteilen sich über den gesamten Portisch-Park. Diese Expansion hat Direktor Michael Kötz mit der neuen Förderkreischefin noch vor deren Abschied aus dem Rathaus hinter dem Rücken der amtierenden OB ausgehandelt. Steinruck ist außer sich. „Ich glaub’, ich bin im falschen Film.“ Sie beruft eine Sondersitzung des Stadtrats im Willersinn-Freibad ein. Dort taucht die CDU förmlich ab. Es kommt zum Bruch der Koalition, weil die Union die von der SPD geforderte räumliche Begrenzung des Kino-Events nicht mittragen will. GAG-Wolle bietet sich als Schlichter an, mahnt aber wegen der zusätzlichen Aufgabe eine personelle Aufstockung an. September urchatmen in ganz Deutschland: Ein Jahr nach der Bundestagswahl einigen sich CDU und SPD in Berlin auf die Fortsetzung der „GroKo“. Das entspannt auch die Lage in Ludwigshafen. Rote und Schwarze verabreden bei der Schlichtung, dass maximal sechs Kinozelte am Rheinufer aufgebaut werden dürfen und – auf speziellen Wunsch einer namhaften Lobbyistin – dass Friseusen montags freien Eintritt haben. Als neuen Festivalsponsor gewinnen die versöhnten Partner ein Kölner Kreditinstitut. Oktober in erster Entwurf für den am Berliner Platz geplanten Rathaus-Neubau samt Kohl-Museum parterre ruft Proteste der Jungen Union hervor: Das Modell eines schwarzen Koffers sei unerhört, echauffiert sich JU-Chef Maximilian Göbel. In einer von Steinruck beauftragten Umfrage lehnen 51 Prozent der Ludwigshafener den Vorschlag ab. Die CDU-Familie atmet tief durch. Die GAG nimmt die Sache selbst in die Hand und engagiert einen Starachitekten. November piegel-Autor Alexander Osang hält sein Versprechen und kehrt nach seinem „Pissbahnhof“-Vergleich auf RHEINPFALZ-Einladung nach Ludwigshafen zurück. Er akzeptiert eine milde Strafe und „darf“ über eine Sitzung des Ortsbeirats Süd berichten. Nach 57 Tagesordnungspunkten kippt er um 23.45 Uhr mit den Worten „Ich versteh’ nur Bahnhof“ entkräftet vom Stuhl am Pressetisch. „Weichei“, kommentiert der Ortsvorsteher. Dezember n der letzten Stadtratssitzung des Jahres bekommen alle Stadträte einen Haarschnitt umsonst – auch die wenigen, die es nicht nötig haben, wie Dieter Feid, dessen Kopf bereits kahlgeschoren ist. Und wo nichts ist, das weiß der Kämmerer, ist auch nichts holen. Organisiert hat die Aktion eine Frau, die inzwischen bundesweit die Friseur-Innung vertritt. Die Live-Übertragung im Netz schlägt alle Rekorde. So endet das Jahr, wie es angefangen hat: mit einem Paukenschlag.

x