Ludwigshafen Schlaflos durch die Nacht

91-87009210.jpg

Dass Schauspieler Jan Josef Liefers auch Musik macht, ist mittlerweile kein Geheimnis mehr. Er und seine Band Radio Doria haben eine treue Anhängerschaft. Das hat sich beim „Seebühnenzauber“ im Mannheimer Luisenpark gezeigt. Wegen angekündigtem Regen war das Konzert von der Seebühne in die Halle Baumhain verlegt worden. Die Atmosphäre mag darunter ein wenig gelitten haben, die Stimmung aber bestimmt nicht.

„Sie wissen vielleicht, ich habe ein zweites Standbein, ich mache Filme“, ließ Jan Josef Liefers, der den meisten Fernsehzuschauern als Rechtsmediziner Professor Boerne aus dem Münsteraner „Tatort“ bekannt ist, im ersten Drittel des Konzerts verlauten. Das zog Gelächter nach sich. Allerdings steckt da wohl auch ein Körnchen Wahrheit drin. Denn die Musik, das wird schnell klar, ist eine große Leidenschaft von Jan Josef Liefers. Es macht ihm Freude auf der Bühne zu stehen, nicht weil er ganz klar die Hauptperson ist, sondern weil er einfach Spaß am Musikmachen hat. Zu Beginn geht es erst mal ganz bukolisch zu: Nebel steigt auf und Vögel zwitschern. Nach und nach kommen die Mitglieder von Radio Doria auf die Bühne, sie tragen Tiermasken. Eine Eule spielt Gitarre, ein Wildschwein zupft den Bass, der Hase greift zum Mikrofon: „Die Tiere des Waldes sind aufgewacht.“ Auf der Seebühne in der Dämmerung wäre das bestimmt noch viel besser gekommen, leider fand das Konzert in der Halle Baumhain statt – dafür mit Klimaanlage. Nach dem kleinen Vorspiel tauscht Jan Josef Liefers die Hasenmaske mit einem Hut, der schon am Mikrofonständer bereit hängt, und es gibt Applaus. Die meisten Lieder, die Radio Doria an diesem Abend spielte, befinden sich auf dem 2014 erschienenen Album „Die freie Stimme der Schlaflosigkeit“. Denn wie Liefers bemerkte: „Wer nachts nicht schlafen kann, hat durchaus Möglichkeiten, sich anders zu beschäftigen, zum Beispiel Lieder schreiben.“ Das Album markiert einen Wendepunkt, wie Fans von Liefers Musikkarriere wissen. Ursprünglich hieß seine 2002 gegründete Band Oblivion. Mit dem Programm „Soundtrack meiner Kindheit“, bei dem die Gruppe Hits von DDR-Bands wie Silly oder Karat coverte, tourte sie durch Deutschland. Doch mit der Popularität kam ein Problem: Es gab bereits eine Band, die Oblivion hieß, und die hatte den Namen geschützt. Deshalb benannte man sich 2013 in Radio Doria um und nutze die Chance für einen Neuanfang. Es entstand eine Scheibe mit eigenen Songs, besagtes Album zur Schlaflosigkeit. „Radio Doria“, lautet auch das Erkennungslied mit einer Stimm- und Geräuschkakophonie, die klingt, als würde man bei einem alten Radio einen Sender einstellen wollen. Freunde des Deutschrock haben bei Radio Doria in der Tat den richtigen Sender eingestellt. Satter Gitarrensound kennzeichnete viele Songs, doch es gab auch Ausflüge in Genre wie Latin („Wo gehst Du hin“) oder Reggae („Danke“). Liefers spielte mal Banjo, mal Glockenspiel. Zu manchen Liedern erzählte der 51-Jährige etwas zur Entstehungsgeschichte. Zu dem Song „So sieht man sich wieder“ zum Beispiel hat ihn ein Schuhkarton mit alten Sachen von ihm inspiriert, den er gefunden hatte, als er seiner Mutter beim Umzug half. Bei „Die verlorenen Kinder“ hielt es dann zur Freude von Liefers niemanden mehr auf dem Stuhl. Jan Josef Liefers ist ein Profi auf der Bühne, er weiß sich zu inszenieren und sein Publikum mitzureißen. Dabei gibt er sich locker und genießt auch das Bad in der Menge. Da macht es nichts, das seine Stimme nicht immer astrein klingt. Dass ein Teil des Erfolgs von Radio Doria mit der hohen Popularität des Schauspielers zu tun hat, liegt auf der Hand. Doch auch die eingängige Musik hat ihren Anteil und die Qualität der Band. Um sich hat Liefers ein paar großartige Musiker versammelt: die beiden Gitarristen Johann Weiß und Jens Nickel (Gitarre), den Bassisten Christian Adameit (Bass), Gunter Papperitz an den Keyboards und Timon Fenner am Schlagzeug. Und alle zusammen machten das Mannheimer Konzert zum Erlebnis.

x