Mannheim Serie „Aufgeblättert“: Thorsten Riehle über ein besonders beeindruckendes Buch

Liegt zum Lesen gerne auf dem Sofa – wenn auch weniger im Rathaus als zu Hause auf der Rheinau: Thorsten Riehle.
Liegt zum Lesen gerne auf dem Sofa – wenn auch weniger im Rathaus als zu Hause auf der Rheinau: Thorsten Riehle.

Seit Jahren hatten wir Thorsten Riehle auf der Liste möglicher Gesprächspartner für diese Literatur-Serie. In den Jahren der Pandemie hatte er als Geschäftsführer des Capitols aber ganz andere Sorgen. Als neuer Bürgermeister in Mannheim hat der 54-Jährige nun zwar auch einen sehr vollen Terminkalender – aber Zeit zum Lesen nimmt er sich.

Dass mit dem SPD-Politiker Thorsten Riehle am 1. März ein frischer Wind ins für Wirtschaft, Arbeit, Soziales und Kultur zuständige Dezernat II eingezogen ist: Man sieht es auf einen Blick. Es ist schwer vorstellbar, dass sich sein Vorgänger Michael Grötsch (CDU), der 16 Jahre im Amt war, für ein Foto nicht nur auf ein Sofa gefläzt – sondern dass er dieses Motiv auch noch selbst vorgeschlagen hätte. Thorsten Riehle hat mehr als 25 Jahre lang in einer Branche – nämlich der Kultur – gearbeitet, in der man einander selbstverständlich duzt, in der die Hierarchien flach sind und die Lebenswege mancher Kollegin und manches Kollegen mehr krumm als gerade.

Und gerade das ist etwas, das den 54-Jährigen in den vergangenen Wochen umtreibt: wie es gelingen kann, Menschen zur Stadtverwaltung zu holen, die vielleicht nicht jede formale Voraussetzung erfüllen, aber mit ihrer Persönlichkeit überzeugen. Eine Frage, mit der er sich selbst ganz konkret beschäftigen musste: Weil er keinen akademischen Abschluss besitzt und sein Studium in den frühen 1990er-Jahren abgebrochen hat, um ein Volontariat bei der „Schwetzinger Zeitung“ zu absolvieren, wurde vor seiner Wahl zum Bürgermeister die Ausschreibung geändert – was unter dem Schlagwort „Lex Riehle“ für Diskussionen in Mannheim sorgte.

„Extrem ehrlich“

„Zeiten Ende“ heißt Harald Welzers Buch, das Riehle als ein besonders beeindruckendes zum Gespräch mit der RHEINPFALZ mitgebracht hat. Dessen erstes Kapitel heißt „Uwe“ und beschäftigt sich mit einem deutschen Volkshelden, der als einer der letzten „nur“ die Hauptschule besucht und völlig unabhängig von seinem Schulabschluss Menschen aller gesellschaftlichen Milieus begeistert hat: Uwe Seeler. „Daran konnte ich sofort andocken“, sagt Riehle und erzählt von seinem Vater, dessen zweite Heimat der FC Ladenburg gewesen sei, und von seiner Großmutter, die aus Ärger über eine Entscheidung einmal einen Schiedsrichter mit ihrem Regenschirm vertrimmt habe. Er selbst, sagt Riehle und grinst, sei nur genau einmal im Training gewesen und habe von da an vom Kicken Abstand genommen.

Er ist überhaupt sehr fröhlich beim Gespräch über das Buch, das doch ein ernstes ist und an vielen Stellen auch deprimierend. Das uns vorhält, wie sehr wir alle die Klimakatastrophe ignorieren, das den Bedeutungsverlust des Westens konstatiert und das Gefühl des Staatsversagens, das viele Menschen haben. Es sei einfach „extrem ehrlich“, sagt Riehle. Er selbst fühle sich durch die Lektüre von Harald Welzers im August 2023 veröffentlichtem Buch ermutigt, in den Austausch zu gehen. „Wenn ich mit Leuten ins Gespräch komme, mache ich überwiegend positive Erfahrungen“, sagt er und nennt als sein Motto: „Duck’ dich nicht weg.“ Das Buch „Zeiten Ende“ habe ihm eine Freundin, die frühere RNF-Redakteurin Frauke Hess, mit den Worten geschenkt: „Das könnte dich interessieren.“ Tatsächlich beschäftige er sich gerne auch nach (und manchmal vor) einem langen Arbeitstag mit politischen, historischen und gesellschaftlichen Fragen: „Ich lasse mir gerne von klugen Leuten etwas erklären.“ Und gleichzeitig lese er auch gerne Krimis wie die „Elwenfels“-Reihe von Britta und Christian Habekost.

„Im Bett lese ich nie“

Tatsächlich tut er das aber wohl kaum im Mannheimer Rathaus. Zu Hause auf der Rheinau aber, wo er mit seinem Mann lebt, liegt Thorsten Riehle gerne mit einem Buch auf dem Sofa. Und wirklich auch nur da. Denn eines kommt für ihn auf keinen Fall in Frage: „Im Bett“, sagt er, „lese ich nie.“

Die Serie

Literatur eröffnet Welten, prägt unsere Wertvorstellungen und kann wichtige Weichen auf unserem Lebensweg stellen. In unserer Serie „Aufgeblättert“ fragen wir Persönlichkeiten aus der Rhein-Neckar-Region nach einem Lieblingsbuch, das sie besonders berührt hat.

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