Neustadt Turbulentes Tohuwabohu

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Neustadt. Komödiantisches Vergnügen pur. Mit seiner fünften Produktion, Thornton Wilders Farce „Die Heiratsvermittlerin“, feierte das Dramatische Hoftheater am Samstagabend im gut besuchten Festsaal des Herrenhofs Mußbach eine fulminante Premiere. Als turbulente, bisweilen in Richtung Slapstick-Comedy gehende Gesellschaftskomödie inszenierte Markus Mohr dieses nur noch selten aufgeführte Stück des amerikanischen Dramatikers.

Geld und Macht, die Suche, wenn schon nicht nach dem großen Glück, so doch nach Liebe und Abenteuer, treiben Ende des 19. Jahrhunderts in der amerikanischen Kleinstadt Yonkers die Hauptfiguren um. Allen voran die Witwe Dolly Levi, die sich mit diversen Jobs unter anderem als Heiratsvermittlerin über Wasser hält. Clever, intrigant und auf ihren Vorteil bedacht, hat sie es auf den reichen Kaufmann von Yonkers, Horace Vandergelder, abgesehen, den sie zunächst davon überzeugen muss, dass er als Witwer unbedingt eine Frau braucht. Christina Jakobs in der Titelrolle, in prachtvoller Robe mit raffiniertem Hut, zieht alle Register ihres darstellerischen Könnens. Sie umgarnt den Kaufmann, der es zum Millionär gebracht und somit den amerikanischen Traum verwirklicht hat, mit allen Mitteln der Verführungskunst. Dieser ist allerdings nur auf seinen Vorteil und das Geld bedacht, so dass er den Künstler Ambrose Kemper (selbstbewusst Markus Mohr) abweist, der seine Nichte Ermengarde (etwas weinerlich in hochelegantem Outfit Miriam Steinbacher) heiraten möchte. Köstlicher Gag: Als er gerade rasiert wird, springt Vandergelder cholerisch auf, so dass sein Friseur ihm beinah die Gurgel durchschneidet. Den cholerischen Geizhals spielt Wolfgang Braunstein mit Bravour. Ebenso autoritär wie gegenüber dem Liebespaar verhält er sich auch zu seinen Angestellten Cornelius und Barnaby, denen er noch nicht einmal einen freien Abend gönnt. Doch als er nach New York abreist, um die von Dolly vermittelte Hutmacherin kennenzulernen, überredet Cornelius, den Guntram Raquet herrlich grotesk spielt, seinen Kollegen (als naiver Lehrling überzeugt Lucas Müller) dazu, endlich aus ihrem Alltag auszubrechen und in New York ein Abenteuer zu wagen. Als sie in der Millionenmetropole, welch ein Zufall, ihren Chef mit der Heiratsvermittlerin entdecken, flüchten sie in den Hutladen von Mrs. Molloy. Charmant und temperamentvoll Debora Thomas-Chmielus, die das Hutmachen satt hat und mit dem reichen Vandergelder ein neues Leben beginnen möchte. Klamauk ist angesagt, als der Kaufmann den Laden betritt und die Ausreißer sich verstecken müssen. In rasanter Abfolge inszeniert der Regisseur ein Verwirrspiel, in dessen Verlauf Vandergelder der Hutmacherin den Laufpass gibt, und das in einem turbulenten Szenario in dem renommierten Restaurant „Harmonie“ seinen Höhepunkt findet. Dort treffen, ein weiterer „Zufall“, nacheinander alle Figuren ein. Durch einen Paravent getrennt, lästern Cornelius und Barnaby über den „Wolf“ Vandergelder. Als Dolly bemerkt, dass dieser am Nachbartisch sitzt, lobt sie ihn über den grünen Klee. Der einzige, der in allem Tohuwabohu cool den Überblick behält, ist Malachi, der Gauner (bravourös Alfred Stengel), den Vandergelder eingestellt hat. Als er dessen prall gefüllte Geldbörse findet, bringt er in einem leider gekürzten Monolog an das Publikum seine Einstellung zum Kapital zum Ausdruck. Neuverteilung des Überflusses sei angesagt. Diese Grundhaltung hat übrigens auch Dolly, die in ihrem späteren Monolog ihre Auffassung von Geld formuliert. Sie versteht es als „Mist“, den sie ausstreuen werde, um anderen zur Freiheit zu verhelfen. In Mohrs turbulenter, auf Unterhaltung setzender Inszenierung sind diese Monologe kurze Momente des Innehaltens, mit denen Wilder Elemente des epischen Theaters einfließen lässt, um den Zuschauern Denkanstöße zu vermitteln. Nach weiteren Turbulenzen, die Mohr durch den romantischen Tanz der Paare zum „St. Louis Blues“ unterbricht – der in Variationen übrigens das Stück durchzieht –, bringt der vierte und letzte Akt zunächst weitere Höhepunkte des Verwirrspiels. Denn im Salon der alten Jungfer Miss Van Huysen finden sich Cornelius und der als Mädchen verkleidete Barnaby ein, die die alte Frau für das von Vandergelder angekündigte Liebespaar hält, das schließlich auch noch auftaucht. Gag der Inszenierung: Alfred Stengel und Stephan Leukel schlüpfen in Frauenrollen und geben die alte Miss und ihre Köchin und tränentreibend komisch. Als Lichtgestalt erweist sich Miss Van Huysen, die ein offenes Herz für die Liebenden hat und sie zusammenführt, weiß sie doch aus eigener bitterer Erfahrung, wie es sich anfühlt, wenn man den Mann, den man liebt, nicht heiraten darf. Und der Geizhals Vandergelder? Einmal mehr rastet er aus. Doch dann die wundersame Wandlung, die in Wilders Stück abrupt und daher kaum glaubhaft erscheint: Die alte Miss bewegt ihn zur Versöhnung, und als er sogar vor Dolly niederkniet und um ihre Hand anhält, hat diese tatsächlich ihr Ziel erreicht. Ende gut alles gut, denn vier Paare finden zueinander. „Es gibt lauter wunderbare Dinge auf der Welt“ - Wilders Credo, das dieses Stück durchzieht, bewahrheitet sich zumindest in dieser Farce. Viel Applaus für das überzeugend agierende Ensemble. AUFFÜHRUNGEN Jeweils um 20 Uhr im Festsaal des Herrenhofs Mußbach am 28., 29., 30 April sowie am 5. und 6. Mai . Karten zu 14 und 12 Euro im Vorverkauf bei Tabak-Weiss, Hauptstraße 61, Neustadt, Telefon 06321/2942.

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