Neustadt Der Pianist Sergej Filioglo und der Geiger Sebastian Schmidt beim Mandelringkonzert

Das Duo Schmidt und Filioglo beim Konzert in Neustadt.
Das Duo Schmidt und Filioglo beim Konzert in Neustadt.

Einige Klassikfans erinnern sich vielleicht an den schlaksigen jungen Moldawier, der als versierter Korrepetitor unter der Ära des armenischen Geigenvirtuosen Gratchia Aruntunjan zu den Protagonisten der Anfänge der Frühlingsakademie zählte und auch bei zwei Soloabenden im Saalbau glänzte. Nach 16 Jahren ist Sergej Filioglo nun an seinen ehemaligen musikalischen Tatort zurückgekehrt.

Mit ihm stand Sebastian Schmidt auf der Bühne, weithin bekannt als Primarius des Mandelring Quartetts und Sohn des Gastgebers Jörg Schmid, der am Wochenende zum 241. Mandelringkonzert einlud und sich freute, die beiden zum Duo formierten „Heimkehrer“ im hervorragend besuchten „Kelterhaus“ zu begrüßen. Noch vor dem ersten Ton erzählte Sebastian Schmidt die fast unglaubliche Geschichte einer ungewöhnlichen Begegnung. Erst zwei Jahre nach Filioglos erfolgreicher Bewerbung als Korrepetitor an der Musikhochschule in Hamburg fiel bei Schmidt der Groschen – nämlich, dass sie sich eigentlich kennen sollten und dass den Begleiter seiner Schülerinnen und Schüler viel mit Neustadt verbindet und er die Stadt gar als seine zweite Heimat bezeichnet.

Konzertbeginn mit Beethoven

Beethovens Sonate für Klavier und Violine D-Dur op.12/1 zum Auftakt. Sebastian Schmidt artikuliert feinnervig und forsch zugleich. Sein Partner am Flügel kontert brillant mit glasklarem Anschlag, setzt eigene Akzente – und scheint seinen komplexen, gegenüber der Violine völlig gleichberechtigten Part mit einer geradezu schlafwandlerischen Sicherheit aus dem Ärmel zu schütteln, oder in den Worten Sebastians: „Ein ganz wacher Sachverwalter am Klavier, einer, der meine Schülerinnen und Schüler nicht nur begleitet, sondern ihnen auch wertvolle musikalische Tipps mit auf den Weg zu geben vermag“. Beide entdecken nicht nur die ungestüme Seite des Hitzkopfes Beethoven, sondern vor allem die wunderschönen Momente des gemeinsamen Innehaltens und Atemholens. Da scheinen sich zwei gesucht und gefunden zu haben.

Eine Entdeckung aus Armenien

Arno Harutjuni Babadjanian - schon mal gehört? Der vor 40 Jahren verstorbene Armenier muss jedenfalls ein skurriler Typ gewesen sein. Extrem wild und unberechenbar, in jeder Sekunde energetisch und hochdramatisch, ist seine 1959 komponierte, phasenweise die Grenzen der Tonalität sprengende Sonate für Violine und Klavier G-Dur op.13. Das temperamentvoll aufspielende Duo setzt alles auf eine Karte, beide lassen ihre Instrumente abwechselnd singen und krachen, spielen sich gegenseitig in wahnwitzig virtuoser und perfektionierter Manier die Bälle zu, so dass hinterher im Publikum vor allem eine Frage offenbleibt: Warum hat man bei uns im Westen noch nie etwas von diesem genialen Komponisten gehört?

Die beiden harmonierten großartig.
Die beiden harmonierten großartig.

Das Kultusministerium der damaligen UdSSR übte indes harsche Kritik an dem Stück. Man warf ihm vor, es sei traditionslos und – paradoxerweise - viel zu volkstümlich. Die Parteigenossen verlangten nach einer Korrektur. Babadjanian, der Besserung gelobte, änderte keine Note und stellte bei der nächsten Plenarsitzung zur allgemeinen Zufriedenheit seiner Kritiker das völlig identische Stück als angebliche Neufassung vor. Und da wäre noch die Anekdote von Babadjanians Faible für Reparaturen, die Filioglio zum Besten gab, demnach der zu einem vornehmen Bankett eingeladene Komponist zwischendurch wie vom Erdboden verschwand, erst nach einer halben Stunde wieder zurückkehrte, um den Gästen überglücklich zu verkünden, dass er gerade erfolgreich den defekten Spülkasten des Hausherrn repariert habe.

Zahlreiche Zugaben

Im Falle seiner Sonate für Violine und Klavier G-Dur op.13 sprach Edvard Grieg von seiner „nationalen“ Sonate. Bravourös und kompromisslos leidenschaftlich formulieren Schmidt und Filioglo die folkloristischen Einfälle Griegs mit ihren Springtanzrhythmen und Bordunklängen. Das sichtlich hingerissene Publikum verlangt nach einer Zugabe. Keiner hat es gemerkt und Sebastian Schmidt gibt es sogar zu: „Hab mich gegen Ende um zwei Takte verzählt und meinen Fauxpas überspielt, man ist halt auch nur ein Mensch“, bemerkt er charmant zum Publikum gewandt, bevor er und sein Begleiter eine Zugabenserie einleiten, die allein schon den Konzertbesuch wert gewesen wäre. Herzschmerz und Liebesfreud zum Ausklang, zunächst mit der schönsten Melodie aus den Paganini-Variationen von Rachmaninoff in einer Bearbeitung von Fritz Kreisler, danach eine saftige Portion Wiener Schmelz in Gestalt der „Caprice Viennoise“ aus der Feder des gleichen Komponisten. Der Violin-Schmankerln nicht genug: Da dachten doch alle, vor allem sein Bruder Bernhard sei auf Tango abonniert. Nein, Sebastian liebt ihn auch, glutvoll demonstriert am Beispiel von Jacob Gades „Tango Jalouise“, der Mutter aller Tangos, und einer weiteren Bearbeitung eines Tangos von Isaac Albeniz. Ein Konzert, das förmlich nach einer Wiederholung schreit - ein Wunsch, den das Duo gleich am nächsten Morgen am gleichen Ort gerne erfüllte.

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