RHEINPFALZ-Forum Sicherheit Sicherheit: Polizei allein ist keine Lösung
Ist Pirmasens verwahrlost?
Die Vermutung weist Oberbürgermeister Markus Zwick zurück. „In meinen Augen passiert genau das Gegenteil.“ Der OB nennt Walter-Slodki-Platz und Wedebrunnen als Beispiele für eine Verschönerung der Stadt, was der Bildung von Brennpunkten entgegengewirkt habe. „Das hat das Umfeld dort verändert.“ Sicherheitsexperte Franz-Josef Brandt will bei dieser Frage die Geschichte der Stadt nicht aus dem Blick verlieren. Er erinnert an den Niedergang der Schuhindustrie mit ihren sozialen Folgen. Ganz überwunden sei das nicht.
Ist die Sicherheitslage in Pirmasens schlimmer als in anderen pfälzischen Städten?
Brandt vergleicht Pirmasens mit Kaiserslautern. Relativ zur Größe der beiden Städte seien beispielsweise die Probleme mit Betrunkenen und Störenfrieden „eins zu eins das Gleiche“. Gemessen an der Anzahl von Straftaten sei Pirmasens im Vergleich zu vielen anderen Städten kein Ausreißer. Gemessen an den sozialen Problemen sei Ludwigshafen eine ganz andere Hausnummer. „Dagegen ist Pirmasens ein Waisenknabe.“
Ist die Angst vor Migranten gerechtfertigt?
Die Zahlen geben das nicht her, sagt Polizeichefin Jacqueline Schröder. Bei Delikten wie Raub, Bedrohung oder Körperverletzung seien vergleichsweise selten Migranten verdächtig. Und unter diesen befänden sich sehr wenige Asylbewerber.
Das Pirmasenser Krankenhaus sei dringend auf die Arbeit von ausländischen Kräften angewiesen. „Sonst könnten wir die Versorgung dort nicht mehr sicherstellen“, sagt Zwick. Für den OB ist die sprachliche Integration der Schlüssel. Kindergärten, Schulen und Vereine seien wichtige Bestandteile. Migranten seien erwünscht und würden gebraucht, allerdings „müssen wir aufpassen, dass wir die Stadtgesellschaft dabei nicht überfordern“.
Sind Pirmasenser rassistisch?
Sicherheitsexperte Brandt mahnt: „Rassismus und diffuse Ängste vor dem Fremden müssen wir strikt trennen.“ Der Glaube an die Überlegenheit des deutschen Volkes sei zu verurteilen, doch die Angst vor dem Unbekannten müsse man ernstnehmen. Odysseas Miliadis, der aus Griechenland stammt, berichtet von guten Erfahrungen in der Stadt. „Ich hatte nie das Gefühl, dass ich irgendwo bedroht bin.“ Entscheidend sei, dass sich alte und neue Pirmasenser kennenlernen. „Wir leben in einer Gesellschaft, in der alle Türen offen sind. Und das ist gut so.“
Sind Deutsche besonders ängstlich?
Ja, sagt Jennyfer Wetter vom Weissen Ring. Studien belegten, dass Deutsche mehr als andere zur Ängstlichkeit neigen. Offensichtlich komme es auf die Situation an. Bei ihrer Arbeit beim Weißen Ring hätten Menschen berichtet, dass sie „Lautstärke und Halligalli schick finden“, wenn sie im Spanienurlaub darauf treffen. Zu Hause werde eine vergleichsweise lebhafte und laute Kultur eher als störend und bedrohlich empfunden.
Stärken Kameras im öffentlichen Raum das Sicherheitsgefühl?
Die beiden Polizisten, Schröder und Brandt, setzen dahinter ein großes Fragezeichen. Der Ruf nach Kameras sei immer wieder zu hören, erfahrungsgemäß hätten sie aber hauptsächlich einen Vertreibungseffekt. „Ich weiß lieber, wo meine Klientel sitzt, als das ich sie suchen muss“, meint Brandt trocken. Die Polizeichefin hält Kameras im öffentlichen Raum in Pirmasens nicht für eine sinnvolle Lösung, zumal hohe rechtliche Hürden bestehen.
Macht die Polizei zu wenig?
Der Vorwurf ist altbekannt, Schröder wehrt sich deutlich dagegen: „Das stimmt so schlichtweg nicht.“ Polizei und Ordnungsamt zeigten Präsenz, die Fußgängerzone sei die Hauptroute der Streifenwagen. OB Zwick betont, dass das Ordnungsamt Schwerpunkte setzt: Fußgängerzone, Exerzierplätze und Wedebrunnen beispielsweise würden regelmäßig kontrolliert.
Was verbessert das Sicherheitsgefühl?
Laut Polizeichefin Schröder müssen Lösungen im Netzwerk gefunden werden: Gut beleuchtete Plätze, die von der Stadt sauber gehalten werden, stärkten beispielsweise das Sicherheitsgefühl der Bürger. Sozialarbeiter leisteten wertvolle Präventionsarbeit. Die Einbeziehung von Kindergärten und Schulen bei Projekten im öffentlichen Raum sei ebenfalls sinnvoll.
Die Sicherheitslage einer Stadt wird nicht nur von der Kriminalitätsstatistik bestimmt. Experte Franz-Josef Brandt hat uns den wissenschaftlichen Rahmen erklärt.