Speyer Ein Lift für Tyler-Joél: Spendenaktion für schwerkrankes Kind

Im Kampf gegen die Auswirkungen eines Gendefekts verbunden: Tyler-Joél und Mama Bianca Detzner.
Im Kampf gegen die Auswirkungen eines Gendefekts verbunden: Tyler-Joél und Mama Bianca Detzner.

Tyler-Joél Detzner ist zwölf. Der Junge aus Speyer-Nord liebt seine Familie, Weihnachten, seine Gitarre und Rock-Musik. Er leidet unter einem Gendefekt, der ihn nach der überlebenswichtigen Versteifung der Wirbelsäule teilweise bewegungsunfähig macht. Um in sein Kinderzimmer zu gelangen, braucht er Geld für einen Treppenlift.

Tylers Pflegebett haben die Detzners in der kleinen Küche aufgestellt. Der Junge freut sich, Mutter, Vater, Tante und den kleinen Bruder um sich zu haben. Seit Januar wechselt Bianca Detzner zwischen Herd und Pflegebett. Sie wickelt ihren Sohn, bewacht seinen Schlaf und seine Wachzeiten. „Jetzt weiß ich, was Pflege zu Hause bedeutet“, betont sie. „Ohne die Familie geht gar nichts“, betont die Mutter voller Dankbarkeit für die räumliche und seelische Nähe von Großmutter, Schwester und Bruder. „Von den zwölf Jahren, die Tyler bei uns ist, war er sicher fünf Jahre im Krankenhaus“, beschreibt sie das Leben ihres Sohnes und seiner Familie zwischen ständigem Hoffen und Bangen.

Erst vor wenigen Tagen ist er von der Reha nach Hause zurückgekehrt. „Wäre die Wirbelsäule nicht versteift worden, wäre Tyler erstickt“, so seine Detzner über die akute Lebensgefahr, in der er vor der Operation geschwebt habe. Zwölf Stunden habe die OP gedauert, zwölf Stunden habe sie für das Überleben ihres Kindes gebetet. Was die Wirbelsäulen-Versteifung indes im Alltag bedeutet, sei ihr nicht klar gewesen, sagt sie: Tyler kann sich nur noch eingeschränkt bewegen, die erste Etage des Hauses nicht mehr erreichen. „Besser wird es nicht mehr.“

Im Zimmer mit Bruder Denny

Ein Treppenlift würde ermöglichen, dass der Zwölfjährige zurückkehren könnte in sein Kinderzimmer, das er sich mit dem vierjährigen Bruder Denny teilt. Sprechen kann Tyler nicht, aber über die Aussicht darauf, wieder seine Lieblingsdinge um sich haben zu können und mit dem Bruder zu spielen, freut er sich sichtlich. Etwa 14.000 Euro soll ein Treppenlift kosten. Für die Familie ist das nicht zu stemmen, auch wenn die Krankenkasse „im besten Fall 4000 Euro dazugibt“, wie die Mutter sagt. „Mit einem Spendenaufruf im Internet haben wir die Hälfte der Summe bereits zusammen“, freut sie sich über die Anteilnahme vieler Spender an Tylers Schicksal. Seine Tante Ramona Schomodji hat bei der Internetplattform Gofundme die Initiative ergriffen.

Bereits unmittelbar nach Tylers Geburt sei ihr klar gewesen, „dass mit meinem Kind etwas nicht stimmt“, sagt die Mutter. Die Ärzte im Speyerer Diakonissen-Stiftungs-Krankenhaus hätten sie zunächst beruhigt: „Alles in Ordnung.“ Aber in Ordnung war nichts. Tyler kam zwei Wochen früher als geplant, sehr klein und blass zur Welt. Er atmete stets mit offenem Mund. Seine Zunge, Hände und Füße wirkten viel zu groß. „Ein ungewöhnlich ruhiges Baby“, erinnert sich Detzner an eine große Unsicherheit, die sie auf ihre Unerfahrenheit zurückführte. Eine Schilddrüsenunterfunktion sei diagnostiziert worden, und Medikamente hätten zunächst Fortschritte gebracht. „Meine Sorgen wurden nicht ernst genommen“, meint die Mutter – bis Tyler mit Krampfanfällen in die Klinik gekommen sei. Diagnose: Epilepsie. „Die Welt stand still.“ Bei dem Gedanken daran kann Detzner ihre Tränen nicht zurückhalten.

„Ich war 23, alleinerziehend und völlig überfordert“, beschreibt sie die Situation, als ihr Sohn zweieinhalb Jahre alt war. Zu diesem Zeitpunkt sei Tyler gelaufen, aber täglich bis zu 40 Mal gestürzt. „Ausgebrochene Zähne, Brüche und viele Verletzungen waren an der Tagesordnung“, sagt sie. „Auch die Ärzte in der Heidelberger Spezialklinik wussten nicht mehr weiter.“ Bis eine Medizin-Studentin das „Coffin-Lawry-Syndrom“ erkannt habe. „Zu diesem Zeitpunkt war Tyler erst der vierte und jüngste Fall in Deutschland“, weist Bianca Detzner auf die Seltenheit des Gen-Defekts hin.

Qualen durch Korsett

Immer mehr Unsicherheit, immer mehr Schmerzen seien in Tylers Leben getreten, beschreibt die 33-Jährige den Fortgang der Krankheit. Vier Jahre lang habe sie ihren Sohn in ein Korsett zwängen müssen, ihm Qualen und Schmerzen nicht ersparen können. Mit Schuleintritt in die Ludwigshafener Mosaik-Förderschule sei der Rollstuhl für ihn unverzichtbar geworden – ein weiterer Rückschritt für das Kind, das am liebsten immer mittendrin wäre, entweder kurz auf zwei Beinen oder auf dem Po oder gekrabbelt. „Tyler versteht, dass er vieles nicht mehr kann“, erklärt Detzner. Das mache ihn oft traurig. „Er ist vom lebenslustigen Jungen zum hilflosen Patienten geworden“, beschreibt die Mutter den Zustand ihres Kindes, der es ihr schwer macht, berufstätig zu sein und noch schwerer, Tylers Zustand hilflos mitansehen zu müssen.

Im Rückblick ist sie froh, dass sie von Tylers Krankheit „Stück für Stück“ erfahren hat. „So konnte ich alles besser verarbeiten.“ Jetzt heißt es für die Familie, dem Jungen das zu bieten, was für ein erfüllteres Leben mit Coffin-Lawry-Syndrom geht.

 

Spendenaktion

https://www.gofundme.com/f/fur-meinen-neffen-tylerjoel

 

Stichwort

Das Coffin-Lawry-Syndrom ist eine genetisch bedingte seltene Fehlbildung, verursacht durch die Mutation eines X-Chromosoms. Benannt ist es nach den amerikanischen Kinderärzten Grange S. Coffin und R. B. Lowry, die den Gendefekt erstmals beschrieben haben. Im Verlauf der Krankheit bleiben Kinder in Wachstum, körperlicher und geistiger Entwicklung zurück. Sie reagieren auf geringe Reize mit einem kompletten Verlust der Körperspannung. Mit zunehmendem Alter kommt es zu Skoliose, die zu Atemstörungen führen kann. Die Mutation hat bei Jungen wesentlich stärkere Auswirkungen als bei Mädchen.

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