Kulturspiegel Musik aus England – ein Jahr nach der Krönung von King Charles III.

Vor einem Jahr bei der Krönung von King Charles III. in London, zur Zeit als Cleopatra in Händels Oper „Giulio Cesare in Egitto“
Vor einem Jahr bei der Krönung von King Charles III. in London, zur Zeit als Cleopatra in Händels Oper »Giulio Cesare in Egitto« an der Oper in Frankfurt: die südafrikanische Primadonna Pretty Yende.

In Schwetzingen gibt es in Kürze Purcells „King Arthur“, an der Oper Frankfurt läuft gerade der vor 300 Jahren uraufgeführte „Giulio Cesare“ des Krönungskomponisten Händel.

Am 6. Mai vor einem Jahr wurde in der Westminster Abbey in London King Charles III. in einer eindrucksvollen Zeremonie zum König gekrönt. Im reichhaltigen musikalischen Programm der Krönung, bei dem Händels Anthem „Zadok, the Priest“ nicht fehlen dürfte (es erklang bei allen Krönungen seit 1727), trat die südafrikanische Star-Sopranistin Pretty Yende auf. Sie trug dabei eine extravagante Robe von Designer Stéphane Rolland und ebensolchen Schmuck von Graff Diamonds. Zu Händel und Pretty Yende, die beide einen Bezug zur (Kur)Pfalz haben, gleich mehr.

Westminster Abbey ist ja als Grablege der britischen Monarchen eine dem Speyerer Dom nicht unähnliche Kirche. Dort sind freilich keine Kaiser, aber viele Königinnen und Könige – sowie Künstler und andere berühmte Frauen und Männer Britanniens bestattet.

Das Grab von King Arthur nicht darunter, denn ob der wirklich gelebt hat, ist sehr zweifelhaft. Als legendären Figur war und ist er auf die Insel aber sehr „lebendig“. Ein besondere schöne künstlerische Verarbeitung des „King Arthur“ stammt von John Dryden und Henry Purcell mit deren Semi-Oper oder Schauspiel mit Musik. Es wird am 19. und 20. Mai im Rokokotheater bei den Schwetzinger SWR Festspielen aufgeführt. Purcell und Dryden sind nun aber in der Westminster Abbey bestattet. Der Dichter Dryden starb am 1. Mai 1700 und wurde in Westminster Abbey am 13. Mai jenes Jahres zu Grabe getragen. Purcell war schon 1695 gestorben. In seinem Grabspruch heißt es unter anderem: „Er ist nun in dem gebenedeiten Ort, dem einzigen, wo seine Harmonien übertroffen werden können.“

Landauer Preisträgerin

Texte von John Dryden hat in seiner Cäcilien-Ode und dem „Alexanderfest“ auch Georg Friedrich Händel vertont, der bekanntermaßen auch in Westminster Abbey begraben ist. In der Kurpfalz war der Hallenser nicht, wohl aber bei dem damaligen Kurfürsten von der Pfalz, dem legendären „Jan Willem“, der – weil das Heidelberger Schloss kaputt war – in Düsseldorf residierte. Johann Wilhelm aber war es, der den Wiederaufbau der Sommerresidenz Schwetzingen in Auftrag gab. Und was hat die oben Pretty Yende mit der Pfalz zu tun? Sie gewann 2011 den Emmerich-Smola-Förderpreis in der Landauer Festhalle – und ist die bis heute prominenteste Gewinnerin. Derzeit ist sie gar nicht weit weg von hier zu hören – an der Frankfurter Oper. Und das mit Händel, als Cleopatra in dessen Oper „Giulio Cesare in Egitto“, die heuer ihren 300. Geburtstag feiert.

Es war das Rollendebüt von Pretty Yende als ägyptische Herrscherin – und sie setzte dabei Zeichen in einer bemerkenswerten und eindrucksvollen Einstudierung der Oper.

Händel war lange ein rarer Gast in den Spielplänen der großen Opernhäuser, wenn, dann erklangen seine Opern vor allem bei den einschlägigen Festivals in Göttingen (seit 1920), Halle (so regelmäßig seit 1952) und Karlsruhe (seit 1978). Vor ziemlich genau 30 Jahren aber begann Sir Peter Jonas an der Bayerischen Staatsoper München just mit dem „Giulio Cesare“ seine längst legendäre Barockoper- und Händel-Reihe. An der Isar gibt es schon länger nicht mehr so viel Händel, wohl aber am Main. Die Oper Frankfurt, der „Opernhaus des Jahres“ widmet sich unter Intendant Bernd Loebe konsequent dem barocken Meister. Und das zumeist in Produktionen, die – etwas anders als in München – die Stücke nicht als schrilles Spektakel vorstellen, sondern versuchen, in ihre tiefen musikalischen und inhaltlichen Schichten einzudrringen. Bei unterschiedlichen Regieteams führt das zu unterschiedlichen Lösungen und Ergebnissen, aber die Grundtendenz ist erkennbar.

1993 auch in Schwetzingen

Es gibt von „Giulio Cesare in Egitto“ viele bunte, schräge, lustige Inszenierungen, zum Beispiel die legendären von Peter Sellars oder eben Richard Jones 1994 in München. Aus der ist ja der fallende Dinosaurier in die Theatergeschichte eingegangen. In Schwetzingen wurde die Oper übrigens schon vor 31 Jahren bei den Festspielen in Koproduktion mit der Komischen Oper Berlin in der Regie von Harry Kupfer einstudiert, auch das war eine schillernde Sache.

Bei der Inszenierung von Nadja Loschky, die damit jetzt in Debüt an der Oper in Frankfurt gab, ist im weitgehend schwarz-weißen Bühnenbild von Etienne Pluss und den ausgetüftelten Kostüme von Irina Spreckelmeyer der Rahmen eher streng. Weder gibt es altägyptische oder altrömische Maskerade noch barocken Prunk. Die Oper spielt hier nicht an einem konkreten äußeren Ort, sondern

in der Tendenz in Seelenräumen – und in einem ununterbrochenen Zeitfluss. So ziehen nämlich in einem Zeitband die verschiedenen Räume vor den Augen des Publikums vorbei.

Psychologisch präzise

Es ist eine ernste, nachdenkliche und psychologisch präzise Sicht auf den Stoff und damit vor allem auch auf die Musik, deren Ausdrucksdimensionen hier differenziert durchleuchtet werden. Das macht die Einstudierung stark und spannend. Die Regisseurin arbeitet viel mit symbolischen Gesten, nicht selten auch mit traum-, mehr noch alptraumartigen Sequenzen. Über vier Stunden wird 300 Jahre nach der Uraufführung das Werk aus heutiger Sicht aufgegriffen.

Pretty Yende singt in diesem Zusammenhang eine nicht auf virituose Glanz, sondern auf Innigkeit ausgerichtete Cleopatra. Die Pianokultur der Sängerin ist superb. Sie macht überhaupt niemals eine vokale Show, vermittelt damit aber der Partie eine ungewöhnliche, aber sehr berührende und überzeugende Zartheit .

Schlicht sensationell ist der Vortrag von Bianca Andrew als Sesto. Die Mezzosopranistin verbindet Wohllaut, optimales Stilgefühl und authentischen Ausdruck in wundervoller Weise. Sehr erlesen singt Zanda Švede die leidgeprüfte Cornelia, während der Countertenor Nils Wanderer dem Schurken Tolomeo eine sehr pointierte Gestalt verleiht. Als Achilla überzeugt Božidar Smiljanic durch baritonale Pracht. Eine regelrechte Entdeckung ist der junge Counter Iurii Iushkevich als Nireno.

Ein weiterer Opern-Geburtstag

Als Giulio Cesare tritt der amerikanische Countertenor Lawrence Zazzo auf, der schon bei einigen Frankfurter Händel-Produktionen dabei war. Er verfügt über die gebotene Ausstrahlung und sängerische Sicherheit für die Rolle, verlegt sich aber viel mehr darauf, den Charakter des Cäsar, wie Händel ihn in den vielen Arien und anderen Gesangsstücken entfaltet hat, nachhaltig herauszuarbeiten.

Zazzo sang 2019 und zuletzt 2022 die Titelrolle in „Tamerlano“ im Bockenheimer Depot. Die dort mit großem Erfolg gespielte Inszenierung von R. B. Schlather machte die Abgründe dieser gewiss düstersten aller 42 Opern Händels in zum Teil zugespitzen Bildern und einem ungewöhnlichen Bühnenaufbau (das Orchester sitzt mitten in der Szene in einem Käfig) offenkundig – und Lawrence Zazzo lieferte auch dort ein packend vielschichtiges szenisches und sängerisches Rollenporträt. „Tamerlano“ ist die andere Oper Händels, deren 300. Geburtstag in diesem Jahr ansteht.

Noch drei Vorstellungen des „Giulio Cesare in Egitto“ gibt es in dieser Spielzeit, am 8., 10. und 18. Mai (www.oper-frankfurt.de).

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