Rheinpfalz Die Entlarver-App

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Magdeburger Forscher haben ein Programm entwickelt, das Handys zu tragbaren Labors macht: Wer im Supermarkt wissen möchte, wie viel Spritzmittel auf dem Obst ist, der hält einfach drauf. Und das ist nur der Anfang.

Die Weintrauben und Äpfel im Supermarkt werden spottbillig angeboten. Sie sehen verlockend aus. Aber geht das alles mit rechten Dingen zu? Ist das Obst vielleicht mit Spritzmitteln oder anderen Giften vollgesogen? Das soll man demnächst in Sekundenschnelle feststellen können. Dafür braucht es bloß ein Smartphone mit Kamera – und eine App. Die heißt „HawkSpex (R) mobile“ und ist von einem Team um den Ingenieur Udo Seiffert am Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung in Magdeburg entwickelt worden. Zuerst macht man die App an und stellt ein, zu welcher Kategorie das gehört, was man analysiert haben will, also Äpfel. Danach wird das Telefon mit dem Bildschirm voraus auf das Obst gerichtet. Jetzt blinken auf dem Display nacheinander Lichter in den Farben Weiß, Schwarz, Rot, Grün und Blau und die eingebaute Frontkamera für die Selfies zeichnet das von den Äpfeln zurückgeworfene Licht in den verschiedenen Wellenlängen auf. Die App vergleicht das von der Kamera aufgefangene Reflexionsmuster mit denen, die in einer Datenbank hinterlegt sind. Und spezielle Algorithmen berechnen, welche chemischen Substanzen auf dem Obst da ihr Licht aussenden. Bisher wurden für solche Messungen Hyperspektralkameras benötigt, die allerdings kostspielig und schwer zu handhaben sind. „Das Besondere an unserer App: Der Anwender braucht für die Messung nichts weiter als die Kamera, die ohnehin in seinem Smartphone integriert ist“, erklärt Udo Seiffert. „Wir haben mit der Kamera einen breitbandigen, dreikanaligen Sensor – also einen, der alle Wellenlängen misst – und beleuchten den Gegenstand mit Licht unterschiedlicher Farbe.“ Der Ingenieur und seine Kollegen sind überzeugt, dass ihre App nahezu universal einsetzbar ist. Das Programm soll irgendwann nicht nur testen, ob Obst und Gemüse aus biologischem Anbau stammen und wie frisch Fleisch ist, sondern auch Drogen scannen. In der Landwirtschaft könnte die App eingesetzt werden, um mit minimalem Aufwand herauszufinden, welche Pflanzen gut versorgt sind und welche dringend Dünger brauchen. Man könne das Programm auch dazu benutzen, die Qualität von kosmetischen Produkten zu überprüfen, glauben die Forscher. Und es soll Mängel an Gebrauchtwagen aufspüren: Dann würde es etwa anzeigen, ob der Lack überall exakt den gleichen Farbton hat. Wenn nicht, muss das Fahrzeug an dieser Stelle ausgebessert worden sein. Alle Einsatzmöglichkeiten zu entdecken, dazu sind die Handybesitzer eingeladen. Sie sollen helfen, die App ständig weiterzuentwickeln – so ähnlich wie es die Wikipedia-Nutzer tun, betonen die Fraunhofer-Forscher. Ende des Jahres soll die Magdeburger App auf den Markt kommen. Im Moment wird ihr noch beigebracht, eine ganze Reihe von Substanzen zu erkennen, indem sie Spektralanalysen vergleicht und dabei lernt.

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