Fernsehen 20 Jahre „Dschungelcamp“

Wurde 2004 erster „Dschungelkönig: Costa Cordalis.
Wurde 2004 erster "Dschungelkönig: Costa Cordalis.

Die Kandidaten der neuen Staffel dürfen nicht auf Sentimentalitäten hoffen. Ohne Krabbelgetier und Zoff am Lagerfeuer wäre das Format nicht, was es ist.

Neil Armstrong war der erste Mensch auf dem Mond, Edmund Hillary und Tenzing Norgay die ersten auf dem Mount Everest und Costa Cordalis der erste, der für das deutsche Fernsehen in die Schlangengrube stieg. Im Januar 2004 leistete der Schlagerbarde mit der schwarzen Mähne Pionierarbeit. Cordalis war damals der erste Kandidat, der für die ganz neue Show „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“ im fernen Australien in eine sogenannte Dschungelprüfung ging und sich zur Erheiterung des Publikums malträtieren ließ. Kaum absehbar war damals, wie viele seinem Vorbild folgen würden.

2024 gibt es das RTL-Dschungelcamp immer noch, nun seit genau 20 Jahren. Von Claudia Effenberg bis Rainer Langhans, von Dolly Buster bis Thomas Häßler wurden seitdem allerlei Promis (mehr oder minder) durch das Pritschenlager geschleust. Am Freitag beginnt die neue Staffel.

„Endlich mal wieder stattfinden“

Im Jubiläumsjahr hat sich unter anderem Schauspieler Heinz Hoenig entschlossen, seinen in großen TV-Filmen errungenen Ruhm in Australien weiterzuverwerten. Neben ihm ziehen allerdings auch einige Neu-Prominente ein. Etwa Sänger und Musiker Twenty4Tim, der mehrere Nummer-eins-Hits vorzuweisen hat. Auch Lucy Diakovska, einst Sängerin bei der Casting-Gruppe No Angels, macht mit. Was das Format für viele Beteiligte attraktiv machen dürfte, sprach Designerin Sarah Kern – auch dabei – freimütig aus: Sie wolle endlich „mal wieder stattfinden“, sagte sie RTL.

Dass der Dschungel Rampe für neuen Ruhm sein kann, das hat sich in den vergangenen Jahren in C-Promi-Deutschland rumgesprochen. Am Anfang war das noch anders. Die ersten Protagonisten ahnten nicht so richtig, worauf sie sich eingelassen hatten. „Wir wussten gar nicht, was die mit uns vorhatten in diesem Camp“, gab Costa Cordalis 2015 zu. Dabei gab es die Show eigentlich schon seit 2002 in Großbritannien. Ins deutsche Camp zogen unter anderem Moderatorin Caroline Beil und Musiker Werner Böhm (Gottlieb Wendehals) ein. Aus damaliger Sicht Halbprominente, von denen man annahm, dass sie im Januar einfach nichts zu tun hatten.

Dem Wimmern nahe

Spätestens als Casting-Kandidat Daniel Küblböck (DSDS), damals 18 Jahre alt, in einer Prüfung 30.000 Kakerlaken entgegenzitterte, wurde das Format großes Gesprächsthema. Bis dato waren Stars im deutschen Fernsehen meist in sterilen TV-Studios ein wenig verulkt worden. Nun lagen sie wie Küblböck dem Wimmern nahe in einem Glassarg am anderen Ende der Welt und kämpften um Sterne. „Ekel-TV“, so lautete ein Vorwurf.

Die Quoten aber waren herausragend. Die erste Dschungel-Staffel kam nach RTL-Angaben auf einen Marktanteil von durchschnittlich 31,3 Prozent. „Es gab damals nichts Vergleichbares im deutschen Fernsehen“, erinnert sich RTL-Unterhaltungschef Markus Küttner. „Die Sendung war lauter und extremer als alle anderen TV-Sendungen zu dieser Zeit und hat daher recht stark polarisiert.“ Damals habe man sich auf das Dschungelcamp eingelassen, weil man an das Format geglaubt habe.

Mit den Jahren änderte sich das Image des Dschungel-Zirkus, obwohl weiter Fischeingeweide und „Kotzfrüchte“ aufgefahren wurden. Was früher vermeintlich Doof-TV für schlichte Gemüter gewesen war, wurde zunehmend als Kammerspiel für ein vom grauen Januar ermattetes Bildungsbürgertum verkostet. Großes Theater, nur eben mit Tierhoden. „Das Dschungelcamp ist neben „Wetten, dass ..?“ das letzte verbleibende Lagerfeuer des traditionellen Fernsehens, das eine große Reichweite besitzt“, sagt die Medienwissenschaftlerin Joan Bleicher.

Großes Theater, nur eben mit Tierhoden

Bleicher spricht von einer „Mixtur aus Erfolgselementen“ verschiedener Genres, die im Dschungel aufgehe - darunter „das exotische Setting von Tarzan- oder anderen Abenteuerfilmen“, das „dramaturgische Prinzip des offenen Ausgangs von Gameshows“ und „Bekenntnisshows durch Lebensbeichten am Lagerfeuer“. Die Comedy steuert das Moderatoren-Duo Sonja Zietlow und Jan Köppen mit seinen Kommentaren bei, die wie in einem Theaterstück vorgetragen werden. In keiner Dschungel-Chronik fehlen darf Schauspielerin Ingrid van Bergen, die 2009 – damals 77 – mit all ihrer Rest-Grandezza lebende Maden herunterwürgte und gewann.

Costa Cordalis selbst, der 2019 starb, zeigte sich zeitlebens zufrieden mit seiner Entscheidung mitzumachen; auch er gewann die Staffel, wurde erster „Dschungelkönig“. Die Schlangengrube war damals nicht das größte Problem. Mit der Teilnahme habe er seine Ehe gefährdet, berichtete er später. Ehefrau Ingrid habe mit Scheidung gedroht.

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