Leitartikel Der Hass der Mullahs auf Israel

Ayatollah Ali Khamenei, Oberster Religionsführer des Iran.
Ayatollah Ali Khamenei, Oberster Religionsführer des Iran.

Die Feindschaft zu Israel ist eines der Fundamente des iranischen Staates. Dennoch ist die Israelpolitik des Teheraner Regimes vielschichtiger, als es die harschen Töne der Mullahs vermuten lassen.

Irans Präsident Ebrahim Raisi drohte kürzlich Israel mit einem vernichtenden Angriff. Nichts werde „vom zionistischen Regime“ übrig bleiben. Sein Vorgänger Mahmud Ahmadinedschad forderte, der Judenstaat müsse von der Landkarte getilgt werden. Die Feindschaft zu Israel ist ein wichtiger Grundpfeiler der Islamischen Republik Iran. Aber trotz der häufigen Drohungen aus Teheran ist das Verhältnis des Iran zu Israel vielschichtiger, als es auf den ersten Blick erscheint.

Beide Staaten waren einst enge Partner. Persien war nach der Türkei das zweite muslimische Land, das Israel nach der Staatsgründung von 1948 anerkannte. Bis zur islamischen Revolution 1979 waren Israel und Persien, wie Iran damals hieß, Verbündete der USA in Nahost.

Problemematische Zusammenarbeit

Die Zusammenarbeit hatte aber auch ihre Schattenseiten. So bildeten die Israelis die Schergen des persischen Geheimdienstes Savak aus, der jeglichen Widerstand gegen den autoritär regierenden Schah brutal unterdrückte. Viele islamische Geistliche und Aktivisten wurden von Savak-Agenten inhaftiert und gefoltert. Das scheinen Irans Kleriker den Israelis bis heute nicht verziehen zu haben.

Als die islamische Revolution den Schah stürzte, wandte sich der Iran gegen Israel. Ajatollah Ruhollah Khomeini, Gründer der Islamischen Republik, verstand sich als islamischer Revolutionär und Anti-Imperialist. Seitdem gilt Israel als „kleiner“ und die USA als „großer Satan“.

Schutzmacht von Hisbollah und Hamas

Die Feindschaft zwischen Iran und Israel verfestigte sich in den folgenden Jahrzehnten. Israel setzte alles daran, das iranische Atomprogramm zu stören. Es ließ iranische Offiziere und Atomwissenschaftler töten. 2002 forderte Israels Premier Ariel Sharon, der Westen solle nach der Invasion im Irak einen Krieg gegen den Iran beginnen, um das Mullah-Regime zu stürzen. Iranische Agenten wiederum töteten 1994 bei einem Anschlag auf ein jüdisches Gemeindezentrum in Argentinien 85 Menschen. Der Iran unterstützt aktuell Terrorgruppen wie die Hisbollah im Libanon und die Hamas im Gaza-Streifen.

Israel und die USA zu verteufeln und zu Sündenböcken für Krisen in der Region und Missstände in Iran zu stempeln, dient der Führung in Teheran dazu, ihre Bürger bei der Stange zu halten. Staatsgründer Khomeini selbst hat jedoch nie die Zerstörung des jüdischen Staates gefordert, sondern einen Regimewechsel in Israel – eine Unterscheidung, auf die auch Khomeinis Nachfolger Khamenei Wert legt, der bestreitet, die jüdische Bevölkerung ausradieren zu wollen. Dieser Ansatz prägt die iranische Nahost-Strategie. Nicht die Zerstörung Israels ist Teherans Hauptziel, sondern die Vertreibung der USA aus Nahost. Ein Versuch, den jüdischen Staat zu vernichten, würde Washington auf den Plan rufen, das seinem Partner beistehen und womöglich den Iran angreifen würde.

Auf ewig Todfeinde?

In der Auseinandersetzung mit Israel ist Irans Führung flexibler, als es ihre harschen Töne vermuten lassen. Das gilt auch für mögliche Lösungen des Nahostkonflikts. Ein Nebeneinander von Israel und einem Palästinenserstaat ist für den Iran nicht unvorstellbar. Er würde wohl jede Lösung mittragen, wenn sie von den Palästinensern akzeptiert wird. Freunde werden der Iran und Israel nicht mehr – aber sie müssen auch nicht ewig Todfeinde bleiben.

Thomas Seibert ist Korrespondent der RHEINPFALZ.
Thomas Seibert ist Korrespondent der RHEINPFALZ.
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