Justiz Zäher Auftakt des Verfahrens um Beobachtung der AfD

Verhandlung im Foyer statt im Sitzungssaal: Blick in die Innenhalle des nordrhein-westfälischen Oberverwaltungsgerichts in Münst
Verhandlung im Foyer statt im Sitzungssaal: Blick in die Innenhalle des nordrhein-westfälischen Oberverwaltungsgerichts in Münster mit einem Kunstwerk des Koreaners Ung-Pil Byen.

Die AfD gegen die Bundesrepublik – dieser Fall wird vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster verhandelt. Die Partei wehrt sich gegen die Beobachtung durch den Verfassungsschutz. Ein zähes Ringen um Grundsätze der Demokratie.

Die beiden Skulpturen passen erstaunlich gut zu dem, was sich vor ihnen abspielt. Wegen des großen öffentlichen Interesses – etwa 200 Medienvertreter und Zuschauer sind zugelassen – findet die mündliche Verhandlung nicht einem der üblichen Sitzungssäle des Oberverwaltungsgerichts für Nordrhein-Westfalen statt, sondern in der großen Innenhalle des Gebäudes. Dort hocken die überlebensgroßen „Zwei Menschen“ des koreanischen Künstlers Ung-Pil Byen; sie harren langmütig der Dinge.

Und Geduld ist an diesem Tag gefragt. Der Prozessbevollmächtigte der AfD, Christian Conrad, beantragt zunächst eine Vertagung. Es sei nicht genügend Zeit gewesen, auf im Januar eingebrachte Unterlagen einzugehen. Dabei geht es um zusätzliche etwa 4000 Seiten und Dutzende Stunden Videomaterial vom Bundesamt für Verfassungsschutz. Als der Senat das ablehnt, folgt ein Befangenheitsantrag. Auch der hat keinen Erfolg.

Längliche Beweisanträge

Nun beantragt Conrad noch den Ausschluss der Öffentlichkeit, um Verschlusssachen zu erörtern. Also müssen alle raus aus dem Gebäude, bis der Vorsitzende Richter Gerald Buck festgestellt hat, dass keine Gefährdung der Staatssicherheit droht. Schließlich stellt die klagende AfD längliche Beweisanträge. Das alles dauert, sodass erst nach knapp vier Stunden in die eigentliche Erörterung der Sache eingestiegen werden kann. Der Bevollmächtigte der beklagten Behörde, Wolfgang Roth, spricht schon von „Prozessverschleppung“.

Es steht viel auf dem Spiel in einem Jahr mit Europawahl und Landtagswahlen in drei ostdeutschen Bundesländern, wo die AfD stark ist. Die Kernfrage: Gibt es tatsächliche Anhaltspunkte, wie es formell heißt, für verfassungsfeindliche Bestrebungen in der Partei und in ihrer Nachwuchsorganisation Junge Alternative, die eine nachrichtendienstliche Beobachtung rechtfertigen? Der Verfassungsschutz sieht das aufgrund einer umfangreichen Materialsammlung (insbesondere Äußerungen von Funktionären) seit einigen Jahren so und führt die AfD als sogenannten Verdachtsfall. Die Partei widerspricht. Entsprechende Klagen wurden 2022 aber vom Verwaltungsgericht Köln abgewiesen. Jetzt steht in Münster die Berufung an.

Entlastende Indizien?

Hier setzt die AfD offensichtlich auf ein neues Gutachten des Bundesamtes. Medienberichten zufolge ist das schon vorbereitet, damit laufe es auf die nächste Stufe hinaus: dass die AfD als gesichert rechtsextremistisch eingestuft wird. Anwalt Conrad ist dagegen überzeugt, dass das Gutachten sogar schon fertig ist, aber ein ganz anderes Ergebnis hat. Man gehe davon aus, dass darin „erhebliche entlastende Indizien“ enthalten sind. Deshalb solle das Gutachten in die Verhandlung eingebracht werden. Der Anwalt der Gegenseite sagt indes: Ein fertiges Gutachten gebe es nicht, „nur Entwürfe“.

Eine Hautargumentationslinie der Klageseite ist, dass eine Beobachtung der vom Grundgesetz besonders geschützten politischen Parteien verfassungswidrig sei. „Wir operieren am offenen Herzen der Demokratie“, sagt Conrad. Der Verfassungsschutz handele politisch motiviert, versucht der Anwalt zudem nachzuweisen.

Parteiverbot steht nicht zur Debatte

„Es geht um gewichtige Eingriffe“, hatte der Vorsitzende Richter schon zuvor die Bedeutung des Verfahrens in Münster umrissen. Gleichzeitig stellte er klar, dass keine Hinweise zu erwarten seien, wie von staatlicher Seite weiter mit der AfD zu verfahren ist – also mit Blick etwa auf ein immer wieder ins Spiel gebrachtes Parteiverbotsverfahren –, ohne dass Buck das explizit anspricht. Der Senat werde sich über den Verfahrensgegenstand hinausgehenden Fragen enthalten, kündigt er an.

Am Mittwoch wird weiterverhandelt. Die AfD-Vertreter kündigten an, womöglich 210 individuelle Beweisanträge zu Quellen und V-Leuten des Verfassungsschutzes innerhalb der Partei stellen zu wollen. Das dürfte 25 Stunden dauern, so ihre Schätzung.

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