Rheinpfalz Der Wille muss schon da sein

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Fitnessarmbänder oder die Bewegungsapps in Handys bringen nur etwas, wenn man wirklich etwas tun will, sagt eine Studie.

Da sitzt er an seinem Schreibtisch einem friedlich gegenüber, der Kollege, und arbeitet konzentriert. Plötzlich springt er auf: „Oh, meine Uhr sagt mir, ich muss mich bewegen!“ Und dann läuft er über den Gang. Normale Fitnessarmbänder – neudeutsch: Aktivitätstracker – tun so etwas nicht, sie zeichnen bloß auf, wie aktiv man körperlich war den lieben langen Tag über. Handys können das übrigens auch. Aber die Uhr mit dem angebissenen Apfel, die brummt halt auch. Was bringen solche Apps und wer benutzt sie eigentlich? Mit diesen Fragen hat sich das Offis beschäftigt, das Institut für Informatik in Oldenburg. Über 100 Teilnehmer beobachteten die Forscher zweieinhalb Jahre lang. Ihr Fazit: „Aktivitätstracker sind sicher keine Wunderwaffe gegen Bewegungsmangel und Übergewicht. Ob sie etwas bewirken, liegt zunächst einmal am Nutzer und seiner Bereitschaft, eine Wirkung zuzulassen. Doch dann sind sie höchst nützliche Werkzeuge für die eigene Gesundheit und das eigene Wohlergehen.“ Ein geradezu salomonisches Urteil. Das Durchschnittsalter der Trackernutzer liegt bei deutlich über 40 Jahren, haben die Offis-Forscher festgestellt; meist sind es Leute, die sich für den neuesten technischen Schnickschnack interessieren. Einige „Power User“, haben die Studien des Offis gezeigt, benutzen ihr Selbstüberwachungsgerät monatelang von morgens bis abends. Der Rest hat es ein paar Tage an, lässt es ein paar Tage liegen und belohnt sich damit für die super Schrittzahl, die er schon erreicht hat; oder vergisst es nach der Anfangsbegeisterung im Eck. Und ein Teil der Teilnehmer überprüft in regelmäßigen, aber längeren Abständen, dass er sich noch immer im grünen Bereich bewegt. Vor diesem Hintergrund hat sich das Offis gefragt, ob die Tracker überhaupt etwas bringen. „Viele Anwender möchten ihr eigenes Verhalten besser verstehen und Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Werten, wie beispielsweise der Aktivität und dem Gewicht, erkennen“, haben die Wissenschaftler festgestellt. „Für die einen ist es der letzte Anstoß, sich endlich einen Hund anzuschaffen und so regelmäßig rauszukommen und andere nehmen die Auswertungen sogar zum Anlass, die nicht nur ungeliebte, sondern auch ungesunde Arbeitsstelle zu wechseln“, schreibt das Offis. Allerdings halten die Überwacherapps nicht immer, was sie versprechen. Wer nachts das Armband anbehält, um seinen Schlaf zu messen, die Ruhe-, Herz- oder Atemfrequenz zum Beispiel, der müsse sich auf Unbequemlichkeiten einstellen, meinen die Experten. Denn der Tracker muss die ganze Zeit am Arm getragen werden und hält die Bewegungen in der Nacht fest – wer sich viel hin- und herwirft schläft schlechter und weniger tief, als jemand, der sich friedlich an einer Stelle zusammenrollt. „Das klappt überraschend gut, nur komfortabel und praktikabel ist das kaum“, sagt die Oldenburger Erhebung. Besser sei es aber, bei Schlafmessungen auf andere Geräte zurückzugreifen, bei denen dünne Messstreifen oder Matten auf die Matratze geklebt oder druntergelegt werden. Wichtig kann eine solche Überwachung etwa bei Atemaussetzern sein. Dann ist es aber ohnehin besser, sich an einen Arzt zu wenden. In Verbindung mit weiteren Apps und durch die Vernetzung mit anderen Geräten und dem Internet könnten die Tracker ihren Benutzern Zusammenhänge wie eine schleichende Gewichtszunahme und schlechtere Fitnesswerte klarmachen. Ob der Träger des Fitnessarmbands aber daraus auch seine Konsequenzen ziehe, das stehe auf einem anderen Blatt, meint das Offis. Wenn jemand überhaupt keine Lust habe, etwas zu verändern, dann nütze auch die Technik nichts: „Durch einen Tracker allein wird eine Couch-Potato nicht zum Marathonläufer.“ Gibt es eine grundsätzliche Bereitschaft, mehr für sich zu tun, dann sollte das Ziel – etwa 10.000 Schritte am Tag zu tun – nicht zu weit von dem entfernt sein, was man ohnehin schon macht, raten die Forscher. Sonst gibt es nur Frust. „Ambitionierte, aber realistische Ziele sind also hier ein wichtiger Punkt“, so das Offis. „Und wer das Ziel erreicht hat, freut sich, wenn er vom Tracker regelmäßig die Belohnung für gutes Verhalten bekommt.“ Brumm. Eben springt der Kollege auf. Es muss gebrummt haben an seinem Handgelenk. Dann laufen wir mal mit ihm über den Gang. So aus Solidarität und so.

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