Reise 75 Jahre Grundgesetz: Zeitreise in die Bonner Republik

75 Jahre Grundgesetz: Kleine Zeitreise in die Bonner Republik
Zweiter Amtssitz des Bundespräsidenten: die Villa Hammerschmidt.

Am 23. Mai 1949 wurde in der einstigen Hauptstadt der Bundesrepublik das Grundgesetz verkündet. Im Regierungsviertel von einst wandeln Besucher auf den Spuren der Demokratie.

Bonn (dpa/tmn) - Ruhig ist es in der Villa Hammerschmidt, dem Bonner Dienstsitz des Bundespräsidenten. Nur wenig dringt vom Straßenlärm der nahen Adenauerallee in die umd das Jahr 1869 erbaute weiße Villa.

Pompös ist sie nicht, eher von dezenter Eleganz mit ihrem Mobiliar im Empirestil. Bilder der Fotografen Hugo Erfurth und August Sander zeigen Porträts bedeutender deutscher Persönlichkeiten und Menschen in der Weimarer Republik, etwa eine Bauernfamilie und einen Konditor bei der Arbeit.

«Die Villa Hammerschmidt ist ein Haus für die Bürger», so heißt es im Umfeld des Bundespräsidenten zur Rolle des strahlenden, weißen Bauwerks. Davon können sich am Samstag, 25. Mai 2024, die Besucher überzeugen. Zahlreiche Gäste werden an diesem Festtag der Demokratie erwartet.

Der Anlass: Am 23. Mai 1949 wurde das Grundgesetz als Verfassung der Bundesrepublik nur ein paar hundert Meter von der Villa Hammerschmidt entfernt in der ehemaligen Pädagogischen Akademie verkündet und von den Abgeordneten des Parlamentarischen Rates unterzeichnet.

Regierungssitz und Bundeshauptstadt

Es war die Geburtsstunde der Demokratie nach dem Zweiten Weltkrieg und der Beginn der Bonner Republik. Die über 2000-jährige Römerstadt am Rhein mit damals gerade mal 100.000 Einwohnern wurde in der Folge am 3. November 1949 von den Parlamentariern zum Regierungssitz und zur Bundeshauptstadt gewählt.

75 Jahre danach wird Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in seinem Bonner Dienstsitz die Besucher begrüßen. Er wird im Dialog mit den Bürgern sein, dabei von deren Nöten und Sorgen in diesen unruhigen Zeiten hören.

Am Festtag der Demokratie können neben der Villa Hammerschmidt das ehemalige Kanzleramt - heute Dienstsitz des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung - mit dem Kanzlerbüro und Kabinettssaal besucht werden. Im Park wartet der Kanzlerbungalow.

Der lichtdurchflutete Flachbau - 1963 im Auftrag von Bundeskanzler Ludwig Erhard vom Münchner Architekten Joseph Ruf geplant - wird manch einen Besucher mit seiner schlichten Klarheit überraschen. In nur einem Jahr Bauzeit wurde der Bungalow für zwei Millionen D-Mark inmitten einer weitläufigen Parkanlage errichtet.

Was Helmut Schmidt und Udo Jürgens eint

Der Empfangsraum zeigt das Mobiliar im Stil der 1960er-Jahre; schwere, schwarze Ledersessel nach den Entwürfen der amerikanischen Designer Charles und Ray Eames. Im angrenzenden Musikzimmer fällt der weiße Flügel auf, an dem Kanzler Helmut Schmidt und Udo Jürgens in die Tasten griffen.

«Nach Erhard nutzten die Bundeskanzler Kiesinger, Schmidt und Kohl den Bungalow als Wohnsitz. Willy Brandt allerdings nur zu offiziellen Terminen, da Brandts Sohn Matthias noch klein war und das Gebäude keine Kinderzimmer hat», sagt Judith Kruse. Die 60-jährige Politologin und Historikerin vom Museum Haus der Geschichte führt gelegentlich Besuchergruppen durch das denkmalgeschützte Haus und das ehemalige Kanzleramt.

Im Kanzlerbungalow wurde Geschichte geschrieben, im Juni 1989 bei den Gesprächen zwischen Bundeskanzler Helmut Kohl und dem sowjetischen Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow. Historikerin Kruse: «Das Ende des Kalten Krieges, die Basis für die deutsche Wiedervereinigung, festgeschrieben von den beiden Staatslenkern in einer «Gemeinsamen Erklärung»».

Demokratie erlebbar machen lautet das Motto des Jubiläumstages am 25. Mai. Daher sind auch der normalerweise verschlossene ehemalige Plenarsaal - heute Teil des World Conference Center - und der Bonner Dienstsitz des Bundesrates für Besucher geöffnet. Gäste sollten ihren Personalausweis oder Reisepass mitführen, da es aus Sicherheitsgründen Eingangskontrollen gibt.

25.000 Besucher und vielleicht noch viel mehr werden an diesem Festtag im ehemaligen Regierungsviertel erwartet. Wer den Trubel scheut, kann aber auch im Sommer kommen. «Das lohnt auf jeden Fall», sagt Gästeführerin Ulrike Just. Die 67-jährige Historikerin ist seit 30 Jahren mit Besuchern unterwegs. Sie gilt als ausgewiesene Kennerin des ehemaligen Regierungsviertels und hat so manche Anekdote zu erzählen.

Die Geschichte der Giraffe im Naturkundemuseum Koenig zählt dazu: «Hartnäckig hält sich das Gerücht, dass die Exponate des Museums, also Giraffen, Zebras, Elefanten und andere Savannentiere den Parlamentariern beim Festakt am 1. September 1948 anlässlich der Beratungen zum Grundgesetz über die Schulter geschaut hätten». Stimmt nicht, bekräftigt Just. Die präparierten Tiere waren mit Vorhängen abgedeckt, wie Fotos es belegen.

Am Naturkundemuseum Koenig beginnt Historikerin Just den Rundgang auf dem «Weg der Demokratie». Diese Zusammenstellung umfasst 65 historische Orte in Bonn selbst und darüber hinaus etwa das Hotel «Petersberg», Gästehaus der Bundesregierung, und die Wohnhäuser der Bundeskanzler Konrad Adenauer in Rhöndorf und Willy Brandt in Unkel rheinaufwärts.

Treffpunkt Bundesbüdchen

Von der Villa Hammerschmidt führt die Runde zum Palais Schaumburg und am Rheinufer vorüber an den Gebäuden von Bundesrat und Bundestag zum Wasserwerk, in dem das Parlament von 1986 bis 1992 tagte. Streng gesichert nebenan ist das ehemalige Abgeordnetenhochhaus Langer Eugen, heute Teil des ab 1996 geschaffenen UN-Campus.

Pause und kleine Stärkung am Bundesbüdchen, dem legendären Kiosk aus Bonner Regierungszeiten, Baujahr 1957. Kaffee und kühle Getränke, Brötchen und Croissants gibt es heute wie damals. Damals als Jürgen Rausch, heute 68 Jahre alt, und zuvor seine Mutter Christel zwischen 1984 und 2006 das Büdchen betrieben.

Kanzler Kohl ließ am Kiosk durch seinen Fahrer die Tagespresse abholen, Außenminister Joschka Fischer kaufte Asterix-Hefte, auch Arbeitsminister Norbert Blüm schaute des Öfteren vorbei. Das Büdchen war für viele Parlamentarier, Minister und Medienleute beliebter Treffpunkt zum ungezwungenen Gespräch und Meinungsaustausch - und hatte damit eine zwar informelle, aber nicht ganz unbedeutende Funktion für die Demokratie.

Tipps, Links, Praktisches

Reiseziel: Rund 340.000 Einwohner leben in Bonn, das von 1949 bis 1999 Regierungssitz war. Am 7. September 1949 fand in Bonn die konstituierende Sitzung des Ersten Deutschen Bundestages statt. Seitdem 1999/2000 Berlin Bundes- und Regierungshauptstadt wurde, haben Bundespräsident, Bundeskanzler und Bundesrat in der ehemaligen Bundeshauptstadt Bonn einen zweiten Dienstsitz.

Anreise: Mit der Bahn Köln-Koblenz bis Bonn Hbf, auf der Verbindung Köln-Frankfurt bis ICE-Bahnhof Siegburg/Bonn (www.bahn.de, https://eezy.nrw/de, www.vrs.de). Mit dem Auto ist man ab Berlin etwa sieben, ab München knapp sechs und ab Frankfurt am Main rund zwei Stunden unterwegs. Nächster Flughafen ist Köln/Bonn (www.koeln-bonn-airport.de), die Schnellbuslinie SB 60 bedient Bonn-Hauptbahnhof.

Unterkünfte: In der Gegend gib es eine große Auswahl an Hotels, Pensionen, Ferienwohnungen und Reisemobilstellplätzen.

Weg der Demokratie: Detaillierte Infos sind auf www.wegderdemokratie.de zusammengestellt. Elf der 65 Stationen pickt sich Gästeführerin Just im ehemaligen Regierungsviertel beim zweistündigen Rundweg mit ihren Besuchern heraus (Anmeldungen: +49/228/775000, E-Mail: bonninformation@bonn.de). Nach dem 25. Mai wird der Kanzlerbungalow für einige Monate geschlossen und saniert.

Weitere Auskünfte: www.bonn.de; www.bonn-region.de; www.hdg.de

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