Rheinland-Pfalz Angst im Ahrtal: 300 Einsätze nach Starkregen

Die Kellerwohnung hat’s erwischt. Starkregen im Ahrtal.
Die Kellerwohnung hat’s erwischt. Starkregen im Ahrtal.

Vollgelaufene Keller, überspülte Straßen: Bei vielen Menschen im Ahrtal hat das Erinnerungen an die Flutkatastrophe vor fast drei Jahren geweckt. Was diesmal in Mainz besser funktioniert hat.

Der Himmel über Bad Neuenahr-Ahrweiler ist noch grau und regnerisch, doch in den Straßen der Stadt gehen die meisten unaufgeregt ihren Geschäften nach. Hier und da räumen Anwohner mit Besen und Schaufeln Schlamm von den Straßen oder ducken sich vor dem Nieselregen weg. Doch wer am Freitag mit den Menschen im Landkreis Ahrweiler spricht, merkt ihnen ihre Anspannung noch an.

Am Donnerstagabend hat der Kreis Ahrweiler zum ersten Mal seit der Flutkatastrophe 2021 wieder die Einsatzleitung in einer akuten Lage übernommen. Starkregen führte in der Region laut Kreis zu 309 Einsätzen, davon 212 in Bad Neuenahr-Ahrweiler. „Ein Großteil dieser Einsätze umfasste schlussendlich vollgelaufene Keller, überspülte Straßen, überflutete Straßen“, sagt Landrätin Cornelia Weigand (parteilos). „Es gab zum Glück nach unserem Kenntnisstand keine Verletzten.“

Landkreis informiert engmaschig

Der Landkreis informierte am Donnerstagabend engmaschig über die Ereignisse. Rund 500 Kräfte von Feuerwehr, THW, DRK, Polizei und Bundeswehr waren demnach im Einsatz. Um 19 Uhr seien in Grafschaft und Bad Neuenahr alle Feuerwehrkräfte im Einsatz gewesen, so die Landrätin. Aus Mayen-Koblenz und Cochem-Zell seien Löschzüge angereist. Sie selbst sei gegen 20 Uhr von der Kreisverwaltung in die Räume der Einsatzleitung gegangen, sagt Weigand. Auch ein Meteorologe sei hinzugezogen worden. Gegen 1 Uhr in der Nacht seien die Einsätze beendet worden. Am Morgen habe sie mit Innenminister Michael Ebling und Ministerpräsidentin Malu Dreyer (beide SPD) telefoniert, sagt die Landrätin.

Neben der Information der Bürger und der Bewältigung des Unwetters stand am Donnerstag noch mehr auf dem Spiel: Der Landkreis musste und wollte zeigen, dass man aus der tödlichen Flutkatastrophe 2021 gelernt hat. Damals waren allein in der Ahr-Region 135 Menschen gestorben. Tausende Häuser wurden beschädigt, Infrastruktur einfach weggespült. Als eine Lehre daraus wird in Rheinland-Pfalz der Katastrophenschutz neu aufgestellt. Der damalige Landrat wurde wegen seines Verhaltens in der Katastrophennacht stark kritisiert. Die Ermittlungen gegen ihn wurden erst vor Kurzem eingestellt.

Traumatisierte Region

Der Starkregen vom Donnerstag ist mit der Katastrophe von 2021 nicht ansatzweise zu vergleichen. Dennoch handelte es sich laut Weigand um die größte Einsatzlage seit damals. Und der Regen trifft auf eine immer noch traumatisierte Region: Am Tag danach laufen in manchen Straßen noch Aufräumarbeiten. Lukas Kühnel geht mit seinem kleinen Hund auf den schlammigen Straßen spazieren. Am Abend habe es viel geregnet, erzählt er. „Hat sich schon sehr gut auf den Straßen angesammelt. Aber natürlich nichts im Vergleich zu dem vor drei Jahren“, sagt Kühnel. „Bei uns ist es ein bisschen über die Kellerfenster reingeflossen, das hat so ein bisschen Erinnerungen wachgerufen.“ Er habe dennoch ganz gut schlafen können. Sein Vater, dem das Haus gehöre, aber weniger.

Eine 72-Jährige kommt am Mittag vom Bäcker. „Bei uns gingen auch die Sirenen“, erzählt die Anwohnerin aus dem Stadtteil Ramersbach. „Zu meinem Mann habe ich am Abend noch gesagt: „Jetzt haben die an der Ahr doch wirklich wieder Angst. An die Menschen denke ich immer.“

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Am Tag vor dem Englisch-Abitur

Eine Anwohnerin aus Grafschaft berichtet ebenfalls von einem unruhigen Donnerstagabend. Für ihre Tochter habe am Freitag das Englisch-Abitur angestanden. „Ihre Mitschüler sind noch von 2021 traumatisiert und einige hatten keine ruhige Nacht“, sagt sie. Ihre Tochter sei wegen des Unwetters und ihrer Abiklausur auch etwas hektisch gewesen. „Irgendwann haben sie dann die Nachricht bekommen, dass das Abi stattfindet.“

Das Unwetter sei für die Menschen im Ahrtal „emotional keine einfache Situation“ gewesen, sagt Weigand. „Ich glaube, da braucht man nicht viel Fantasie. Wenn sie mit dem Leben davongekommen sind und es fängt wieder an zu regnen, dann wird es schwierig. Und wenn viel Regen angekündigt ist und viele Prognosen da sind, die vor Hochwasser warnen, dann wird es schwierig. “ Bei der aktuellen Lage setzte der Landkreis auf eingeübte Abläufe in der Einsatzleitung.

Innenministerium in engem Austausch

Nach Angaben des rheinland-pfälzischen Innenministeriums stand das Land in der kritischen Zeit in engem Kontakt mit der Einsatzleitstelle im Ahrtal. So sei eine „Verbindungsperson Bevölkerungsschutz“ aus der Landesfeuerwehrakademie in das Lagezentrum des Innenministeriums in Mainz entsandt worden. Bei der für den Katastrophenschutz zuständigen Aufsichtsbehörde ADD sei die Koordinierungsstelle von Donnerstag, 16 Uhr, bis Freitag, 1.30 Uhr, besetzt gewesen. Das Land baut derzeit ein Lagezentrum Bevölkerungsschutz auf. „Der Landkreis Ahrweiler hat die Lage zu jeder Zeit im Griff gehabt und stand auch im Kontakt zur ADD und damit zum Land“, sagte Innenminister Michael Ebling (SPD) in Mainz.

Telefonat ins Ministerinnenbüro

Das Umweltministerium habe ebenfalls alle beteiligten Stellen informiert, darunter die ADD und das Innenministerium. Das sagte ein Sprecher auf Anfrage. Nach den Warnungen des Wetterdienstes und dem Lagebericht des für Hochwasserwarnungen zuständigen Landesamts für Umwelt habe die Fachabteilung außerdem den Leiter des Ministerinnenbüros telefonisch informiert. Die Hochwasservorhersagezentrale sei in Bereitschaft gewesen. Die Daten auf der Internetseite seien laufend aktualisiert worden.

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