Rheinland-Pfalz Kommune weckt mit eigener Arztpraxis bundesweites Interesse

Auf 300 Quadratmetern über drei Stockwerke verteilt bietet das kommunale Gesundheitszentrum in Katzenelnbogen seine Dienste an.
Auf 300 Quadratmetern über drei Stockwerke verteilt bietet das kommunale Gesundheitszentrum in Katzenelnbogen seine Dienste an.

Der zunehmende Hausärztemangel stellt für viele Regionen in Rheinland-Pfalz ein Problem dar. Patentlösungen sind nicht in Sicht. Im Rhein-Lahn-Kreis hat sich die Kommune Katzenelnbogen zu einem landesweit einzigartigen Modell durchgerungen. Die Gemeinde betreibt mittlerweile selbst eine Arztpraxis.

«Katzenelnbogen». Majestätisch thront über dem 2200-Einwohner-Städtchen Katzenelnbogen die Burg gleichen Namens. Von hier regierten im Mittelalter die Grafen von Katzenelnbogen. Zu ihre Nachfahren gehören etwa der Großherzog von Luxemburg sowie der König der Niederlande. Die Geschichte der Stammburg des Adelsgeschlechts reicht bis in 11. Jahrhundert zurück. Noch heute spielt Katzenelnbogen eine wichtige Rolle – allerdings weniger für ein riesiges Grafentum als für die gleichnamige Verbandsgemeinde, die hier ihren Sitz hat. Zu ihr gehören insgesamt 21 Orte mit knapp 10.000 Einwohnern. Die Verbandsgemeinde erstreckt sich über eine Fläche von rund 100 Quadratkilometern. Dazu gehören Orte mit gerade einmal 200 Einwohnern. 90 Prozent der Bürger der Verbandsgemeinde haben ihren Hausarzt in Katzenelnbogen. Die Stadt verfügt über drei kassenärztliche Sitze. In keinem anderen Ort der Verbandsgemeinde gibt es einen Hausarzt. Vor ein paar Jahren sah sich die Kommune jedoch damit konfrontiert, dass zwei alteingesessene Mediziner ohne Nachfolger dastanden und ihre Praxis aufgeben wollten – ein Problem, das auch viele pfälzische Dörfer kennen. Die Verantwortlichen berieten damals, was sie gegen den drohenden Ärztemangel tun können. Hans-Joachim Schaefer (SPD) ist erster Beigeordneter der Verbandsgemeinde. Er hat die Idee vorangetrieben, eine Arztpraxis zu gründen, bei der die Kommune als Träger fungiert. Aber das war leichter gesagt als getan. Eine Wiesbadener Rechtsanwaltskanzlei unterstützte die Gemeinde, die sich auf ungewohntem Terrain bewegte. War sie bislang für Feuerwehren und Co. zuständig, musste sie sich nun mit ganz anderen Aspekten beschäftigen. Unter anderem ging es dabei um Haftungsfragen, aber auch darum, ob Steuermittel eingesetzt werden dürfen, um die ärztliche Versorgung aufrecht zu erhalten. Das Sozialgesetzbuch erlaubt das den Kommunen mittlerweile ausdrücklich. Allerdings war das nicht immer so. Unklar war zudem auch die Frage der Rechtsform. Wäre es zu einer GmbH gekommen, hätte die Verbandsgemeinde eine unbegrenzte selbstschuldnerische Bürgschaft garantieren müssen. Das allerdings hätte die Kommunalaufsicht nicht zugelassen, erzählt Schaefer. Daher entschieden sich die Verantwortlichen, eine Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR) zu gründen. Das war möglich, weil das Land seinen Segen gab. Schaefer sagt, dass nicht nur die Frage der ärztlichen Versorgung im Raum stand. In dem Gebäude, in dem sich eine der Praxen befand, ist auch eine Metzgereifiliale. Sie hätte wohl geschlossen, wenn die Bürger den Gang zum Arzt nicht mit einem Besuch an der Fleischtheke verbunden hätten. Auch ein Sanitätsladen, Physiotherapeuten und eine Apotheke wären von einem Aus der beiden Praxen betroffen gewesen. In Gesprächen mit den Beteiligten wurde eine Lösung gefunden, die bislang einmalig in Rheinland-Pfalz ist. Die beiden bestehenden Praxen wurden zusammengeführt. Dadurch entstand nach fünf Jahren Vorlauf zum 1. April 2016 das Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) Gesundheitszentrum Katzenelnbogen. Mittlerweile sind dort 21 Personen beschäftigt: Ärzte, Helferinnen und Reinigungspersonal. Ein Großteil von ihnen arbeitet in Teilzeit. Gerade bei Ärzten ist das keine Selbstverständlichkeit. Waren frühere Generationen von Landärzten noch dafür bekannt, rund um die Uhr für ihre Patienten ansprechbar zu sein, legen jüngere Mediziner Wert darauf, Zeit mit ihrer Familie zu verbringen. Auch darauf wolle man mit dem kommunalen Gesundheitszentrum reagieren, berichtet Schaefer. Zudem seien die Löhne für die Mediziner deutlich höher als das Salär für Fachärzte, die in einem Krankenhaus arbeiten. Das MVZ in der Stadtmitte Katzenelnbogens erstreckt sich mittlerweile über 300 Quadratmeter auf drei Etagen. Der Entwicklung zupass kam dabei, dass der Gebäudebesitzer auch eine Apotheke betreibt. Er investierte knapp eine halbe Million Euro, um die Immobilie den neuen Ansprüchen anzupassen – und so zugleich den Fortbestand seines Unternehmens zu sichern. Bis zu 3500 Patienten besuchen pro Quartal das Gesundheitszentrum. Zu Spitzenzeiten, etwa montags während der Grippewelle im Winter, waren es 270 (!) an einem Tag. Finanziell ist das MVZ noch nicht ganz in trockenen Tüchern, erzählt Matthias Meister. Er ist auf Honorarbasis als Geschäftsführer des Gesundheitszentrums tätig. Im ersten Jahr machte das MVZ 10.000 Euro Miese. Im zweiten Jahr lag der Verlust ebenfalls im fünfstelligen Bereich. Das Minus sei personalbedingt, zeitweise habe man zu viele Beschäftigte gehabt, sagt Schaefer, der genau wie der Ärztliche Direktor des MVZ und der Gesundheitsökonom Meister im Vorstand der AöR tätig ist. Als Aufsichtsrat fungiert ein politisch zusammengesetzter Verwaltungsrat an dessen Spitze der Verbandsbürgermeister steht. Das Katzenelnboger Modell sorgt mittlerweile für bundesweites Interesse. Die Ideengeber und Macher aus dem Rhein-Lahn-Kreis stellen das Konzept in Bayern oder in Norddeutschland vor – auch dort ist Ärztemangel kein Fremdwort. Schaefer ist trotz der anfänglichen Verluste überzeugt, dass das MVZ der richtige Weg ist, um die Zukunftsfähigkeit seiner Gemeinde zu garantieren. Ihm ist wichtig, dass die Kommune aus dem Projekt keinen Gewinn ziehen will. Wenn sich eine schwarze Null einpendele, sei er zufrieden. Und wie sieht es aus mit dem Verkauf von Anteilen an der AöR? Höchstens 49 Prozent würde Schaefer hergeben. So soll auch langfristig gewährleistet werden, dass es in Katzenelnbogen Hausärzte gibt.  Im Netz www.mvz-einrich.de

Hans-Joachim Schaefer (links) und Matthias Meister bilden zusammen mit einem Ärztlichen Leiter den Vorstand des Gesundheitszentr
Hans-Joachim Schaefer (links) und Matthias Meister bilden zusammen mit einem Ärztlichen Leiter den Vorstand des Gesundheitszentrums.
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