Sport Druck, außer Haus gemacht

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Berlin. Der Heimvorteil spricht weiterhin für Mannheim, die Form allerdings nun wieder für Berlin: Nach der 1:6-Abreibung der Adler am Mittwoch bei den Eisbären wächst der Druck auf den vermeintlichen Favoriten, der heute (19.30 Uhr, SAP-Arena, es gibt noch vereinzelte Karten) im fünften Spiel des Viertelfinales um die deutsche Eishockey-Meisterschaft in der Serie erneut in Führung gehen sollte – sonst droht am Sonntag (14 Uhr) in Berlin das allzu frühe Saisonaus.

Als Dennis Endras am späten Mittwochabend im Kabinengang der Mercedes-Benz-Arena seine XXL-Sporttasche mit der Torwartausrüstung für die Adler-Betreuer herausstellte, da ließ er sie im allerletzten Moment geräuschvoll auf den Boden knallen. Der Frust des Goalies, wahrlich nicht der schlechteste Mannheimer auf dem Eis, war angesichts der sechs Gegentreffer verständlich. Aber auch seine Vorderleute ließ das Debakel nicht unberührt. „Für einen Verteidiger sind so viele Gegentore besonders frustrierend“, befand Aaron Johnson. Allerdings: An 40 Spielminuten (nach dem an sich guten ersten Drittel) ohne Fore- und Backchecking sind natürlich längst nicht nur die Defender schuld. „Wir hatten Schwierigkeiten – in allem!“, fand Manager Teal Fowler deutliche Worte: „Wir haben unsere Beine in Mannheim vergessen.“ Laufbereitschaft: gleich null. So konnten die Adler keine Zweikämpfe gewinnen – weil sie ja erst gar nicht in die direkten Duelle kamen. Während sich Trainer Sean Simpson in den Play-offs mit knappen Aussagen begnügt („Die Eisbären waren heute die deutlich bessere Mannschaft“), wollte Fowler die ansonsten übliche Beschwichtigungsrhetorik so nicht mitmachen. Vier Spiele gegen eine inzwischen gute Mannschaft, zwei Siege, zwei Niederlagen – alles noch kein Grund zur Panik. Aber 11:17 Tore aus Mannheimer Sicht. Das spiele in den Play-offs ja gar keine Rolle, heißt es oft lapidar. Doch der Manager findet diese Bilanz durchaus signifikant. „Zwölf Gegentore auswärts“, sinnierte Fowler: „Heute sechs, alle bei fünf gegen fünf auf dem Eis.“ Das hier und da verständliche Hadern der Spieler mit den Pfiffen der Schiedsrichter – so blieben Fouls von Talbot und Vehanen ungeahndet, während Frustreaktionen der „Opfer“ Adam und Sparre sofort zu Strafen führten – ging ins Leere. Schließlich kassierten die Gäste keinen einzigen Treffer in Unterzahl. „Wir können uns über niemand anders als uns selbst beschweren“, bestätigte Johnson. In vier Spielen waren die Berliner dreimal das bessere Team. Auch, weil die Adler am Mittwoch die 1:0-Führung durch Ryan MacMurchy postwendend herschenkten. „Wir reden die ganze Saison darüber, wie wichtig der erste Wechsel nach einem Tor ist“, wunderte sich Stürmer Brent Raedeke. Auch der mit zwei Minuten bestrafte Ausraster Luke Adams brachten Teal Fowler zur Erkenntnis: „Wir müssen auch mental härter arbeiten.“ Alle bisherigen Prognosen dieser Serie entpuppten sich als Kaffeesatzleserei. Die späten Gegentreffer in Spiel eins beschäftigen die hellwachen Berliner in den Köpfen überhaupt nicht mehr, die Leistungssteigerung der Adler in Spiel drei verpuffte vorgestern mit dem Doppelschlag der extrem effektiven Eisbären zum 2:1 und 3:1. „Wir können jetzt nicht mit hängenden Köpfen ins fünfte Spiel gehen“, sagte Christoph Ullmann im Kabinengang, „wir müssen alles Schlechte hier lassen.“ Assistenztrainer Colin Müller vermutete: „Vielleicht brauchen wir etwas Druck, um unsere beste Leistung zu bringen.“ Dieser Druck ist hausgemacht. Oder angesichts der Auswärtsschwäche: außer Haus gemacht.

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