Sport Fliegende Fäuste und Giftpfeile

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Mannheim. Hoch her ging’s am Ende eines einseitigen Eishockey-Spiels: Das klare 4:0 der Adler Mannheim gegen die Grizzly Adams Wolfsburg im dritten Play-off-Halbfinale sah eine handfeste Auseinandersetzung auf dem Eis und ein verbales Scharmützel hinter der Bande. Mit einem Sieg heute (19.30 Uhr) in Wolfsburg würden die Adler bereits ins Finale einziehen.

Brandon Yips Mimik blieb eher starr, als er sich nach den trotz des klaren Spielstands aufregenden Schlusssekunden im Kabinengang stellte. Natürlich freute sich der Kanadier über den Erfolg, aber die Mundwinkel blieben unbeweglich, weil links eine Wunde klaffte, gerade vom „Doc“ genäht „mit ein paar Stichen“. Es war das Überbleibsel eines Box- und Ringkampfs mit dem Wolfsburger Sergej Stas, ein von den Schiedsrichtern klugerweise geduldetes Duell mit blanken Fäusten, um eine Massenkeilerei zu vermeiden. „Ich glaube, er hat den Fight gesucht“, befand Yip, der der Konfrontation allerdings nicht auswich. „Das zeigt“, lobte Torwart Dennis Endras den Stürmer, „dass wir nichts mit uns machen lassen.“ Die Einlage beim Endstand von 4:0 wäre Randnotiz geblieben, hätte nicht direkt danach Pavel Gross eine Schimpfkanonade Richtung Adler-Bosse gefeuert. Wolfsburgs impulsiver und aggressiv coachender Trainer war kaum zu bändigen, sprach später immerhin von einem verdienten Mannheimer Sieg und wollte auf seinen Ausraster nicht weiter eingehen. Auf die Frage der RHEINPFALZ, was ihn so geärgert habe, entgegnete er: „Das musst du einen anderen fragen.“ Und er stellte mit Blick auf Kollege Geoff Ward klar: „Richtung Mannheimer Bank habe ich null gesagt!“ Es war also wohl ein verbaler Schlagabtausch zwischen Gross und Teal Fowler vorausgegangen, doch der Adler-Manager verbarg seine Gedanken geschickt hinter seinem üppigen Play-off-Bart. „Das ist sein Verhalten in der ganzen Serie. Er ist halt, wie er ist“, sagte er über Gross. Die Sieger des Abends taten sicher gut daran, kein weiteres Öl ins Feuer zu gießen – denn anders als die Wolfsburger, die nun beim Serienstand von 0:3 aus ihrer Sicht vier Spiele in Folge gewinnen müssten, was spätestens seit Dienstagabend utopisch erscheint, haben sie wohl noch eine Finalserie vor sich und brauchen gesunde Profis. Die Duelle mit den Grizzly Adams sind bisher nicht grundsätzlich unfair, aber punktuell giftig geführt. Pavel Gross’ Psychotricks zeigen bisher wenig Wirkung und vor allem übertünchen sie, welch ein guter Trainer der ehemalige Mannheimer Meisterspieler ist. Gross kann auch mit taktischen Kniffen überraschen. So nahm er in der Schlussphase bei Adler-Scheibenbesitz eine künstliche 3:4-Unterzahl in Kauf – weil er an der blauen Linie vor dem Mannheimer Tor zwei auf Befreiungsschläge lauernde Stürmer postierte, die von einem Adler bewacht wurden. Gespür bewies Gross auch bei der ersten frühen Herausnahme von Torwart Felix Brückmann zugunsten eines sechsten Spielers: Da hatten sich die Adler gerade auf Kosten eines unerlaubten Weitschusses befreit und durften nicht wechseln. Gleichwie: „Solide und effizient“ sah Geoff Ward seine Mannschaft, die heute den Sack zumachen kann und im Falle einer Niederlage an Ostersamstag (14.30 Uhr) zu Hause immer noch alle Trümpfe in der Hand hätte. Gestern trainierten Jamie Tardif und Christoph Ullmann wieder. Es fällt auf, wie produktiv plötzlich das Überzahlspiel ist. „Die spielfreie Woche vor den Play-offs hat uns dabei sehr geholfen, da haben wir viel daran gearbeitet“, berichtete Brandon Yip. Und zog dann doch den Mundwinkel zu einem Lächeln nach oben, als er gefragt wurde, ob er einen Trainer wie Pavel Gross schon mal erlebt hätte: „Ich bin 29 und habe durchgehend in Nordamerika gespielt: Ich habe fast alles schon erlebt ...“

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