Sport Taktgeber und Taktiker

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Mannheim (olw). Der beste Adler-Kader seit dem Titelgewinn 2007 hat nun folgerichtig die acht Jahre lange Durststrecke ohne deutsche Eishockey-Meisterschaft in Mannheim beendet. Eine Einzelkritik.

Herausragend:

Jochen Hecht sagte es richtig – statt seiner hätte auch Andrew Joudrey zum „MVP“, zum wertvollsten Spieler der Finalserie, gewählt werden können. Hecht glänzte nicht erst in den Play-offs als Anführer und Taktgeber mit genialen Ideen und Anspielen – wie beim wichtigen 1:1-Ausgleich am Dienstag. Den stets taktisch denkenden Joudrey nur als Bullyspezialisten und Schussblocker zu rühmen, greift viel zu kurz – 16 Saisontore, darunter fünf siegbringende, wollen auch erst mal erzielt werden. Der Kanadier deutete gestern an, in Mannheim zu bleiben. Eine starke Saison mit sechs Shut-outs bot Torwart Dennis Endras: Nach zwei schwächeren Play-off-Spielen schüttelte er sich nur kurz und gewann das Finalduell mit Ingolstadts Timo Pielmeier klar. Verteidiger Sinan Akdag war – neben Joudrey – der Sommer-Glücksgriff schlechthin. Schade, dass er nach Fosters Ankunft nicht mehr so oft in Überzahl ran durfte, bis dato war er der mit Abstand torgefährlichste Defender. Einen Riesenschritt Richtung kompletter Verteidiger machte Denis Reul, der nun knifflige Aufgaben spielerisch bemerkenswert lösen kann. Komplett ist das Stichwort für Kai Hospelt und Frank Mauer (beide zweitbeste Adler-Scorer der Play-offs hinter Hecht). Bullyfacharbeiter Hospelt war das schon länger, Mauer ist es dank Trainer Geoff Ward geworden, der taktische Disziplin – nicht nur im Unterzahlspiel – aus dem schnellen Scharfschützen herauskitzelte. Experte (nicht nur) für späte Treffer in verwaiste Gegnertore: Allrounder Jon Rheault. Ihm gelang der letzte Treffer der Saison: „Das beste Gefühl auf der Welt!“ Gute Saison: Bald 41 Jahre und nur zum Saisonende verletzungsbedingt etwas müde – Glen Metropolit, dieser ausgefuchste Veteran mit den begnadeten Händen und großer Aura, war ein Gewinn. An seiner Seite machte der körperlich und technisch starke Matthias Plachta den nächsten Schritt in seiner Entwicklung, tauchte nur im Finale etwas ab. Leider war Jamie Tardif in den Play-offs nicht fit, in der Punktrunde erreichte sein Wert, vor allem als Unruheherd vor dem gegnerischen Tor, den von Andrew Joudrey. Marcus Kink und Unterzahlterrier Ronny Arendt trafen wieder zweistellig, sind unersetzliche Gesichter der Adler geworden. Der flinke Verteidiger Danny Richmond muss Leichtsinnsfehler und Strafbanksitzungen minimieren, offensiv ist seine Bilanz sehr gut. Ähnliches gilt für Stürmer Christoph Ullmann, der in den Play-offs aufdrehte und in Ingolstadt ein Weltklassetor erzielte. Nikolai Goc wurde an der Seite Reuls zum Mann für Sonderaufgaben: An diesem Duo bissen sich die Topleute der Gegner oft die Zähne aus. Martin Buchwieser, ein unangenehmer Gegenspieler, musste sich seinen Platz in den Play-offs erst wieder erarbeiten, Punktausbeute ist aber okay. Auf Back-up-Goalie Youri Ziffzer war in seinem insgesamt 16 Einsätzen immer Verlass. Luft nach oben: Defensiv meist solide hat Steve Wagner an Wirkung an der blauen Linie eingebüßt. Kurtis Foster half mit, das Powerplay zu verbessern, platzierte seine harten Schüsse aber oft nicht gut. Brandon Yip brachte Körper (und Gift) vors Tor, hätte aber aus seinen vielen Chancen allein in den Play-offs vier, fünf Treffer machen müssen. Bemerkenswert die Steigerung Bobby Raymonds in den entscheidenden Spielen – in dieser Form ist er ein effektiver Offensivverteidiger. Mirko Höfflin haderte lange mit seiner Ausbeute, aber seine Vielseitigkeit und Technik geben ihm weiter eine Perspektive. Ob Christopher Fischer (guter Vorbereiter) und Dominik Bittner (vielseitig einsetzbar) die in Mannheim haben, bleibt fraglich – beide brauchen Spiele, vielleicht täte eine Luftveränderung gut. Enttäuschung: Klarer Vorrundensieger. Meister mit nur drei Niederlagen in 15 Play-off-Spielen. Sorry, da gibt’s keine Enttäuschungen ...

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