Handball Liebe auf den zweiten Blick

Heidelberg. Andy Schmid ist Handballer und Schweizer. Weil der Spielmacher der Rhein-Neckar-Löwen aber auch Realist ist, weiß er, dass er in seiner Sportlerkarriere wohl kein großes Turnier mehr mit der „Nati“ spielen wird. Deshalb sind die großen Matches mit seinem Klub sein EM- oder WM-Ersatz. Am Wochenende stehen solche Spiele an, beim Final-Four-Turnier um den DHB-Pokal startet Schmid mit dem Halbfinale gegen die SG Flensburg-Handewitt ins Unternehmen Titelgewinn.

Wenn Andy Schmid (30) mit seinem Labrador Kobe am Neckarufer in Heidelberg entlang spaziert, macht der Spielmacher der Löwen dies mit einem Lächeln im Gesicht. Schmid hat es gut, er wohnt zentral in der malerischen Stadt mit der weltberühmten Schlossruine und ist dort angekommen, wo er schon als kleiner Junge hin wollte. Vor drei Jahren sah das noch ganz anders aus, denn im Frühjahr 2011 grübelte er darüber nach, ob die Löwen der richtige Klub für ihn sind.Man mag es sich kaum vorstellen, dass der Schweizer eine solche Phase erlebte, wenn man ihn heute beobachtet. Auf dem Parkett ist Schmid inzwischen uneingeschränkter Taktgeber, nach seinem Wechsel zu den Löwen im Juli 2010 schien die Liaison zwischen ihm und dem Verein aber nur ein großes Missverständnis. Schmid saß auf der Bank oder sah auf dem Feld zu, wie das Spiel an ihm vorbei lief. In einer Ansammlung hochtalentierter zumeist egozentrischer Handballstars gab es keinen Platz für den Mann aus der Schweiz. „Ich habe mit dem Gedanken gespielt, die Löwen zu verlassen, ich hatte den Spaß verloren“, bekennt Schmid. Jahrelang träumte Schmid von der Chance in der Bundesliga, und als er über die Stationen Amicitia Zürich und den dänischen Klub Bjerringbro-Silkeborg den Sprung endlich geschafft hatte, wurde sie zum Alptraum. Neben dem Willen, sich doch noch durchzusetzen, hielt Schmid die Tatsache beim Klub, dass sich keine passende Alternative auftat. Heute sind die Löwen froh, dass Schmid blieb. „Andy ist mein verlängerter Arm auf dem Spielfeld“, sagt Gudmundur Gudmundsson. Auch der Trainer brauchte etwas Zeit, bis er den richtigen Ton beim sensiblen Schweizer traf. Seither wird Schmid von Jahr zu Jahr besser und spielt aktuell die beste Saison seiner Laufbahn. Schmid, seit knapp zwei Jahren Vater eines Sohnes, ist erwachsen geworden. Auf dem Feld und außerhalb. Als er vor ein paar Monaten seinen Vertrag bei den Löwen vorzeitig um zwei Jahre bis Juni 2016 verlängerte, machte er das branchenunüblich ganz alleine. Kein Berater unterstützte ihn. „Ich bin ja keine 19 mehr“, erklärt Schmid und setzte er sich mit Manager Thorsten Storm an den Verhandlungstisch. „Das ist ein Vertrauensbeweis“, ist Storm überzeugt. Vertrauen verspürt auch Schmid innerhalb der Mannschaft. „Die Jungs hören auf mich“, erklärt Schmid. Eine gute Handball-Mannschaft braucht sieben Individualisten auf dem Feld, aber trotzdem nur einen Chef, der Spielzüge ansagt und die Richtung vorgibt. Anders funktioniert so ein sensibles Gebilde nicht. „Andy ist unser Anführer in der Offensive“, stellt Kim Ekdahl du Rietz klar. Der Schwede bewundert den Schweizer ob dessen Finesse, Schmid hingegen die Kraft und das Durchsetzungsvermögen seines Nebenmanns im linken Rückraum. Die Löwenspieler bilden in dieser Saison eine starke Mischung unterschiedlicher Typen – und das macht das Team um Schmid zu einem Titelkandidaten.

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