Sport Bescheidener Exot

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Mannheim (olw). „Eis-Özil“ hat ihn mal eine Boulevardzeitung getauft. Sinan Akdag, der türkischstämmige Neuzugang der Adler Mannheim, schmunzelt. „Das ist schon schmeichelhaft“, sagt er, schränkt aber sofort ein: „Özil ist ein brutal offensiver Spieler.“ Und noch etwas unterscheidet die beiden fundamental voneinander: Mesut Özil spielt Fußball und Akdag Eishockey – damit ist er in gewisser Weise ein Exot.

Akdag weiß: Wäre er in der Türkei aufgewachsen und nicht in Deutschland, genauer gesagt in Rosenheim, „dann würde ich Fußball spielen“. Aber ob er auch Nationalspieler geworden wäre? So durfte er im Frühjahr in der deutschen Auswahl gegen Russland und Superstürmer Alexander Owetschkin verteidigen. Ein tolles Erlebnis, wenngleich sich der zweimalige WM-Teilnehmer Akdag dann doch nicht traute, den Weltstar zum „Selfie“ vors Handy zu bitten. Die Adler sind erst der dritte Klub des 24-Jährigen – ein Wandervogel ist Akdag also nicht. Geboren ist er in Oberbayern: „1989, als der SB Rosenheim das letzte Mal deutscher Meister war.“ Das bekam er natürlich noch nicht mit, doch er wuchs nahe dem Marox-Stadion auf – „daneben waren die Hochhäuser“. Akdgas Vater und Großvater hatte es aus der Türkei nach Rosenheim verschlagen. „Sie haben ganz unten angefangen, wir kommen aus kleinen Verhältnissen“, erzählt der bescheiden auftretende Profi. Und er verrät lachend, dass überhaupt alles ganz anders hätte kommen können, denn: „Mein Vater wollte eigentlich ein drittes Mädchen.“ Der Junge interessierte sich dann schnell für Eishockey, den Sport in Rosenheim schlechthin. Und nach der guten Jugendförderung beim Sportbund „habe ich in Krefeld meine ersten Schritte als Profi gemacht“, sagt er: „Ich bin den Pinguinen dankbar.“ Nach sieben Jahren im Rheinland suchte er die nächste Herausforderung, das ist diesmal keine Floskel. „Natürlich ist es ein großer Schritt, denn hier ist alles eine Nummer größer, professioneller. Aber ich war in Krefeld ein Leistungsträger und will auch hier einer werden“, betonte Akdag gestern nach dem Adler-Training, das diesmal nicht in der kleinen Nebenhalle stattfand, sondern in der SAP-Arena, unter dem neuen, hochmodernen Videowürfel. Das Eis ist bereits bereitet für das Champions-League-Spiel heute (19.30 Uhr) gegen KalPa Kuopio. Nochmal Thema Türkei. Die Nationalmannschaft stieg im Frühjahr aus der Dritt- in die Viertklassigkeit ab, misst sich also 2015 mit Eishockey-„Mächten“ wie Hongkong, Nordkorea oder den Vereinigten Arabischen Emiraten. „Sie bauen das Eishockey in der Türkei gerade erst auf“, weiß Akdag, der in Kontakt mit dem Verbandspräsidenten steht. Die Entwicklung seines Sports in der Heimat seiner Eltern interessiert ihn sehr. Einen Defender wie ihn hätten die Türken gern: groß (1,88 Meter), körperlich stark (91 Kilogramm), auch mit der Scheibe gut („Ich will Akzente setzen“). Aber er hat sich ja längst für Deutschland entschieden ...

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