Rheinpfalz „Geben Sie uns Stolz und Würde zurück!“

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Rund 16 Monate sind die früheren Verbandsgemeinden Thaleischweiler-Fröschen und Wallhalben nun schon zusammengeschlossen, doch der Wallhalber Berthold Martin will nach wie vor die Scheidung. Gestern verhandelte der rheinland-pfälzische Verfassungsgerichtshof in Koblenz über die Zukunft der am 1. Juli 2014 geschlossenen Zwangsehe. Ein Urteil könnte in zwei Wochen fallen. Die etwa 35 Zuschauer erlebten gestern eine langatmige, in Teilen anstrengend zu verfolgende Verhandlung am Verfassungsgerichtshof, die mehr als drei Stunden dauerte. Das lag an juristischen Fachsimpeleien, aber auch daran, dass gleich über zwei Zusammenschlüsse diskutiert wurde. Auch die Verbandsgemeinde Kröv-Bausendorf (Mosel) sieht sich durch die Gebietsreform unglücklich verheiratet, mit Traben-Trarbach. Die zwei Fälle ähneln sich, daher wurden sie zusammen verhandelt. Berthold Martin, ehemaliger Verbandsbürgermeister der VG Wallhalben und nach wie vor Bürgermeister von Wallhalben, legte in einem zehnminütigen Vortrag dar, weshalb die VG Wallhalben wieder eigenständig sein sollte, wie sie es bis zum 1. Juli 2014 war: „Unsere Verbandsgemeinde ist ein Segen für unsere Dörfer in einem benachteiligten Gebiet, sie ist mehr als nur eine Verwaltung“, erklärte er. Er sprach weitgehend frei, denn was er sagte, hat er schon oft gesagt. Von Abwasserbeseitigung über Finanzen und Tourismus bis zur Internetversorgung: Die Verbandsgemeinde stehe äußerst gut dar. „Wir haben viel getan“, erklärte Martin, und: „Wir brauchen keine Fusion.“ Die neun Richter – darunter auch der Präsident des Pfälzischen Oberlandesgerichts, Willi Kestel – schauten, wie fast während der gesamten Verhandlung, unbeeindruckt drein. Thomas Peifer, Verbandsbürgermeister der zusammengeschlossenen Verbandsgemeinde, saß in den Reihen der Zuhörer, wovon etwa 15 aus Thaleischweiler-Fröschen/Wallhalben angereist waren. Peifer schüttelte leicht den Kopf, als Martin andeutete, wie sehr sich die VG Wallhalben durch die Zwangsheirat verschlechtert habe. Groß kommentieren wollte er die gesamte Veranstaltung nicht. „Wir sehen das locker“, sagte sein Büroleiter Markus Reichert. Sollten die höchsten rheinland-pfälzischen Richter der Wallhalber Scheidungsklage stattgeben, müsste der VG-Zusammenschluss rückgängig gemacht werden, so wie es bei Maikammer und Edenkoben geschieht. „Erst mal abwarten, wie entschieden wird“, sagte Peifer. Im Fall Maikammer hat der Verfassungsgerichtshof bereits entschieden, dass die Grundsätze der Gebietsreform nicht der Landesverfassung widersprechen. Doch nehme das finanzstarke Maikammer eine Sonderstellung ein, daher hätte es nicht zum Zusammenschluss mit Edenkoben gezwungen werden dürfen. Berthold Martin hofft, dass auch Wallhalben ein solcher Sonderstatus zuerkannt wird. „Wir haben keinen Sanierungsstau, keine überbordende Schuldenlast“, sagte er. Anwalt Thomas Schmitt von Kunz Rechtsanwälte, die Wallhalben und andere klagende Verbandsgemeinden vertreten, verwies auf die „dauerhafte Leistungsfähigkeit“ der VG Wallhalben. Die gute Finanzausstattung habe Jan Ziekow in einem Gutachten festgestellt – jener in Speyer öffentliches Recht lehrende Professor, der nun als Gegner am Nebentisch saß und für die Landesregierung die Gebietsreform rechtfertigte. „Erstaunlich, was ich alles mal gesagt habe“, merkte Ziekow launig an. „Finanzierungssalden kommen und gehen.“ Die Steuerkraft in der VG Wallhalben erreiche nur 67 Prozent des Landesdurchschnitts. Die VG sei dennoch „hinreichend leistungsfähig“, so Rechtsanwalt Schmitt. Sie sei einfach nur zu klein, gemessen an den Maßstäben, welche die Landesregierung bei der Gebietsreform anlegt: Sie will Verbandsgemeinden mit mehr als 12 000 Einwohnern, die VG Wallhalben zählte nur um die 7000. Das allein rechtfertige aber keinen Zwangszusammenschluss, so Schmitt. Berthold Martin, im dunklen Anzug und mit Aktenkoffer angereist, setzte am Ende mit seinem Plädoyer für die Eigenständigkeit der Wallhalber Verbandsgemeinde einen emotionalen Schlusspunkt. „Geben Sie uns unseren Stolz, der uns genommen wurde, wieder – und auch unsere Würde!“, wandte er sich an die Richter. „Es lief gut, es war eine offene Verhandlung“, zeigte er sich im Anschluss zufrieden. Er hatte sich zwischendurch immer wieder zu Wort gemeldet. „Die Richter ließen Stellungnahmen ausgiebig zu, das ist auch gut so.“ Die Erfolgschancen der Wallhalber Klage schätzte er mit „50 zu 50“ ein. „Wenn nicht nur ein Urteil, sondern auch Recht gesprochen wird, dann müsste es uns gehen wie Maikammer“, hatte er der RHEINPFALZ im Vorfeld gesagt. Auch Thomas Peifer bewertete die Verhandlung positiv: „Es war schön zu sehen, wie sehr das in die Tiefe ging, dass die Richter alles gründlich untersuchen wollen. Meinungen und Fakten sind ausgetauscht – nun warten wir ab.“

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