Bellheim Norwegens Literaturstar Edvard Hoem im Kulturzentrum

 Ibsenpreisträger in Bellheim: Edvard Hoem.
Ibsenpreisträger in Bellheim: Edvard Hoem.

Schriftsteller Edvard Hoem ist unter anderem mit dem Ibsen-Preis ausgezeichnet worden. Bekannt wie ein bunter Hund in Norwegen. Auch bei uns liest er normalerweise in Städten wie Berlin oder Nürnberg. Jetzt aber gastierte er im Bellheimer Kulturzentrum Altes Sägewerk Mittelmühle, der einzigen Pfälzer Station seiner Deutschlandtour.

Eingeladen hatte der örtliche Kulturverein. Die Kurpfalzregion der Deutsch-Norwegischen Freundschaftsgesellschaft (DNF) leitete die Lesung in die Wege. Mit seinen Historischen Romanen ist Edvard Hoem, Jahrgang 1949, der seit fünf Jahrzehnten daneben auch Dramen und Gedichte veröffentlicht, zum Bestseller-Autor geworden. Die Protagonisten seiner Werke sind alle historisch belegt und entstammen seiner Familiengeschichte. Hoem orientiert sich so weit wie möglich an den tatsächlichen Begebenheiten, die er dann erzählerisch veranschaulicht.

Als Einstieg in seine durchaus subtil versponnene Dichtung empfahl Hoem die „Geschichte von Mutter und Vater“, Erinnerungen aus der Kindheit, als er sechs Jahre alt war, aufgewachsen mit fünf Geschwistern in bäuerlicher Umgebung und ärmlichen Verhältnissen. Hoem las daraus die ersten beiden Seiten. Sein Vater war Wanderprediger und gewöhnlich sieben Monate im Jahr unterwegs. Bibellesung und Gesangbuch füllten den gleichförmigen Alltag aus. Das elektrische Licht an der Stubendecke, das Radio mit Strom aus der Steckdose waren die spärlichen Zeugnisse einer angebrochenen neuen Zeit. Geheizt wurde mit einem Holzofen. Die von Tragik erfüllt e Geschichte seiner Eltern setzt mit der naiven und doch verfänglichen Frage des Kindes ein: „Mama, liebst du den Papa?“ Nach Momenten des Zögerns kommt die unerwartete Antwort: „Ich hatte Vater nicht lieb, als ich mit ihm zusammenkam. Aber ich habe ihn liebgewonnen, weil er beständig treu war.“ Die Mutter war zu jener Zeit schwanger durch die Beziehung mit einem deutschen Soldaten in der Besatzungszeit.

Den überwiegenden Teil der Lesung widmete Hoem dem Roman „Der Geigenbauer“, erschienen 2020, den bewegten Geschehnissen um seinen Vorfahren, dem Geigenbauer Lars Olsen Hoem, der von 1782 bis 1852 lebte. Großvater hatte dem jungen Edvard einst viel über das abenteuerliche Leben dieses Ahnen erzählt. Hoem recherchierte dazu in Archiven, Kirchenbüchern, Verzeichnissen, Museen über den außergewöhnlichen Handwerker, von dem einige Exponate heute noch ausgestellt werden. Zudem unterrichtete sich Hoem umfassend sowohl über die Technik des Geigenbaus als auch bis in die Details über Aufbau, Funktionen und Alltagsabläufen auf Kriegsschiffen der napoleonischen Zeit.

Lars Olsen Hoem wurde mit 19 Jahren zum Kriegsdienst gezwungen. In den Koalitionskriegen Napoleons sollten die jungen Männer Norwegens, die als ausdauernde Ruderer bekannt waren, für die dänische Kriegsflotte mit ihren Ruderbooten Matrosennachschub bei Kampfeinsätzen liefern. Dänemark stand mit Frankreich im Bündnis gegen England. Packend und realitätsecht schildert Hoem den 40-tägigen Fußmarsch einer Gruppe junger Männer, die gemeinsam mit Lars die über eintausend Kilometer lange Wegstrecke nach Kopenhagen bewältigte und dort sofort in die Seeschlacht vom 2. April 1801 geriet, als die englische Kriegsflotte unter Admiral Nelson die im Hafen liegende dänische Kriegsflotte überfiel.

Lars erlebt das unvorstellbare Grauen des Krieges, anschließend verbringt er fünf Jahre als Häftling auf einem britischen Gefangenenschiff und erlebt dort einen schicksalhaften Wandel: die Begegnung mit dem französischen Mitgefangenen Jean, der ihn die Kunst des Geigenbaus lehrt. Er, der sich schon von klein auf zur Musik hingezogen fühlte, findet als Geigenbauer nach der Rückkehr in die Heimat 1814 neue Erfüllung seines Lebens.

Edvard Hoems Vortrag lief in chronikartigem Stil leicht verständlich in einer ruhigen, flüssigen Lesart ab. Es war dennoch nicht einfach, der Handlung zu folgen, weil der Autor sich weit über das Buch verteilter Passagen bediente. Überaus hilfreich sprang da die Moderation von Andreas Fieg ein, des stellvertretenden Vorsitzenden der DNF-Kurpfalzregion. Geschickt verstand er es, in wenigen Sätzen die entstandenen inhaltlichen Lücken kompetent zu füllen.

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