Kultur Über das Unglücklichsein

Seine Musik geht mit Heines Texten eine geniale Symbiose ein: Robert Schumann.
Seine Musik geht mit Heines Texten eine geniale Symbiose ein: Robert Schumann.

Keine andere Kunstform der klassischen Musik ist so eng mit dem deutschen Sprachraum verbunden wie das Lied. Im Englischen spricht man so vom „German Lied“, wenn man beschreiben will, was Komponisten wie Schubert, Schumann oder Strauss auf diesem Gebiet geleistet haben. In unserem Lieder-ABC präsentieren wir eine Auswahl an Liedern. Heute geht es um den Buchstaben D. Der findet sich im Titel eines der wichtigsten Liedzyklen der Musikgeschichte: „Dichterliebe“ von Robert Schumann.

Musikerliebe wäre wohl passender. Denn selten hat Robert Schumann so persönlich komponiert wie in dem so genannten Liederjahr 1840. Wie in einem Rausch entstehen quasi sämtliche Lieder eines Komponisten, der zuvor nur für das Klavier geschrieben hatte. Und sich mit der „Dichterliebe“ nach Texten von Heinrich Heine und dem „Liederkreis“ nach Joseph von Eichendorff als würdiger Nachfolger von Franz Schubert erwies. 20 Gedichte hat Schumann aus der Sammlung „Lyrisches Intermezzo“ von Heinrich Heine insgesamt vertont, 16 davon ließ er vier Jahre später unter dem Titel „Dichterliebe“ drucken. Heines Texte tragen keine Überschriften, diese entstammen schlicht den Gedichtanfängen. Schumann hat die Gedichte so ausgewählt und die Lieder so zusammengestellt, dass sie einer Art inneren Dramaturgie folgen. Es geht, natürlich, um die Liebe. Wie schon in Schuberts „Müllerin“ oder seiner „Winterreise“ um die unglückliche Liebe. Es beginnt im Wonnemonat Mai voller Liebesglück. Und es endet mit bitterer Ironie, ja mit typisch für Heine tiefschwarzem Zynismus: „Die alten bösen Lieder“. Hier schließt das lyrische Ich mit seiner Vergangenheit, auch mit seiner Liebe ab. In einen Sarg, der größer sein müsse als das Heidelberger Fass, legt er dann alles hinein. „Wisst ihr, warum der Sarg wohl/ So groß und schwer mag sein?/ Ich legt (bei Schumann heißt es ,senkt’) auch meine Liebe/ Und meinen Schmerz hinein.“ Dabei hatte alles doch so schön angefangen. „Im wunderschönen Monat Mai“, lautet die erste Strophe des Zyklus’, „Als alle Knospen sprangen,/ Da ist in meinem Herzen/ Die Liebe aufgegangen.“ Muss allerdings nicht so lange angehalten haben, dieses große Gefühl. Schon im siebten Lied behauptet das lyrische Ich: „Ich grolle nicht.“ Und tut natürlich genau das: grollen, verletzt sein. Es ist eine gnadenlose Abrechnung mit der Geliebten, zugleich auch einer der musikalischen Höhepunkte der Sammlung, fast einem Heldentenor in die Stimme geschrieben: „Ewig verlornes Lieb! Ich grolle nicht./ Wie du auch strahlst in Diamantenpracht,/ Es fällt kein Strahl in deines Herzens Nacht.“ Es hat sich einiges geändert, seit Schuberts unglücklich verliebter Wanderer sich aufgemacht hat zu einer Winterreise in die Selbstauslöschung. Das liegt natürlich zunächst einmal an den Texten von Heinrich Heine. Der war zwar auch von der Romantik und ihrem Weltschmerz infiziert (auch wenn er sich über die dichtenden Kollegen der Romantik lustig gemacht hat), aber Heine war eben auch ein großer Zyniker und Ironiker vor dem Herrn. Genau das hat Schumann auch gespürt – auch wenn er im Privaten gerade eine Art Glücksexplosion erlebte. Schließlich stand nach langem, zum Teil sehr hässlichen Auseinandersetzungen mit dem Vater Friedrich Wieck seine Hochzeit mit Clara unmittelbar bevor. Doch Schumann ließ sich davon nicht überwältigen, nicht blenden, vielmehr bricht er auch musikalisch die ganz großen Gefühle der „Dichtereliebe“, sowohl den Liebesüberschwang, als auch den Liebesschmerz. Vor- und Nachspiele des Klaviers ordnen den Text ein, deuten ihn aus. Die Gedichte gehen mit der Musik Schumanns eine neue, eine geniale Symbiose ein. Das Ergebnis ist eine ziemlich schonungslose Reflexion über eine unglückliche Liebe, aus der aber, so hat man den Eindruck, das lyrische Ich gestärkt hervorgeht. Er wird’s, anders als Schuberts Wanderer, überleben. CD-Tipp Ein Muss, nicht nur für Schumann-Liebhaber aus der Pfalz: Fritz Wunderlich singt die „Dichterliebe“, begleitet von Hubert Gießen am Klavier.

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