Kultur Alle Lust will Ewigkeit

Ein magischer Moment: Octavian (Carmen Seibel, links) überreicht Sophie (Marie Smolka) die silberne Rose.
Ein magischer Moment: Octavian (Carmen Seibel, links) überreicht Sophie (Marie Smolka) die silberne Rose.

Eine Produktion wie aus dem Opern-Museum. Jakob Peters-Messer inszeniert den „Rosenkavalier“ von Richard Strauss in Saarbrücken ganz nahe an der Kitschgrenze – und doch gelingt ihm ein kleines Opernwunder. Eines jedoch, von dem sich einige im Publikum offensichtlich nicht berühren lassen wollten. Jedenfalls verließen auffällig viele Zuschauer am Samstagabend in den beiden Pausen das ohnehin nicht ausverkaufte Saarländische Staatstheater.

Die Oper als Kunstprodukt, das mit den Gesetzen der Realität nichts mehr zu tun hat. Hier gelten andere Gesetze. Menschen beispielsweise sagen nicht einfach „Ich liebe dich!“ zueinander. Sie singen minutenlang. Auch wenn sie einfach nur den Raum betreten, um schlicht „Guten Tag“ zu sagen. Keiner wusste das mehr als Hugo von Hofmannsthal, der geniale Librettist von Richard Strauss. Und so schuf er im „Rosenkavalier“ eine sprachliche Atmosphäre, die nur so tut, als zitiere sie das Österreich Maria-Theresias aus dem 18. Jahrhundert. Richard Strauss feiert diese Kunstwelt, indem er in seligen Walzerklängen schwelgt, in Melodien, die zutiefst berühren. Mehr Kunstprodukt jedenfalls war die Oper selten. Doch die Saarbrücker Regie von Jakob Peters-Messer setzt im Bühnenbild von Markus Meyer und in den Kostümen von Sven Blindseil noch einen drauf. Sie erschafft ein Pseudo-Rokoko-Palais in strahlendem Weiß. Allerdings droht über dem Bett der Leidenschaft zwischen Octavian und der Marschallin eine schwarze florale Wandskulptur, die wie mit Krallen nach dem Paar greift. Natürlich geht es im „Rosenkavalier“ wie eigentlich noch in jeder Oper um die Liebe. Mehr aber noch um die Vergänglichkeit der Liebe. Denn alle Lust will Ewigkeit – und bekommt sie nicht. Im Grunde geht es um die Endlichkeit allen Seins. Es liegt ein Trauerflor über dieser „Komödie für Musik“, selbst die schönsten Melodien sind melancholisch unterströmt. „Die Zeit ist ein sonderbar Ding“ singt Pauliina Linnosaari als wunderbare Marschallin. Sie weiß, dass sie ihren jungen Liebhaber Octavian verlieren wird. Und sie entsagt im Finale der Oper, gibt ihn frei für dessen neue, übergroße Liebe zu Sophie. Und beweist menschliche Größe. Denn es gibt die magischen Augenblicke, in denen die Zeit still zu stehen scheint, in denen der Prozess des Ewig-Vergänglichen aufgehalten werden kann. Dann nämlich, wenn sich zwei Liebende erstmals begegnen, wenn sie einander erkennen als füreinander geschaffen. Wenn das Herz überschießt im Jetzt und Heute, dann gibt es keinen Gedanken an das Morgen und Übermorgen. Im „Rosenkavalier“ ist dies der Moment, wenn der Brautwerber Octavian die silberne Rose im Auftrag des Barons auf Lerchenau (Markus Jaursch) an dessen Zukünftige Sophie überreicht. Die Musik dazu ist nachgerade himmlisch schön, und genau so spielt sie auch das Saarländische Staatsorchester unter der couragierten Leitung von Roger Epple. Doch diese Oper hat auch für uns einen magischen Moment aufgespart: das Finale, das von Wehmut durchtränkte Happy End. Drei fantastische Frauenstimmen – neben der Marschallin von Pauliina Linnosaari noch Carmen Seibel als Octavian und Marie Smolka als Sophie – singen Himmelstöne, begleitet von einem enthusiastisch aufspielenden Orchester. Das schießt mitten ins Herz. Was Strauss hier komponiert hat, macht süchtig und grenzt an Körperverletzung, weil wir so viel Schönheit kaum ertragen können. Doch die Regie zerstört bewusst ihr eigenes Opernwunder. Die Bühne beginnt sich zum Schlussduett zu drehen, öffnet sich, die Kulissen zeigen ihre Rückseite. Und unvermittelt sind wir wieder im Alltag gelandet. War alles nur Theater. Nur ein Spiel. Ein Traum. Aber immerhin, wir haben ihn erleben dürfen, den magischen Moment. Termine 26. März; 3., 7., 20. April; 3., 11. Mai; 2. Juni.

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