Kultur Angela Merkel zeigt es noch mal allen

Karikaturist Thomas Plaßmann stellt eine interessante Frage – und erhält damit den Publikumspreis.
Karikaturist Thomas Plaßmann stellt eine interessante Frage – und erhält damit den Publikumspreis.

Alle Jahre wieder kürt der von der rheinland-pfälzischen Landesvertretung in Berlin und dem Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger ausgerichtete „Rückblende“-Wettbewerb das beste Pressefoto und die beste Karikatur des Jahres, und fast genau so sicher stellt man sich jedes Mal die Frage, was die Jury eigentlich zu ihrer Entscheidung bewogen hat. Wie man’s besser macht, zeigt in diesem Jahr das Publikum, das parallel befragt wurde.

Denn die mit 7000 und 5000 Euro vergoldeten Beiträge der Jury-Sieger überschlagen sich nicht gerade vor Kreativität und ikonischer Kraft: Der freie Heidelberger Fotograf Daniel Chatard hat in recht konventioneller Manier den Abriss des „Immerather Doms“ im rheinischen Braunkohle-Tagebaugebiet dokumentiert. Die Karikaturistin Amelie Glienke, die unter dem Pseudonym Hogli zeichnet, spießt die Situation der SPD mit der Vorsitzenden Andrea Nahles auf einem sinkenden Schiff auf. Da gibt’s wahrlich originellere Metaphern. Kollege Rolf Henn alias Luff zum Beispiel zeigt Donald Trump beim Strafzoll-Domino, bei dem der letzte Stein ihn selber platt zu machen droht – diese in der „Stuttgarter Zeitung“ veröffentlichte Karikatur kam aber nur auf Platz 3, während Klaus Stuttmann (Tagesspiegel) die Machterosion der Kanzlerin ganz wortwörtlich ins Bild setzte und sich damit die Silber-Medaille in der Jury-Gunst sicherte. Keine dieser Zeichnungen freilich hat den subversiven Witz von Thomas Plaßmanns mit dem Publikumspreis ausgezeichneter Karikatur, die unter dem Titel „Daheim bei AfDs“ einen Jungen vorm Einschlafen präsentiert, der seine Mutter fragt, ob ihn der Vater, falls er in Afrika geboren worden wäre, ebenfalls im Meer treiben lassen würde. Auch in puncto Fotografie zeigten sich die Besucher der Premieren-Ausstellung in Berlin instinktsicherer als die Jury: Ihre Wahl fiel auf eine von Jesco Denzel erstellte Momentaufnahme vom G7-Gipfel in Kanada, bei dem Donald Trump wie ein trotziges Kindes mit verschränkten Armen am Rand sitzt, während Angela Merkel im hervorstechenden blauen Blazer und mit aufgestützten Armen die Phalanx der Trump-Gegner anzuführen scheint. Ein Schönheitsfehler ist allerdings, dass Denzel als offizieller Fotograf der Bundesregierung fungiert und sich sein Bild einreiht in eine ganz Gruppe von Aufnahmen, die eher wie Polit-PR wirken als wie kritischer Journalismus. Gut komponiert ist es aber trotzdem. Auf der anderen Seite fällt bei vielen Pressefotos die schon beim Hamburger G20-Gipfel im Vorjahr zu beobachtende Lust am Krawall auf – sei es im Hambacher Forst, der im Katalog schon als Neuauflage von Gorleben gefeiert wird, sei es in Chemnitz, wo die Rechten ihre Fäuste in den Himmel recken. Den Leica-Preis für die beste Serie erhielt denn auch der freie Fotograf David Klammer für seine zwischen September und November 2018 aufgenommenen Bilder zum „Kampf um den Hambacher Forst“, während der Sonderpreis „Das scharfe Sehen“ an den AFP-Fotografen Odd Andersen ging, der in einer der vielen, ewig langen Berliner Pressekonferenzen genau in dem Moment aufs Knöpfchen drückte, in dem von Horst Seehofer zwischen Kanzlerin Angela Merkel und Vizekanzler Olaf Scholz nur noch ein Auge zu sehen ist. Auch hier kann man sich jedoch fragen, ob diese Aufnahme wirklich das Zeug zu einem Foto des Jahres hat – oder ob dies nicht vielleicht eher jenes (nicht prämierte) Bild von Patrick Seeger ist, das einen Mann mit Hund im Hitzesommer 2018 beim Spazieren im völlig ausgetrockneten Flussbett der Dreisam bei Freiburg zeigt. Der Klimawandel jedenfalls wird uns noch lange beschäftigen, während Seehofers Tage als Regierungsstörenfried gezählt sein dürften. Die Ausstellung Die „Rückblende 2018“ macht derzeit in Neustadt Station. Eröffnung heute um 17 Uhr in der Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd, Friedrich-Ebert-Straße 14. Die Schau läuft bis 18. April, Öffnungszeiten: montags bis donnerstags 8-16 Uhr, freitags 8-12 Uhr. Alle eingereichten Fotos und Karikaturen unter www.rueckblende.rlp.de.

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