Kultur Auf Ed Sheerans Wegen

„You Let Me Walk Alone“ heißt die nach bekannten Mustern gestrickte Popballade, mit der Michael Schulte aus Buxtehude gewonnen h
»You Let Me Walk Alone« heißt die nach bekannten Mustern gestrickte Popballade, mit der Michael Schulte aus Buxtehude gewonnen hat.

Sechs Kandidaten, drei Jurys und ein einmütiger Gewinner: Michael Schulte aus Buxtehude vertritt Deutschland beim Eurovision Song Contest (ESC) am 12. Mai in Lissabon. Seine Ballade „You Let Me Walk Alone“ erinnert allerdings stark an Ed Sheeran. Auch war seine Konkurrenz im Vorentscheid am Donnerstagabend schwach.

Ein bisschen fühlt sich der Zuschauer bei „Unser Lied für Deutschland“ an diesem Abend wie im falschen Film: Kein Auftritt überzeugt, mancher löst vielmehr Kopfschütteln bis Fremdschämen aus. Die erste Kandidatin, die aktuelle „The Voice of Germany“-Gewinnerin Natia Todua, enttäuscht vor allem stimmlich. Die Georgierin trifft die Töne nicht, das Stück ist Mittelmaß. Ryk aus Hannover kann zwar singen, doch ist sein selbstgeschriebenes Stück „You And I“ ein Musicalsong ohne rechte Struktur. Voxxclub wirken wie eine Ballermann-Comedy-Nummer inklusive Gejodel und Holzhammer-Schuhplattler-Rhythmik, haben aber ohnehin angekündigt, den Wettbewerb „mit einem Augenzwinkern“ zu sehen, was echte ESC-Fans nicht gut vertragen. Der in München lebende französisch-britische Späthippie Xavier Darcy wirkt mit X-Bein-Geschlenker, als müsse er dringend austreten, dazu schreit er seine Schunkel-Folkrock-Nummer eher heraus als dass er singt. Ivy Quainoo hat eine starke Stimme, aber einen nach starkem Beginn doch eher lahmen Song mit abgenutzter Feuerthematik. Und so war es geradezu zwangsläufig, dass nur der letzte Vortragende, Michael Schulte gewinnen konnte: Er ist schlicht das geringste Übel eines schwachen Jahrgangs. Mit roten Locken, Jeans und schwarzem T-Shirt ähnelt er schon äußerlich Englands derzeit erfolgreichstem Songwriter Ed Sheeran, mit dem er auch schon zusammen auf einer Bühne stand. Und seine Nummer „You Let Me Walk Alone“ klingt auch noch wie eine Sheeran-Ballade. Immerhin rührt die Geschichte hinter dem Lied vielleicht an: Der Song ist dem vor 13 Jahren verstorbenen Vater des ehemaligen „The Voice“-Kandidaten (2012 wurde er Dritter) gewidmet. Der Abzählreim-Refrain wirkt allerdings wenig innovativ („Born of one love of two hearts, we were three kids“), ausgelutscht auch die Zeile über das Zuhause als Schutz vor dem Sturm. Die Strichzeichnung eines Hauses in der Bühnenshow ist ebenfalls keine neue Idee. Immerhin ist der 27-Jährige, der mit Coversongs bei YouTube erste Aufmerksamkeit errang, sympathisch und kann auch durchaus variabel singen. Dennoch ist keine hohe Platzierung in Lissabon zu erwarten. Dabei wollte der veranstaltende Sender NDR diesmal alles richtig machen, hielt Songwriting-Workshops ab, ließ gar drei Jurys abstimmen: 100 ausgesuchte ESC-Fans, 20 internationale Experten aus dem Musikgeschäft und die Fernsehzuschauer. Bei den Experten landete Voxxclub auf dem letzten, bei den ESC-Fans auf dem vorletzten, bei den Anrufern auf dem zweiten Platz: ein durchaus vielsagendes Ergebnis, denn auf internationaler ESC-Bühne hat dieses Sauflied nichts zu suchen. Alle drei Jurys sahen Schulze mit zwölf Punkten vorn. Dennoch: Das Niveau der zur Wahl stehenden Lieder war sehr niedrig. Wie ein ESC-Hit klingen kann, machen derweil andere Nationen vor: Von den bisher feststehenden Kandidaten ragt bisher Mikolas Josef aus Tschechien mit „Lie To Me“ heraus.

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