Film Barbie wird lebendig und bricht aus ihrer Pink-Plastik-Puppenwelt aus

Barbie (Margot Robbie) und Ken (Ryan Golsing) verlassen das rosarote Barbieland,
Barbie (Margot Robbie) und Ken (Ryan Golsing) verlassen das rosarote Barbieland,

Siehe da: Die Barbie-Puppe ist eine erwachsene Frau geworden. Sie landet in der realen Welt von heute. Der nichtsnutzige Ken aber auch – und der emanzipiert sich in der Hollywood-Sommerkomödie „Barbie“ mehr als den Barbiefrauen lieb ist.

Männern muss man es erklären: Für Mädchen zwischen drei und zehn Jahren sind Barbie-Puppen eine prima Sache. Man kann toll mit ihnen spielen, fast wie mit Freundinnen, denn meistens hat man mehr als eine Puppe, sieben bis zwölf ist der deutsche Durchschnitt. Barbies lassen sich neue Frisuren und Kleider verpassen, man kann sogar selber welche entwerfen und nähen (bei den in den 60ern geborenen Babyboomern taten das Muttis und Omis, denn Barbiepuppen waren teuer, ein Luxus, erst recht die Accessoires).

Noch schöner ist es, wenn die beste Freundin auch ein paar Barbies hat, dann entstehen große Barbie-Gruppen und -Familien, vielleicht noch mit Zusatzteilen wie Häusern, Tieren und Kens. Ken heißt Barbies Freund, wie Barbie gibt es ihn in einigen optischen Versionen, aber längst nicht so vielen wie Barbie, denn er ist ja nur Beiwerk in der Frauenwelt, hat wie Barbie keinen Unterleib mit Geschlechtsteilen und kein Eigenleben.

Kein blondes Dummchen

Barbies dagegen sind nicht nur blonde Dummchen mit unerreichbarer Traumfigur als Heimchen am Herd, sondern auch Architektin, Stewardess, Pilotin, Wissenschaftlerin, Präsidentin der USA. Barbies sind auch dunkelhaarig, dunkelhäutig, seit einigen Jahren auch pummeliger. Die weltweit größte Barbie-Sammlerin, die Deutsche Bettina Dorfmann (62), hat über 17.000 verschiedene Puppen. 300 waren vor elf Jahren im Zweibrücker Stadtmuseum als „Busy Girl – Barbie macht Karriere“ genau so zu sehen wie sie nun in dem 145-Millionen-Dollar-Hollywood-Film „Barbie“ von Greta Gerwig (39) auftauchen: viele zusammen, in typischen Barbie-Häusern und -Dekorationen, durchaus emanzipiert. und beileibe nicht nur in Pink.

Denn Gerwigs Film trieft nur so vor Pink. Er ist eine Komödie, fast schon eine Satire, auch Barbie-Hersteller Mattel bekommt sein Fett weg. Die schon lange verstorbene Barbie-Erfinderin Ruth Handler (sie gleicht verblüffend der verstorbenen Queen) taucht auf und gibt der Haupt-Barbie (Margot Robbie, 33, die das Puppenhafte und Künstliche wunderbar spielt) Ratschläge, denn Barbie wagt sich erstmals raus aus ihrer Pink-und-Plastikwelt namens Barbieland in die richtige.

Ken wird machtgeil

Warum soll nicht verraten werden, aber in Barbies rosarotes Cabrio hat sich der Haupt-Ken versteckt (Ryan Gosling, 42, extrem erblondet und ein bisschen blöd, ebenfalls herrlich schräg dargestellt). Der wird von Barbie in der neuen Welt allein gelassen, staunt nicht schlecht, dass dort im Gegensatz zum Barbieland die Männer das Sagen haben und stapft fortan mit Cowboyhut und Gangsterfellmantel durchs Bild.

Kaum zurück in Barbieland will Ken sich und den anderen Kens dort zur Macht verhelfen – während Barbie in der realen Welt noch versucht, mit den echten Menschen in Kontakt zu kommen. Was natürlich nicht auf Anhieb gelingt – es ist ja eine Komödie. Und sie wird von Mattel-Managern gejagt, die sie einfangen und zurückbringen wollen.

Überbordende Ideen

Wenn der vor Ideen nur so überbordende knapp zweistündige Film so etwas wie ein Handlungsgerüst besitzt dann ist es das. Denn „Barbie“ strotzt nur so vor angefangenen Szenen, Figurencharakterisierungen und Gedanken, die nicht weiter verfolgt werden. Deshalb wird man nie so sehr ins Geschehen gezogen, dass man alles um sich herum vergisst – was andere aktuelle Blockbuster wie „Indiana Jones“ und „Mission Impossible“ mühelos schaffen. Außerdem sorgt das Nicht-Kontinuum dafür, dass manch schöner Gag versandet – abgesehen vom allerersten, der die Geburt von Barbie als neue Episode aus „2001“ erklärt. Immerhin wird der Film so nie berechenbar oder langweilig.

Im Prinzip macht Gerwig mit ihren zerfaserten Handlungselementen genau das, was die kleinen Mädchen tun, wenn die mit ihren Barbie-Puppen spielen: Sie denken sich was aus, bleiben ein bisschen in diesem Universum und verlassen es wieder, wenn sie keine Lust mehr haben oder ihnen etwas Neues einfällt. Im realen Leben kann man das machen, im Kino ist es eher nervig. Nur eins bleibt: das Pink überall. Und eine Form von Emanzipation, die neu ist in Hollywood: Bislang wurde nur Jungsspielzeug wie die Transformers-Autos (seit 2007, aktuell läuft die achte Fortsetzung im Kino) zu Filmhelden, Barbie ist das erste reine Mädchenspielzeug, dem nun diese Ehre widerfährt.

Für Erwachsene gemacht

So unterhaltsam das Spiel mit Barbie-Stereotypen ist, zu Gerwig passt es nicht so recht, ihre Filmheldinnen waren bislang unangepasste junge Frauen, die gar nichts Klischeehaftes an sich hatten. Gerwig schrieb auch das Drehbuch (zusammen mit ihrem Mann Noah Baumbach, das erklärt die Episode mit Ken, der machtgeil wird) und wurde im Vorfeld nicht müde zu betonen, dass ihr Film sarkastisch und feministisch gemeint sei – doch das wissen alle, die als Kind mit Barbies gespielt haben, ja ohnehin schon. Denn der Film (frei ab sechs) ist schließlich für Erwachsene gemacht, Sechs- bis Zehnjährige werden mit vielem nichts anfangen können.

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