US-Wahlkampf Darf die das? Über das Lachen von Kamala Harris

„Ich rede!“: Kamala Harris und ihr Markenzeichen.
»Ich rede!«: Kamala Harris und ihr Markenzeichen.

Oben nackt: Die lauthalse Gefühlsaufwallung der US-Präsidentschaftskandidatin ist zum Wahlkampfthema geworden. Es ist tief in der Kulturgeschichte verwurzelt.

Bitte lächeln! Die weltberühmte, unbekannte „Mona Lisa“ von Leonardo da Vinci, sie ist, zumindest mimisch, der Inbegriff der tugendhaften Frau. Ein Rollenmodell mit: auf ewig, leise angewinkelten, zusammengepressten Lippen. Wenn auch vielleicht leicht spöttisch, dann doch zugewandt und zustimmend – einem Mann mutmaßlich. Ihr Mundraum spiegelt ihren Daseinsgrund aus einer zutiefst patriarchalischen Gesellschaft. Sie ist das glatte Gegenteil der US-amerikanischen Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris, die der Welt schallglucksend und prustend ins Gesicht lacht – offenen Munds. Gewinnt sie die Herzen und die Wahl damit? Verliert sie sie deswegen? Mit ihrem Lachen ist sie so etwas wie die Nemesis ihres die Zähne bleckenden Gegenkandidaten Trump, der sich allfällig über andere belustigt. Sie lacht, er lässt lachen.

Es heißt, er fürchte, frühkindlich von Vater Fred Trump („das darf nicht passieren“) so eingeimpft, den Kontrollverlust. Sie sagt, sie habe ihr Lachen von ihrer indischen Mutter geerbt. Von einer Frauenwelt der großen Lacherinnen aus dem Bauch heraus. Ihr Lachen, eine Selbstermächtigung die Dinge selbstgewiss auch einmal wegzudrücken. Ihr Glucksen, ein symbolpolitisches Indiz für: alles unter Kontrolle.

Über Harris jedenfalls, deren Namen er systematisch „Schamala“ ausspricht, sagte Trump gleich nach Bekanntwerden ihrer Kandidatur reflexhaft ihre Weiblichkeit pathologisierend: „An einem Lachen kann man viel erkennen. Ich nenne sie ,Lachende Kamala’. Habt ihr je ihr Lachen gehört? Sie ist verrückt. Sie ist bescheuert.“ Legendär dagegen ihr Fernsehduell vor der US-Wahl 2020 mit Trumps damaligem Vizekandidaten Mike Pence, bei dem sie seine ständigen Unterbrechungen lachlächelnd mit einem „I’m speaking“ ins Off verwies – „ich rede“. Zwei Welten, Männer, Frauen und eine Gefühlsaufwallung, die älter ist als der Mensch.

Lachte Gott auch?

Gott habe sieben Mal gelacht, als er die Welt schuf, heißt es in einem griechisch-ägyptischen Mythos. Evolutionsgeschichtlich entstand es kurz vor dem aufrechten Gang, irgendwann zwischen der Menschwerdung des Affen. Eine Weile dann ging es hin und her.

In nomadischen Gesellschaften war es nur Frauen und Kindern erlaubt zu lachen. Die Typen scheuten wie Trump die vermeintlich damit einhergehende Entgrenzung. Ein „Indianer“ weint nicht – den Spruch lässt sich als Mann im Renteneintrittsalter aus der eigenen Kindheit noch erinnern. Er lacht aber auch nicht. Die Sesshaftigkeit schließlich veränderte die Rollen. Der Prozess, der allein in Zwerchfell und Bauch 80 Muskeln aktiviert, wurde männlich vereinnahmt.

Plötzlich hieß es: „Die Sonne lacht“, lachend wurde die Angst vor der Natur überwunden. Dann wieder, im christlichen Abendland, avancierte das Lachen generell zur Gefahr. Zum Teufelsgestus, auf den in puncto Kamala Harris der Trump treu ergebene Tech-Spinner Elon Musk zurückgreift, wenn er – wie vor Kurzem passiert – auf seiner Plattform X schreibt, ihre Wahl würde „so eine Art Holocaust für die gesamte Menschheit“ bedeuten.

Als Begründung für die Lachfeindlichkeit der Christenheit jedenfalls wurde angeführt: Der biblische Jesus habe es nie getan. „Ora et labora“, bete und arbeite hart, wer glaubt, hat nichts zu lachen, so scheint es. Geradezu beispielhaft wird das in Umberto Ecos weltliterarischen Kriminal-Epos „Der Name der Rose“, na ja, durchexorziert.

Rätselhafte Todesfälle ereignen sich. Die Geschichte spielt in einem mittelalterlichen Mönchskloster in Oberitalien. Schuld ist der blinde Bibliothekar Jorge Burgos. Er hütet ein Exemplar des zweiten Buchs der „Poetik“ von Aristoteles. Ein Werk, das angeblich gar nicht mehr existiert. Burgos meuchelt jeden, der darin lesen will. Es geht um die Komödie, die kathartische Funktion, die das Lachen entfaltet. „Lachen tötet die Furcht. Und ohne Furcht kann es keinen Glauben geben“, begründet Burgos sein Motiv. Heißt: Die Spaßbefreitheit fungiert, wenn man so will, als Verfahren des Machterhalts. Das heißt auch, in der Aufklärung wurde das Prinzip einfach übertragen.

Hysterie und Unvernunft

„Lachen ist männlich, weinen ist weiblich“, schrieb der auch zur Unvernunft begabte Philosoph Immanuel Kant (1724 bis 1804). Fortan wurde Frauen das Lachen abtrainiert. Als unschicklich, vulgär, als sexuelle Offensive, fasst schon infam wie eine entblößte Scham, schreibt die Autorin Sarah-Maria Deckert. Plötzlich erschienen die Sichtbarkeit von Vulva – exemplarisch vorgeführt in Gustave Courbets „Der Ursprung der Welt“ aus dem Jahr 1866 – und Uvula (das Gaumenzäpfchen) zum Äquivalent.

Lachende Frauen galten nunmehr als hysterisch, als aus geschlechtsspezifischen Gründen psychisch krank. Hystera, der griechische Ursprung des Begriffs bezeichnet die Gebärmutter, in Otto Weiningers (Mach-)Werk „Geschlecht und Charakter“ (1903) im Übrigen noch das Zentrum des weiblichen Denkens. Es sind toxische Annahmen, die sich offenbar bis in die Gegenwart und in Trump erhalten haben.

So führten die Taliban in Afghanistan in den 1990er-Jahren ein Lachverbot für Frauen ein. Der türkische Politiker Bülent Arinc forderte 2014, dass man Frauen vor allem das laute Lachen auf offener Straße als Ausdruck „moralischer Verderbtheit“ verbieten solle. Auch in westlichen Gesellschaften galt das einfach lauthals Losprusten als wenig damenhaft, bis es die feministische Bewegung zur gelebt selbstverständlichen Gleichberechtigungsgeste umdefinierte. Kein Wunder, dass sie Trump, der um sich herum nur brav lächelnde Wesen schart, nicht gefällt.

Trumps männliche Urangst

Wie seine Nichte Mary Trump, eine Psychologin, einmal ausführte, fürchte er nicht so sehr, als lächerlich zu erscheinen. Ganz so, wie es die kanadische Schriftstellerin Margaret Atwood beängstigend und beißend beschreibt: „Männer fürchten sich davor, dass Frauen sie auslachen. Frauen fürchten sich davor, dass Männer sie umbringen.“

x