Musical/Film Die „Rocky Horror Show“ wird 50 und hatte einen überraschenden Effekt

Autor Richard O'Brien bei der Afterparty am ersten Abend der „Rocky Horror Show“ im Wimbledon Theatre in London.
Autor Richard O'Brien bei der Afterparty am ersten Abend der »Rocky Horror Show« im Wimbledon Theatre in London.

Seit 50 Jahren begeistert „The Rocky Horror Show“ Fans mit deftigem Humor, viel Sex und mitreißender Musik. Dass das Musical zu einem Meilenstein queerer Repräsentation wurde, war laut seinem queeren Erfinder unbeabsichtigt.

Kaum mehr als 60 Zuschauer saßen im kleinen Royal Court Theatre Upstairs am Londoner Sloane Square, als „The Rocky Horror Show“ dort Premiere feierte. Im konservativen England der frühen 70er Jahre war nicht davon auszugehen, dass ein Musical über einen außerirdischen, bisexuellen Wissenschaftler in Frauenkleidern ein Erfolg werden würde. Doch die Show von Richard O’Brien, die am 16. Juni 1973 uraufgeführt wurde, entwickelte sich zu einem Phänomen der Popkultur und ist bis heute ein Publikumsmagnet.

„Glamrock und offene Sexualität waren überall, Homosexuelle hatten ihr Coming-out, es lag etwas in der Luft“, erinnert sich O’Brien. „Es gibt Orte in der Welt, wo wir etwas freier sind, wir selbst zu sein. London ist einer dieser Orte“, sagt der 81-Jährige, der sich zu „70 Prozent männlich, zu 30 Prozent weiblich“ fühlt.

Ein Song und ein paar Gags

Als der heute in Neuseeland lebende Brite sein Musical schrieb, war er gerade ohne Job. Zuvor hatte er sich als Schauspieler mit kleineren Rollen in Musicals durchgeschlagen. Die Idee zu einer eigenen Produktion kam dem Science-Fiction- und Horror-Film-Fan, als er als Unterhalter auf einer Weihnachtsfeier auftreten sollte. „Ich habe einen Song geschrieben und ein paar Gags eingebaut“, sagte er. „Dafür gab es viel Gelächter und Applaus.“

Kaum mehr als 60 Zuschauer saßen im kleinen Royal Court Theatre Upstairs am Londoner Sloane Square, als «The Rocky Horror Show»
Kaum mehr als 60 Zuschauer saßen im kleinen Royal Court Theatre Upstairs am Londoner Sloane Square, als »The Rocky Horror Show« dort Premiere feierte.

Der Song war „Science Fiction – Double Feature“. O’Brien machte ihn zum Prolog für „den Keim einer Idee, die ich für ein Musical hatte“. In dem australischen Regisseur Jim Sharman, mit dem er bei „Jesus Christ Superstar“ zusammengearbeitet hatte, fand er einen Mitstreiter. Dass sie mit ihrer humorvollen Hommage an alte Science-Fiction- und Horror-B-Filme einen Klassiker auf die Bühnen bringen würden, konnten die beiden nicht ahnen.

Tim Curry wird zum Star

Im Obergeschoss des Royal Court Theatre, das mit 85 Sitzen heute immer noch klein ist, sah das Publikum erstmals, wie die frisch Verlobten Brad und Janet nach einer Reifenpanne im Schloss von Dr. Frank N. Furter Unterschlupf finden, der seine Gäste in ein groteskes Szenario voller Schlüpfrigkeiten verwickelt.

Tim Curry, der am Londoner West End im Musical „Hair“ von sich reden gemacht hatte, fand als verrückter, außerirdischer Wissenschaftler und „Transvestit vom Planeten Transsexual aus der Galaxie Transylvania“ die Rolle seines Lebens. O'Brien selbst spielte Frank N. Furters buckligen Butler Riff Raff.

Der Ohrwurm „Time Warp“

Neben dem deftigen Humor voller Anzüglichkeiten machte vor allem die ikonische Musik mit Songs wie „Hot Patootie – Bless My Soul“ und „Sweet Transvestite“ die „Rocky Horror Show“ zu einem Erfolg. Der Ohrwurm „Time Warp“ mit dem einprägsamen „Let’s do the time warp agaaaaaaain“-Refrain entwickelte ein Eigenleben und wurde zum Partyklassiker.

Autor Richard o'Brian (rechts) tanzt und singt am 20. Januar1996 mit seinem Ensemble, nachdem die Vorpremiere der „Rocky Horror
Autor Richard o'Brian (rechts) tanzt und singt am 20. Januar1996 mit seinem Ensemble, nachdem die Vorpremiere der »Rocky Horror Show« von den fast 800 Besuchern in Wolfsburg mit Begeisterung gefeiert worden war.

Nur zwei Jahre nach der Bühnenpremiere kam das Musical als „The Rocky Horror Picture Show“ in die Kinos - mit einigen der Bühnendarstellern vom West End wie Tim Curry neben Susan Sarandon und Rockstar Meat Loaf. Sharman führte Regie. Anfangs ein kommerzieller Flop, fand „The Rocky Horror Picture Show“ dank Mitternachtsvorführungen nach und nach sein Publikum und entwickelte sich zum Kultklassiker. Das Prince Charles Cinema, ein beliebtes Kino in London, lädt regelmäßig zum Mitsing-Abend ein.

Zuschauer müssen mitmachen

Beim Film wie bei der Bühnenproduktion gehört die Beteiligung des Publikums fest zur Show. Zuschauer verkleiden sich, tanzen den „Time Warp“, schießen mit Wasserpistolen und werfen Konfetti und Klopapier. So wird jede Aufführung der „Rocky Horror Show“ zu einer wilden Party.

Thematisch war die „Rocky Horror Show“ ihrer Zeit weit voraus. Erst 1967 waren homosexuelle Handlungen unter Männern in Großbritannien nicht mehr strafbar. Das Musical präsentierte – damals eigentlich ein Unding – gender-fluide Charaktere, die selbstbewusst und ohne Scham auftraten. Diese Darstellung unkonventioneller Sexualität und die Würdigung der Vielfalt waren bahnbrechend für die 70er Jahre.

Befreiende Wirkung

Dass der queere Frank N. Furter als Mörder und Vergewaltiger der Bösewicht des Musicals ist, könnte man als problematisch ansehen. Aber die „Rocky Horror Show“ ist kein Moralstück. Gegenüber dem stocksteifen Paar Brad und Janet ist der charismatische Schurke eindeutig als Publikumsliebling konzipiert. Frank N. Furter steht dafür, zu sein und zu tun, was einen glücklich macht, auch wenn das von der Gesellschaft nicht akzeptiert wird. Currys Performance gilt als Meilenstein für queere Repräsentation in der Popkultur.

Er habe damals nicht beabsichtigt, die LGBT-Bewegung zu unterstützen, räumte Richard O'Brien kürzlich ein, es sei aber „ein angenehmer Nebeneffekt“ gewesen. Die „Rocky Horror Show“ habe aber eine befreiende Wirkung auf ihn gehabt, in seiner Jugend habe er mit seiner sexuellen Identität gekämpft.

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