Ludwigshafen Drei Monate Theaterhauptstadt: Die Festspiele im Theater im Pfalzbau

Josephine Thiesen in Goldonis „Das Kaffeehaus“.
Josephine Thiesen in Goldonis »Das Kaffeehaus«.

Viel Prominenz wie Lars Eidinger, Birgit Minichmayr oder Florentina Holzinger kommt nach Ludwigshafen. Einige der exzellenten Gastspiele in Schauspiel und Tanz der XX. Festspiele vom 12. Oktober bis 14. Dezember im Theater im Pfalzbau sind schon ausverkauft. Intendant Tilman Gersch inszeniert erstmals in seiner Amtszeit eine Komödie: Carlo Goldonis „Das Kaffeehaus“. Bezüge zur Ludwigshafener Innenstadt sind darin nicht rein zufällig.

Gleich die Vorstellung zur Eröffnung der Festspiele am Samstag, 12. Oktober, ist fast ausverkauft. „Ja nichts ist ok“ war im Februar die letzte Inszenierung des eigenwilligen Dramatikers und Regisseurs René Pollesch an der Berliner Volksbühne, bevor er 14 Tage später mit 61 Jahren starb. Seine Stücke voller bitterböser Komik erarbeitete er gemeinsam mit Schauspielern, sein letztes mit Fabian Hinrichs, Fernsehzuschauern als Kommissar Voss im „Tatort“ aus Franken bekannt (Der nächste wird am 6. Oktober ausgestrahlt). In der vergangenen Spielzeit war das Gespann Pollesch-Hinrichs schon mit „Geht es dir gut?“ im Pfalzbau. Der jetzt kommende Abend klingt wie die Antwort auf die damals gestellte Frage, zugleich aber wie eine lakonische Einschätzung der Weltlage.

Tilman Gersch hatte schon für die ganze Spielzeit 2024/25 angekündigt, dass es ihm darum gehe, „diesmal nicht über die große weltpolitische Lage zu räsonieren, die wir am Theater vermutlich doch nicht ändern werden“. Völlig kann er diesen Vorsatz auch bei den Festspielen selbstverständlich nicht umsetzen. So kann Mourad Merzoukis Hip-Hop-Tanzstück „Zéphyr“ (26.10.) allgemein als Streben nach Freiheit und nach einem besseren Leben verstanden werden. Seine Tänzerinnen und Tänzer lässt der Choreograph gegen den Wind ankämpfen. Und bei Kirill Serebrennikows aus der vergangenen Spielzeit nachgeholtem Stück „Der schwarze Mönch“ (15./16.11.) reicht der Hinweis auf die Schikanen, denen der Regisseur im Putin-Regime ausgesetzt war, bevor er nach Deutschland emigrierte. Seine Dramatisierung einer Novelle Anton Tschechows atmet die Sehnsucht nach Freiheit und Erlösung.

Für seine eigene Inszenierung (1./2. 11.) kann Tilman Gersch freilich die Abwendung von der großen Welt und Hinwendung zum Kleinen, Naheliegenden und Alltäglichen in Anspruch nehmen. Carlo Goldonis Komödie „Das Kaffeehaus“ aus dem Jahr 1750 verlegt er in das Ludwigshafen von Heute. Neben einer Spielhalle eröffnet eine Kaffeebar. Wettbüros, Nagelstudios, Dönerläden und ein Massagesalon gehören zur Nachbarschaft. Aber völlig abstrahieren von allgemeineren kann Gersch auch nicht. Er zeigt Menschen, die ihre Wünsche mit der Wirklichkeit in Einklang zu bringen suchen. Ergänzend zur Vorstellung ist eine weitere Folge von „Wort und Wein“ dem Kaffeehaus gewidmet (8. 11.). Zu Gast im Gläsernen Foyer des Pfalzbaus werden die Mannheimer Traditionskonditorei Herrdegen und das Weingut Kranz aus Ilbesheim sein.

Ebenfalls schon nahezu ausverkauft ist der Auftritt Lars Eidingers mit Bertolt Brechts „Hauspostille“ (24. 11.). Mit der nach dem Ersten Weltkrieg entstandenen Gedichtsammlung parodierte Brecht fromme lutherische Predigten, bewegte sich am Rande des Asozialen und deckte Scheinheiligkeit und gesellschaftliche Doppelmoral auf. Für den Schauspieler Eidinger mit seiner Vorliebe für zwiespältige Charaktere eine Glanzpartie.

Birgit Minichmayr wird in einem Gastspiel des Wiener Burgtheaters in dem alten, vergnüglichen Schwank „Der Raub der Sabinerinnen“ (13./14. 12.) zu sehen sein. Und das Residenztheater München kommt in den Pfalzbau mit dem melancholisch fantastischen Musiktheaterstück „Andersens Erzählungen“ (29./30. 11.).

Der Tanz bei den Festspielen bringt wieder international renommierte Compagnien nach Ludwigshafen. Die Reihe beginnt mit Sidi Larbi Cherkaouis „Ukiyo-e“ und dem Genfer Ballett (18./19.10.): Eine Meditation über die Suche nach innerem Gleichgewicht vor einem von dem Grafiker M. C. Escher inspirierten Bühnenbild.

Aus Italien kommt die Compagnia Naturalis Labor mit ihrem Choreographen Luciano Padovani. Nach „Romeo und Julia“ greift sie mit „Othello Tango“ (22. 10.) erneut eine Shakespeare-Tragödie auf und macht aus ihr einen leidenschaftlichen Tango-Abend.

Besonders glücklich schätzt sich Tilman Gersch, gleich zwei Stücke Wayne McGregors mit seiner Company in den Pfalzbau zu holen. Mit seiner Öffnung der Choreographie für Wissenschaft und Technik hat der Brite den Tanz revolutioniert. „Deep Staria“ (7.11.), nach der Premiere im Sommer die deutsche Erstaufführung, ist eine Reflexion auf die eigene Sterblichkeit angesichts der jetzt in aller Munde befindlichen Künstlichen Intelligenz; „Universe“ (9.11.) ist eine tänzerische Aufbereitung der Klimakrise.

Das Ballett Zürich führt das an der Lebensgeschichte Jacqueline du Prés orientierte Stück „The Cellist“ der Engländerin Cathy Marston auf (21./22.11.). Die Karriere der mit dem Dirigenten Daniel Barenboim verheirateten Cellistin wurde durch die Erkrankung an Multipler Sklerose beendet.

„Made of Space“ des libanesisch-spanischen Paares Guy Nader und Maria Campos (26.11.) ist stark rhythmisch geprägt, und „Carcaca“ des Portugiesen Marco da Silva Ferreira (10.12.) vereint Stilrichtungen wie Free Dance und Clubbing mit Volkstänzen.

Zu den Höhepunkten des Festivals gehört sicherlich Florentina Holzingers „Ophelias’s Got Talent“ (6./7.12). An der Berliner Volksbühne war ihr Stück 50-mal ausverkauft und wurde 2023 von „Theater heute“ als Inszenierung des Jahres ausgezeichnet. Nervenkitzel und das Spiel mit Männerphantasien zeichnen die Vorstellung aus.

Zum Beiprogramm gehören etliche After-Show-Konzerte, eine Diskussion unter anderen mit Harald Martenstein und Herfried Münkler über Demokratie (12.11.) sowie Lesungen mit der Schriftstellerin Deniz Ohde (6.11.) und Esther Slevogt, die sich mit der Geschichte des Deutschen Theaters Berlin beschäftigt (20.11.).

Karten

Telefonische Bestellung Mo-Fr von 11-18.30 Uhr, Sa von 11.30-13 Uhr unter 0621/504-2558, im Internet unter www.theater-im-pfalzbau.de, E-Mail an pfalzbau.theaterkasse@ludwigshafen.de. Am Schalter Mo-Fr von 10.30-13 Uhr und 16.30-18.30 Uhr, Sa von 11-13 Uhr.

iest, singt und spielt Bertolt Brecht: Lars Eidinger.
iest, singt und spielt Bertolt Brecht: Lars Eidinger.
tarke Bilder mit Nackten: Florentina Holzinger Tanzperformance „Ophelia's Got Talent“ war in Berlin 50 Mal ausverkauft.
tarke Bilder mit Nackten: Florentina Holzinger Tanzperformance »Ophelia's Got Talent« war in Berlin 50 Mal ausverkauft.
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