Interview Exilpfälzer Leonard Kunz über seine Rolle im Kaiserslautern-Film „Ein Mann seiner Klasse“

„Mir werden vor allem die gebrochenen Typen angeboten“, sagt der in Freinsheim aufgewachsene Leonard Kunz, hier bei einer Filmpr
»Mir werden vor allem die gebrochenen Typen angeboten«, sagt der in Freinsheim aufgewachsene Leonard Kunz, hier bei einer Filmpremniere 2019.

Vor der Uraufführung von „Ein Mann seiner Klasse“ auf dem Münchner Filmfest spricht der in Freinsheim aufgewachsene Schauspieler Leonard Kunz über seine Kindheit in der Pfalz und die sich weit öffnende soziale Schere in Deutschland.

Wie groß ist die Vorfreude auf die Premiere in München?
Riesig! Mit so einer großen Rolle die Premiere auf einem der größten Filmfestivals Deutschlands zu feiern, ist natürlich großartig und cool. Ich bin total aufgeregt, den Film das erste Mal auf der großen Leinwand zu sehen.

Sie kannten das Buch sicher, als Sie das Angebot für die Rolle bekamen?
Meine Eltern haben es entdeckt und an mich weitergereicht. Meine Mutter und meine Schwester Jelena sind in der Aufführung am Pfalztheater besetzt. Die ganze Familie war in das Projekt involviert. Als ich zum Casting für den Film eingeladen wurde, war ich daher schon gut vorbereitet.

Hatten Sie Kontakt zu Autor Christian Baron?
Er war sehr aufgeschlossen und hat mir vieles über den Inhalt des Buches hinaus erzählt, was ich für die Gestaltung der Rolle verwenden konnte. Geholfen hat mir auch sein Roman „Schön ist die Nacht“, in dem er den Background seines Vaters noch besser beschreibt. Aber auch seine Tante, die ihn zum Schreiben ermuntert und immer an ihn geglaubt hat, durfte ich kennenlernen. Das war sehr emotional! Christian und ich gehen hin und wieder in Berlin ins Stadion, aber in unterschiedliche Fanblocks (lacht). (Anmerkung der Redaktion: Baron ist FCK-Fan, Kunz Hertha-Fan)

Mussten Sie sich auch körperlich verändern?
Für den Dreh habe ich zehn Kilo zugenommen. Der Vater war Möbelpacker, der muss auch so aussehen. Einen Monat später musste ich für den nächsten Dreh zehn Kilo weniger wiegen. Das habe ich zum Glück auch hinbekommen.

Beim Drehstart zu ,,Ein Mann seiner Klasse" in Kaiserslautern (von links): Matthias Bolliger (Kamera), Leonard Kunz (Ottes), Cam
Beim Drehstart zu ,,Ein Mann seiner Klasse" in Kaiserslautern (von links): Matthias Bolliger (Kamera), Leonard Kunz (Ottes), Camille Loup Moltzen (Christian) und Marc Brummund (Regie)

Gab es sonst eine besondere Herausforderung?
Jetzt hat die Rolle auch was Liebenswertes, das war mir wichtig. Christians Vater stand unter enormem finanziellen Druck und war alkoholkrank. Er gibt die Gewalt, die er als Kind erfahren hat, an seine Kinder weiter. Das klingt nach Klischee, was ich auf keinen Fall einseitig bedienen wollte. Ich bin auch sehr froh, dass die Geschichte unverfälscht verfilmt wurde. Im deutschen Film werden solche Probleme meist in Familien mit Migrationshintergrund gezeigt. Aber das ist eine deutsche Familie, das ist die Realität in dieser Ecke von Kaiserslautern. Sie wird künstlerisch zu oft ausgeblendet.

Sie sind jünger als Christian Baron und kommen aus einer Künstlerfamilie. Konnten Sie auf eigene Erfahrungen bei der Rollengestaltung zurückgreifen?
In der Schule hatte ich unheimliche Schwierigkeiten und habe mehrmals gewechselt. Ich war dann auf einer Gesamtschule. Die Sozialisation einiger Schüler war völlig anders als meine. Ihnen fehlte die Unterstützung aus dem Elternhaus. Auch wenn sie geackert haben, hätten sie nie die Chance gehabt, einen ähnlichen Weg wie Christian zu gehen. Nicht jede oder jeder hat eine Lehrerin oder eine Tante wie er, die zum Lernen ermutigen. Der Roman und der Film sprechen daher ein akutes Thema an, das sich durch die Folgen der Corona-Pandemie noch verschärft hat. Die soziale Schere geht immer weiter auf und bestimmt die Bildungschancen.

Wie hat Sie die Zeit geprägt?
Ich hatte in der Schule Probleme mit Mobbing, mein halber Freundeskreis war mit Gewalt konfrontiert. Ich musste mich durchschlagen. Diese Vergangenheit ist mir vielleicht ein bisschen ins Gesicht geschrieben. Mir werden vor allem die gebrochenen Typen angeboten, obwohl ich eigentlich ein sehr sensibler Mensch mit viel Humor bin. Diese Seite würde ich gerne öfter mal zeigen.

Leonard Kunz (rechts) hat versucht, seine Figur des Vaters des kleinen Christian (Camille Loup Moltzen) in „Ein Mann seiner Klas
Leonard Kunz (rechts) hat versucht, seine Figur des Vaters des kleinen Christian (Camille Loup Moltzen) in »Ein Mann seiner Klasse« nicht durchweg unsympathisch zu gestalten.

Haben Sie die Erfahrungen eher in sich hineingefressen oder mit Ihren Eltern geteilt?
Ich habe früh mit meinem Papa den Film „Billy Eliott“ im Kino gesehen. Der Film hat sehr viel mit mir gemacht. Ich musste wie Billy durch viele Höhen und Tiefen gehen. Meine Eltern haben mir die Wahl gelassen, ich hätte alles werden können. Sie haben aber auch mein Talent erkannt. Nach der Schule gab es eine Phase, in der ich nicht wusste, in welche Richtung ich gehen soll. Meine Eltern haben mich damals angestoßen und mich zum Vorsprechen an den Schauspielschulen ermuntert. Ich habe zum Beispiel „nur“ Fachabitur und durfte nur mit einer Begabtenprüfung studieren.

Und dann ging es nur noch bergauf?
Ich wurde in Berlin angenommen und erhielt bald ein großes Filmangebot und die ersten Preise. 2020 hatte ich eine kleine Krise. Meine Psyche hat nicht verkraftet, dass ich zu viele harte Rollen angenommen hatte. Mehrmals hatte ich Suizidsüchtige gespielt, einmal bin ich vor der Kamera umgebracht worden. Ich habe ein halbes Jahr Pause gemacht, und mich gefragt, ob der Traum noch stimmt und ob ich das will. Das weiß ich jetzt. Im vergangenen Jahr habe ich zwei Filme gedreht, im Herbst stehen erneut Projekte an. Ich versuche jetzt auch, die Pausen sinnvoller zu nutzen.

Können Sie sich eine Rückkehr aus Berlin in die Pfalz vorstellen?
Nach Berlin bin ich wegen der Ausbildung gekommen. Als Schauspieler ist es schlau, hier zu sein. Meine Familie wird immer in der Pfalz bleiben. Ich kann mir gut vorstellen, mit meiner Mutter oder Schwester Theater zu spielen oder mit meinem Vater ein Projekt zu machen. Irgendwann bin ich vielleicht Kommissar im Ludwigshafener „Tatort“ (lacht) – den Dialekt hab ich drauf!

Zur Person

Leonard Kunz ist im Februar 1992 in Mannheim geboren, Mutter Ilona Christina Schulz ist Schauspielerin, Vater Alexander Kunz ist Kontrabassist der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz. Er wuchs in Freinsheim auf, ging in Ludwigshafen und Frankenthal zur Schule und studierte in Berlin Schauspiel. 2017 wurde er als bester Nachwuchsdarsteller beim Saarbrücker Filmfestival Max-Ophüls-Preis geehrt. Zuletzt spielte er in der neuen „Das Boot“-Serie.

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