Kultur Festival Arsmondo in Straßburg: Japan jenseits der Kirschblüte

Nach Hiroshima: Mizoguchi (Simon Bailey), der den Tempel anzünden wird, und sein Alter ego.
Nach Hiroshima: Mizoguchi (Simon Bailey), der den Tempel anzünden wird, und sein Alter ego.

Den Blick über den europäischen Tellerrand hinaus wagt das Straßburger Festival Arsmondo. Erdacht hat diese kulturelle Horizonterweiterung Eva Kleinitz, seit Beginn der Spielzeit Intendantin der elsässischen Rheinoper. Im Zentrum steht daher ein Werk des Musiktheaters, in diesem Fall die Oper „Der Tempelbrand“ des japanischen Komponisten Toshiro Mayuzumi, denn im Mittelpunkt der ersten Festival-Ausgabe steht Japan.

Was Eva Kleinitz für Straßburg plant, lässt sich vielleicht am besten an einem auf die Opernpremiere folgenden Liederabend erkennen: Die aus Südafrika stammende Sopranistin Pumeza Matshikiza, 2011 bis 2016 mit Kleinitz an der Oper Stuttgart, gab ihr Frankreich-Debut mit einer Art musikalischer Weltreise: ein Franzose, Reynaldo Hahn, (1847-1947) der in venezianischem Dialekt verfasst Verse vertont, ein wenig bekannter Spanier, Fernando J. Obradors (1897-1945), und seine klassischen „Canciones“; dann Poesie des buddhistischen Mönches Enku aus dem Japan des 17. Jahrhunderts, vertont von den jungen Musikern Benjamin Kahn und Judith Charron – und schließlich Spirituals und Lieder aus den Townships, in denen Matshikiza aufgewachsen ist und mit denen westeuropäische Ohren durch die große Miriam Makeba vertraut wurden. Von Rhythmen und fremden Melodiewendungen geprägte Klänge, in die sich das Solo des Klavierbegleiters Paul Montag ganz wunderbar einfügte: „L’île joyeuse“ – die glückliche Insel – des vor 100 Jahren gestorbenen Claude Debussy, einer der ersten, der sich für Außereuropäisches wie die Gamelan-Orchester aus Java und Bali interessierte. Jedes Jahr soll es zukünftig in Straßburg einen anderen Länderschwerpunkt geben, und was bereits gelungen ist – die Einbindung der unterschiedlichsten Kulturinstitutionen der Stadt – soll sich sogar noch ausweiten. 2019, so ist zu hören, werden sich auch die Museen der Stadt beteiligen. Beim Japan-Festival dabei sind diesmal schon das Programm-Kino Odyssée, die Universitätsbibliothek, das Kulturzentrum Espace Django; Stanislas Nordey, Intendant am Théatre national, dem Schauspielhaus, rezitierte, begleitet von zeitgenössischen Kompositionen, aus dem Roman „Der Tempelbrand“ („Kinkaku-ji“) von Yukio Mishima. Nach diesem Roman entstand auch die nun als französische Erstaufführung in Straßburg inszenierte Oper von Toshiro Mayuzumi (1929-1997), die 1976 an der Deutschen Oper Berlin ihre Uraufführung erlebte – und aus dem Repertoire der europäischen Opernhäuser verschwand. Ein Verlust, wie jetzt zu sehen und zu hören war. Das deutsche Libretto verfasste kein Geringerer als Claus H. Henneberg, der Dramaturg und Übersetzer, der unter anderem auch für Aribert Reimann („Lear“), Manfred Trojahn („Enrico“) und Peter Eötvös („Drei Schwestern“) die Vorlagen lieferte, allesamt Schlüsselwerke des zeitgenössischen Musiktheaters. Und nun sieht und hört man mit Staunen, dass es da noch ein weiteres Werk zu entdecken gibt. Eines, dessen Geschichte, so fremd sie auch erscheinen mag, in ihrer Vielschichtigkeit elementare Fragen des Menschseins behandelt. Eines, in dessen musikalischer Sprache das Ohr nach Bekanntem sucht – und auch findet: Die amerikanischen Besatzer im Nachkriegs-Japan werden begleitet von Rhythmen, wie sie auch Leonard Bernstein hätte erfinden können. Der Farbenreichtum der Partitur erinnert manchmal durchaus an die Instrumentationskunst eines Maurice Ravel, aber da sind auch die japanischen Trommeln oder die geheimnisvollen Töne der Shakuhachi-Flöte. Und doch hat Mayuzumi eine ganz eigene musikalische Sprache gefunden, die Paul Daniel am Pult des Orchestre philharmonique de Strasbourg zum Klingen bringt. Wie das Orchester schwebt auch der Chor zwischen den Welten, von deklamierendem Sprech- bis buddhistischem Tempelgesang: eine Meisterleistung von Sabrine Abello und ihren Sängerinnen und Sängern. In Szene gesetzt hat diese Koproduktion mit der Tokyo Nikikai Opera Foundation Amon Miyamoto, ein Grenzgänger zwischen dem Fernen Osten und dem Westen – mit einem außer ihm fast nur aus Europäern bestehenden exzellenten Ensemble. Eine Entdeckung, die zu weiteren Reisen einlädt: Japans Kultur ist ein ganzer Kontinent, den es zu entdecken gilt. Termine Weitere Vorstellungen von „Le Pavillon d’Or“ heute, am 29. März und 3. April (13. und 15. April in Mulhouse); www.operanationaldurhin.eu, www.festival-arsmondo.eu

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