Fernsehen Fiebertraum trifft Midlife-Crisis: Stefan Raab und das Comeback, das keiner braucht

Stefan Raab bei seinem Auftritt am Samstag.
Stefan Raab bei seinem Auftritt am Samstag.

Er ist wieder da. Stefan Raab, der Messias der Fernsehlandschaft, ist nach neun Jahren wieder auferstanden und hat zu seinen Jüngern gesprochen. In einer schier endlos scheinenden Selbstbeweihräucherung von Fernsehshow. Ein Festival des Kopfschüttelns.

Wer am Samstagabend den Fehler gemacht hat, den Sender RTL im Fernsehen einzuschalten, der wurde Zeuge von TV-Geschichte. Denn was da über die Bildschirme flimmerte war ein absoluter Fiebertraum. Eine Mischung aus Passionsspiel, Gottesdienst und Frühlingsfest der Volksmusik. Nicht zu vergessen natürlich noch die Glorifizierung eines unfairen und dazu noch unnötigen Boxkampfes.

Aber von vorne: Der bekannte Entertainer Stefan Raab war aus eigenen Stücken 2015 in der Versenkung verschwunden. Dann, neun Jahre danach, im April 2024 plötzlich ein Lebenszeichen. Durch mehrere Videos auf den Social Media Kanälen Instagram und TikTok wurde bekannt: Er kommt wieder – und zwar mit einem Boxkampf gegen Box-Weltmeisterin Regina Halmich. Gegen sie hatte er bereits zweimal verloren, 2002 und 2007. Aber aller guten Dinge sind ja bekanntlich drei. Also wurde wochenlang auf den Kampf hingefiebert – im Netz wie in den Medien. Bis es am Samstag dann endlich soweit war.

 Die ehemalige Boxweltmeisterin Regina Halmich trifft Fernsehmoderator Stefan Raab bei einem Boxkampf im Jahr 2007.
Die ehemalige Boxweltmeisterin Regina Halmich trifft Fernsehmoderator Stefan Raab bei einem Boxkampf im Jahr 2007.

Dokumentation als Gipfel der Eitelkeit

Was uns zur eigentlichen Sendung, oder besser gesagt der Show gewordenen Midlife-Crisis eines 57-Jährigen bringt. Vor dem eigentlich Kampf in der ausverkauften Arena in Düsseldorf werden die 13.500 Zuschauer vor Ort und das Millionenpublikum zuhause mit einer 90-minütigen Dokumentation über Raab mürbe gemacht. 90 Minuten, in denen Stars wie Herbert Grönemeyer und Anne Will Loblieder auf Raab singen voller Nostalgie und der alles überschattenenden Erkenntnis, dass niemand, aber wirklich niemand im Deutschen Fernsehen so toll ist und war, wie er. Man erwartete jeden Moment ein „Amen“ vom Publikum.

Stattdessen wird der Boxring von der Decke gefahren und Regina Halmich macht sich zur Musik von Doro Pesch bereit, mit Mitte 40 noch mal einen älteren, größeren und schwereren Mann zu verprügeln. Auftritt Raab: Von der Decke wird eine Treppe in die Arena gefahren, die Himmelspforten öffnen sich und Fitness-Influencerin Pamela Reif schwingt sich wie ein Engel verkleidet von der Decke. Dabei singt sie ein Loblied auf Raab. Spätestens jetzt ist förmlich spürbar, wie die eigenen Gehirnzellen absterben. Doch es geht gnadenlos weiter.

Herabgestiegen zu seinen Jüngern

Wie der Messias der Fernsehunterhaltung, der vom Himmel herabfährt, schreitet der 57-jährige Raab in weißer Robe die Treppe hinunter. Begleitet von Feuerwerk. Unten angekommen singt er seinen neuen Song „Pa aufs Maul“. Ja, genau. Er singt ein Lied darüber, wie er eine Frau verdreschen wird. Das Lied ist übrigens direkt an die Spitze der Charts durchgestartet. Wenn man genau hinhört, kann man dabei die toxische Männlichkeit und den gelebten Sexismus jubilieren hören. Nach dem Song präsentiert er seinen trainierten Körper, lässt sich bejubeln und anbeten wie ein Gott in Herkules-Pose und Boxer-Shorts.

„Was zum Geier“, denken die noch zurechnungsfähigen Zuschauer. Ab hier ist es dann nur noch wie ein Unfall. Man will eigentlich wegschalten, aber kann seine Augen von diesem Totalausfall nicht abwenden. Der Kampf ist dann nur noch Nebensache. Halmich haut dem selbstverliebten Möchtegern-Rocky sechs Runden auf die Schnauze, gewinnt den Kampf nach Punkten.

Entertainer Stefan Raab boxt gegen Boxweltmeisterin Regina Halmich bei einem Show Boxkampf im PSD Bank Dome.
Entertainer Stefan Raab boxt gegen Boxweltmeisterin Regina Halmich bei einem Show Boxkampf im PSD Bank Dome.

Verdroschen von einer Ex-Weltmeisterin

Er ist am Ende stolz, der Frau ein blaues Auge verpasst zu haben. Toll, Stefan – das wollen wir doch sehen im Jahr 2024. Am Ende kündigt er dann natürlich noch an, wieder ins Showgeschäft zurückzukehren. Mit einer Show, die nicht im Fernsehen, sondern auf der Streaming-Plattform RTL+ zu sehen ist. Genaueres zu dieser Ausgeburt an männlicher Unsicherheit gibt er dann in einer Pressekonferenz preis, bei der er sich selbst beweihräuchert und auf dem Tisch tanzt.

Nach rund vier Stunden ist es dann vorbei. Die Lebenszeit und die Gehirnzellen bekommt man zwar nie wieder, aber wer braucht die schon – wir haben jetzt schließlich Stefan Raab zurück. Hurra.

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